Nachgast-Omen

Mimi spielte den Ball, aber der Regen überfuhr ihn.
Es war nicht sonderlich hell, als es zu donnern begann,
danach aber klärten sich die alten Gespräche, die
sich in Baumkronen versteckten. Die Sicht war von
weißem Schmelz getrübt, aber es zählten ohnehin nur
die ersten Schritte. Später würde man darauf
zurückkommen, denn wir wussten von nichts. Die
mit den Sommersprossen hätte uns wohl am ehesten
an die hohen Ohren eines Esels verraten, aber bis
dieser ankam, waren die Steine bereits alle umgelegt.

Unterhalb der Erde konnte es kein Licht geben, ein
Grund mehr, genau da auf die Suche zu gehen.
Nichts ist fest, alles löst sich auf in zitternden Händen,
hingestellt wo die Wacht endet, wo sich die Kreuzung
nicht entscheidet oder wo der Horizont steil abfällt.
Die Wege waren Schorf an den Schuhen, der
schlanke Ton gebrochenen Eisens berührt die Wunde,
die im Schlaf gerissen wurde. Doch langsam kamen wir der
Sache näher. Ein unbewusster Tanz kann ein ganzes
Dorf zur Weißglut treiben. Es entsteht eine Geisterstadt.

Es ist Zauberwerk, dem du hier begegnest, alle
Schneisen führen in eine Art Rom, von Kloaken bekränzt,
mit ungeheurem Stuck aufwärts gefahren. Es ist nicht
zu viel Abstand zwischen den Gezeiten, ein Pantomime
zog langsam einen Kübel über den Trampelpfad, und
schon war der Moment vorbei. Einfache Laute wurden kristallin
und barsten hinter dem Kofferraum, der handgemachte
Pfirsiche aus Stoff enthielt. Was derzeit aus dem Wald
drang, war durchaus merkwürdig und würde wohl nie

wieder von Dannen ziehen, nicht in einer Regennacht,
geschweige denn mit diesem grobkörnigen Schutt beladen.
Alle schliefen im Ringelreihen, also stellten wir uns
dazu, die Arme ausgestreckt wie um Rinderhälften zu
empfangen. Jemand hatte in all dieser Aufregung seinen
Schlüssel unter denkbar ungünstigen Umständen verloren,
durch eine Art Auflösung, die dem Verschwinden zwar gleicht,
aber doch mehr und mehr zum Nachtvogel wird. Einiges
hatten wir mithilfe von Ketten auszuräumen, und wenn
es nicht zu spät wird, können wir den Tauziehenden endlich
erklären, woher wir wirklich kommen, bevor es ein anderer tut.

Alles besitzt ein rhetorisches Gewicht, außer der Bedeutung selbst.
So entflieht sie uns auf einem Pferderücken; und ob wir sie auch
reiten sehen – weder unser Auge, noch unser Huf
wird da sein, wenn sie anlangt. Noch
einmal ist’s mir als sähe ich die Kreuzung unter Flutlicht
und rings herum um alles läge Glas, zerschmettert von den
Händen, die Gedanken bilden können und daran scheitern,
ein kleines Gefäß sich selbst zu überlassen. Zur Vermählung
im Mai hat diese Tradition für immer ihre Bedeutung erworben, ob man
höre, staune oder nicht. Die Scheiben radieren die Mitte der Luft.

 

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Das Unheimliche: Im Garten ist was faul

Gut zwanzig Minuten nach Beginn des Films Schloss des Schreckens, basierend auf Henry James‘ verstörender Geistergeschichte Das Durchdrehen der Schraube (auch „Die Drehung der Schraube“), steht die Gouvernante, die ihr Glück, in diesem großen Landhaus arbeiten zu dürfen, nicht fassen kann, im Garten, ganz in Weiß gekleidet, und schneidet weiße Rosen. Die Kamera ruht in der Nähe ihrer voluminösen Röcke, auf einer kleinen Gartenstatue, die sich in die Sträucher schmiegt. Es ist ein Cherub, aber er sieht irgendwie deformiert aus, und sein Lächeln hat etwas Schreckliches an sich. Das wird spätestens dadurch bestätigt, als ein praller schwarzer Käfer aus seinem Mund krabbelt. Der Käfer baumelt kurz an der Lippe des Cherub, vibriert mit seinen kleinen Beinchen und fällt aus dem Blickfeld.

Ein merkwürdiges, krankhaftes Gefühl schleicht sich in die Brust des unbedarften Zuschauers, sowohl schrecklich als auch aufregend. Es ist dieses Insekt, das aus einer scheinbar festen Gipsstatue herauskommt. Es gibt ein Wort dafür: unheimlich. Schlagen Sie es in einem Standardwörterbuch nach, und Sie erhalten eine kurze, wenig hilfreiche Definition:

Ein unbestimmtes Gefühl der Angst, das Grauens hervorruft.

Gelehrte haben das Wort bis ins 15. Jahrhundert zurückverfolgt, wo es sich aus dem „verdunkeln“ heraus entwickelte. Nicht etwa von „unheimisch“ und „ungeheim“ leitet es sich her, sondern von „ungetüm“, „ungeheuer“ – was heute dazu führt, dass es umgangssprachlich „Volumen“ („unheimlich“ groß, viel) meint. Im Grunde ist es ein Schattenwort, das nur darauf gewartet hat, aufzutauchen. Die Grimms führen in ihrem Wörterbuch die Synonyme: nicht vertraut, fremd, entfremdet, unfreundlich, ungnädig; feindlich, schädigend, beunruhigend, unzuträglich, unbequem; unfriedlich, bösartig, unerfreulich, gefährlich, bedenklich u.ä.

