Ist das nicht ein Lied für dich?

Die Türen klappern und die Eulen kauzen, sie erledigen ihr finsteres Mahl. In den Katakomben wären sie die Herrscher der klandestinen Welt, auf den Bäumen sind sie die Augen der Nacht, denen das Flirren der vom Irrlicht angestrahlten Insekten die Straße in den Nebel ist.

Aus den Schornsteinen schälen sich die Gespenster der Holzrinde in hellgraue Mäntel. Ihr Ziel ist, wie so oft, das Nirgendwo.

Nur mich treibt es über das unebene Plastrum hinaus, und ich wundere mich, dass ich unbehelligt fliehe, ohne ein forsches Tempo anzuschlagen, ohne die unzureichenden Sinne auszufahren, um die Schatten zu deuten, die gemütlichen Gerüche, die aus schlecht schließenden Fenstern schleichen, von den ätzenden Salben der Gefahr zu unterscheiden. Das stille Wunder der Nacht verschluckt mich an Ort und Stelle, unsichtbar, weil ich mich unsichtbar denke. Nur die Arglosen sowie Kinderseelen könnten mich jetzt noch entdecken, wie ich mich aufmache in die jenseitige Welt, die für mich nicht schwer zu erreichen ist durch das Pfand, das ich bei mir trage.

Aber auch die würden mich nur in einem Traum wie ein Schemen finden, das Grauen in ihnen auslöst ohne Grund, so dass sie sich weigern, allein zu schlafen und darum bitten, es möge eine Kerze scheinen, ihren Atem bewachen, die Tür angelehnt, die Schränke verschlossen, denn vielleicht kröche ich aus dem Gewühl des Unaufgeräumten.

Ohne Grund, nur aus der tiefen Ahnung des Todes heraus, den sie in Gedanken vorwegnehmen und sich damit Zeichnen all ihr Leben lang. Es wird dieses Bild sein, das sie auf ihrem Sterbebett imaginieren, das ihnen sagt: »Alles ist bar jeder Hoffnung. Kein Licht wird dich erretten, wenn du fällst in meine dunklen Schwingen!«

Nichts Sensationelles gebührt mir, keine Chronik verbindet meinen Namen mit Papier, ich fürchte gar, man sieht mich an und vergisst mich gleich beim nächsten Augenniederschlag. Wie schwarze Materie vermutet man mich in leeren Häusern, verlassenen Orten; man spricht mit mir über die Wunder dieser Welt, als wäre ich ihnen näher. Doch ich bin nur der Wanderer, der flieht, auch wenn niemand sich hinter mir zeigt.

Der Mensch und die Paarung ertragen Intensität nicht lange; wie aber steht es mit dem Gedankenerwecker?

Ich folge den orphischen Vasallen, die in ihrer Sangeskunst Melodien aus Gedanken formen, die ein tanzendes Wort ergeben. Aus der Höhle erster Dunkelheit heben vergessen Zorn und Sein, Gespenster, die im Geisterrauch den Mund nicht brauchen. Da bist du, trägst uns durch dein Flötenspiel dem Hafen entgegen, den flaschengünen Nixen zu, den sonnenlosen Reichen, die keine Formen missen lassen.

Man weckte den Toten, der schlief. Ist das nicht ein Lied für dich?

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Ist so fürchterlich nicht

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Mia Marple

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Das Irrlicht

Die britischen Inseln pulsieren geradezu vor geheimnisvollen Geschichten. Von den schroffen Klippen Englands bis zu den Nebeln der schottischen Highlands, von den sanften Hügeln von Wales bis zu den grünen Tälern Nordirlands – überall wispern Legenden, flüstern Geister, tanzen Schatten in der Dämmerung.

Unter all den Mysterien, die in den alten Chroniken verweilen, gibt es eines, das wie ein flackernder Funke durch die Zeiten springt: das Irrlicht. Sein Name variiert von Land zu Land, doch sein Wesen bleibt dasselbe – ein Licht in der Dunkelheit, ein Versprechen oder eine Warnung, ein Spiel der Natur oder ein Ruf aus dem Jenseits. Besonders im Vereinigten Königreich kennt man es als Will-o‘-the-Wisp, als das unstete Flackern, das Wanderer lockt und sie ins Ungewisse führt.Trotz regionaler Unterschiede gibt es einige wiederkehrende Merkmale, die in vielen dieser Erzählungen zu finden sind.