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Zustandskolorierung

Ich komme aus einer dunklen Ecke, eigentlich aus dem Nichts,
mindestens aber von weit außerhalb einer brummenden Kirmes,
die mit Zuckervögeln lockt. Das ist kein Tier das auffällt,
aber als Süßigkeit allerliebst bunt und natürlich weniger wert
als eine Mehlspeise. Diese Ecke ist ein Kipppunkt, die alte
Brücke hätte sich ins Fäustchen gelacht, aber abgerissen bleibt
abgerissen, auch wenn ihr Geist noch über dem Bach
herumspuken soll. So wurde sie etwa gesehen, wie sie
andere Geister über das sprudelnde Nass gehen ließ, denn
wie sonst sollte ein Omen im Mond zu denken sein?

Ich fror, aber ich bekam davon nichts mit, versteckte
mich noch in den Zellen – eine Einheit mit der grundsoliden
Schwärze, die eigentlich keine Farbe repräsentiert, die man
sich denken kann. Eine Zustandskolorierung, die sich bei
Abwesenheit besonders hervortut. Aber als die Störche begannen,
die Schorne abzuklappern, waren die verkannten Kleinode von
oben zu betrachten. Der Zenit stand aus und auch die Mägen
rumorten in ihrem eigenen Saft. Ein wirklich großes Lächeln
erschien auf Stangen wie ein Rotstift im Zölibat.

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Schaumkrone

Ein Wesen, von der Sterblichkeit geplagt
Findet seine Gazellenspuren wieder
Und
Weiß sich zu behaupten im schattigen
Kreislauf unzähliger Äonen, die ein Band aus Asche
Zu bilden versuchen, unterbrochen nur von den
Sternen, die um Aphrodites Schaumkrone kreisen

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Lebensgeister

Es ist da, das absolute Wagnis, alle sich überschlagenden Ereignisse miteinander zu verweben. Zeitturbolenzen treten an verschiedenen Stellen des Lebens gehäuft auf.

Ich passiere Sandbänke, die wie Walrücken aus dem Ozean stechen, ruhigere Gewässer waren das, als ich noch mit mir selbst Karten spielte, das Würfelglas hob.

Jetzt schreckst du aus dem Schlaf. Dir gilt das Hochzeitslied, dir gilt der Riß, dir gilt das zertrümmerte Türchen, macht hoch das Tor, das Tor mach weit; struwelpeterst im Bett, beginnst betäubt von Liebesträumen wie wild geworden zu schreien, gehst mühelos über das hohe c hinweg. Die menschliche Stimme, welch Zauber, der Einbruch in eine sichere Umgebung.

Ich ziehe es vor, eine Skulptur zu formen, nehme mich der Salzsäule an, Sodom und Gomorrha im Schlafzimmer. Wie klar ich sehe, als würde ich träumen. Das enthauptete Huhn flattert noch einmal auf und davon.

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Die Legende vom kopflosen Reiter

Auch wenn er selten aufgezählt wird, ist eine der bekanntesten Kreaturen der westlichen Volksmärchen der kopflose Reiter. Innerhalb der keltischen Folklore lässt sich die Erscheinung bis ins Mittelalter zurückverfolgen, aber die bekannteste Interpretation des legendären Gespensts stammt aus der Nähe von Terrytown, New York und ist in einem ruhigen Dorf namens Sleepy Hollow entstanden. Niedergeschrieben wurde die Legende von Washington Irving, und gehört hat jeder in der ein oder anderen Form schon einmal davon.

Die Legende besagt, dass das Gespenst einst ein hessischer Soldat gewesen ist, der in einer namenlosen Schlacht während des Revolutionskrieges durch eine Kanonenkugel getötet wurde. Der kopflose Reiter erhebt sich an jedem Halloween, um zu versuchen, seinen Schädel zu finden, indem er andere Köpfe abhackt, bis er den seinen endlich gefunden hat. Doch der kopflose Reiter ist natürlich nicht nur an Irvings Geschichte gebunden.

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Der verbotene Tag: Robin Hood

I

Robin Hoodm Laufe der Jahrhunderte hat das Erzählen und Nacherzählen der traditionellen Robin-Hood-Geschichten dazu geführt, dass eine schier unendliche Vielzahl von Interpretationen entstanden ist, die sich in Comics, Accessoires, Filmen, TV-Serien, Computerspielen usw. niederschlägt. Da es an unbestrittenen historischen Beweisen mangelt, hat jeder „Geschichten

erzähler“ die Gelegenheit genutzt, seiner Fantasie freien Lauf zu lassen und der beliebten Legende eigene Wendungen und Verzierungen hinzuzufügen. Infolgedessen hat die Fiktion über die Tatsachen gesiegt und eine Marke geschaffen, die als Symbol der Popkultur millionenfach reicher ist als eine echte historische Figur je sein könnte.

Der verbotene Tag

Historiker verbinden die Ursprünge der Robin-Hood-Legende oft mit den frühen heidnischen Festen am 1. Mai, dem „Robin-Hood-Tag“, und dem 30. Juni, an dem Mittsommer gefeiert wird.

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