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Auf der Stelle

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Täusche das Auge

Sagst du denn, ein jeder, der stirbt, der will es auch oder der soll oder der muß, was ist denn der Tod, gegen den wir kämpfen in Ermangelung des Herzens Schau, und ist denn der Tod das Ablegen des Körpers, plötzlich oder vorbereitet oder warum weinst du? oder wissen wir nicht, daß wir das Wasser sind und meine Hand bald deine Hand sein wird und mein Gesicht auch dein Gesicht, nirgendwo die Kraft, als hier, haben uns zwischen das Vergehen gemischt (vorher beobachtet) da können wir hindurch gehen, wir müssen schnell sein (die mahlenden Wände wie Backenzähne) wir müssen schnell sein in der Zeit (ich mache dir zum letzten mal den Wein auf) oder warum weinst du? dort ist doch nichts, ich bin mäandert, ich schrieb, Vorläufer des Schriftstellers sah ich am Pulte zerhockt, wurzelschlagend Briefe verfassen. Secretaire á la mode in verschiedenen Gattungen der Malerei Still=Leben, Trompe-l’œil, Vanitas-Bildchen wurden allein die Gegenstände der Schriftkultur ohne die Gegenwart eines Menschen, gegeben, oft ganze Ensemble von Schreibgeräten- und formen, neben dem Manuskript (Ozean) Feder Federmesser Brieföffner Tintenfaß Wachsstange Notizbuch Brieftasche versiegelter Umschlag und versiegeltes Memorandum, neben den Druckschriften ein Kupferstich und ein Almanach oder warum schreibst du? unsere Erde wäre nichts als ein düsterer Kerker, wenn wir nichts von der Macht des Geistes wüßten, Geschichte sowieso ist ein Gewebe aus Unsinn für den höheren Denker, Amru, der muselmanische Eroberer von Alexandria
(mit der umfangreichsten Bibliothek des Altertums) benutzte die Schriftrollen als Brennstoffvorrat für die Heizung der viertausend öffentlichen Bäder der Stadt oder warum schreibst du?
(in Ermangelung des Herzens Schau) für Ägypter, Mesopotamier und Homer war das Herz der Sitz der Intelligenz, Demokrit aber sah im Hirn den Wächter der Gedanken, die Leber als Sitz der Begierden die Lust am Orientierungsverlust, am Gebrochenen, Reflektierten, Raffinierten und Auflösenden. Plato gliederte die Seele in drei Teile, Aristoteles fror das Denken ein : ‚Das Gehirn besteht aus Wasser und Erde‘ (aus Wasser und Erde ?) – ‚Es ist ein Kühlaggregat, um die Temperatur des Blutes zu senken und den Schlaf einzuleiten‘ (den Schlaf einzuleiten ?) umgibt man sich (folgerichtig) mit den klügsten Köpfen, geschieht es, daß man sich mit ihnen im Traumdialoge mißt, da tafeln wir des öfteren (Abstinenz ist unsere Sache nicht) bis uns recht schlecht von der Völlerei geworden ist, Minne zu erwerben, das ist ja des Dichters Sinn, wir nennens heute Liebe, meinen aber Magen. Im 17. Jahrhundert führt Descartes die einzelnen Komponenten wieder zusammen und brachte sie in der Zirbeldrüse unter, er war der erste, der den Körper als eine Maschine sah (die mahlenden Wände wie Backenzähne) verglich ihn mit einer Orgel, in deren Pfeifen die animalischen Instinkte zirkulieren
(‚Three More Quarks for Mister Mark‘ / Joyce)
übern Tischrand dieser Erde wölbt der Sonnerich sich halb, in all Getöpfe faßt die lichte Hand, in Weidenkörben goldets auf – auf Heldenfeldern trocknet s Laub und zischelt beim Verwehen : ‚Oh Serpentina, hier entlang, oh Serpentina, dort!‘
Ich sah sie nicht am Fenster stehn noch über die Schulter schnurrn, ihr Schritt tickt immer weiter fort, es atmet kaum ihr Schuh, heraus blitzt neonfarben neuester Tand und Modeschlick, wer’s nicht hat (Acht und Bann) verwest sind ihre Schritte halb schon auf dem Asphaltschwarz, mich geht die Gier fürs Neue an, wohin wird sie mich wehn.

Standort : Amsterdam 1987 in den Grachten mit einem Koffer voll früher Gedichte.

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Hold on to your Flea Market

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