Kategorie: Hexenwerch

albera anders stellt hier auszüge einiger ihrer poetischen arbeiten vor. um auch ihre bilder anzusehen (oder ihre essais zu lesen), empfiehlt es sich in die rubrik ALBERA ANDERS zu wechseln.

Lilith

Geschrieben von A. Anders

Ich bin, von dir genommen,
in den kleinsten Winkeln deines Raumes daheim.
Meine schwarzen Augäpfel
sind die Dunkelheit der Welt gewöhnt.
Kein Augenweiß. Nichts Irisierendes,
das isoliert betrachtet werden kann und will.
So hocke ich einfach da
und nehme wahr,
wie ein Haus Zeit konserviert.
Mein Mund, eine Melasse, die Fliegen fängt.
Denn das, was sie nicht fängt, wirft
sie auf Wunden. Ins hypnotische
Meer der Mütter greift meine Seele fingerlang.
Das immer Kleinste der Kleider
ist ins Nichts geweht, an den Rändern
verwoben mit mir. Ich wringe,
stehend im weißen Sand,
mein Kleid, dein rotes Meer.

Abyss

Geschrieben von A. Anders

Der klamme hölzerne Raum, in dem sie saßen, hob und senkte sich an seinen beiden Enden abwechselnd auf und ab. Dunkelgrüne leere Flaschen rollten über dem Boden hin und her. In den blauen Bärten der grobschlächtigen Männer hatten sich kleine Fische verfangen, die gleichmäßig zappelten als würden sie durch ihr gewohntes Habitat schwimmen. Das flackernde Licht der Kerzen auf dem Tisch ließ sie für Bruchteile von Sekunden verschwinden, als seien sie im Dickicht der Bärte in Deckung gegangen. Filigrane Neptungräser, die sich nachgiebig der vorherrschenden Strömung hingaben. Sprachen die Männer, kam nichts als Wasser aus ihren dunklen Mündern. Rülpsten oder gähnten sie, fuhren imposante Flaggschiffe aus ihren nassen Schlünden von Zeit zu Zeit, die sich, sobald sie sich entschieden hatten, in eine Richtung abzubiegen, verflüchtigten. Die Schlacke, die sie dabei jedes Mal mitspülten, jedoch blieb, nahm zu, nahm nach und nach, von den Wellenbewegungen modelliert, die Gestalt eines dunklen Geschöpfes an, das sich vor den Bärtigen aufbaute. Muränen schwammen aus ihrem wässernden, sich wandelnden Leib, der mal jung, mal alt erschien, jedoch immer ungefähr und fließend blieb. Neben Seesternen, die am Boden aus ihr hervorkrochen, lösten sich Muscheln aus ihr, als hätte man den Boden des Meeres aufgewirbelt. Einer der Bärtigen holte aus seinen Ohrmuscheln zwei unförmige fahle Perlen. Die anderen taten es ihm nach. Blitze zuckten durch die Augen der Muränen und die Augen der Männer. Schnell rollten die leeren Flaschen in die Tiefe zur Seite des Bugs. Das Licht der Kerzen auf dem Tisch erlosch.

Eins: Nacht ohne Morgen

Geschrieben von A. Anders

Es gab Erste. Diese Ersten waren viele. Sie hatten sich daran gewöhnt, ihre Hände verschollen zu wissen. Ihr Mund von einem weißen Band fortgetragen, das vor ihren blass marmorierten Stirnen davonwehte, während sie sich ins Dunkel drehten ohne jemals wiederzukehren und für immer dort stehen blieben, von wo aus sie gerufen worden waren. Unbewusst streifen die, deren Namen noch unausgesprochen nicht zu Asche zerfallen sind, sie in den Straßen und auf den Feldern. Das Einzige, was sie von ihnen wahrnehmen, so sie wach und vermöge sind, ist allenfalls ein eisiger Luftzug, der rückwärts in der Zeit all die Türen verschließt, die jene sich zeit ihres verbleibenden Lebens offenzuhalten gedenken.

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Nachruf an H. L.

Geschrieben von A. Anders

Es ist nicht sicher, Schwester,
dass wir uns erinnern,
wie wir uns fanden.

Es ist nicht sicher,
dass wir uns wiedererkennen,

die wir uns suchen
auf nunmehr anderen Wegen
anderntags.

Es ist nur sicher,
dass wir sie gehen.

Nicht sicher

Es ist nicht sicher Bruder
daß wir uns finden
die wir uns suchen
daß wir uns sehen
wenn wir uns begegnen
daß wir uns erkennen
wenn wir uns lieben
daß wir uns wiedererkennen
anderntags

(Hanna Leybrand)

Auch ich

Was glaubst du, Mensch, ist dein Menschenleben, dein Geschlecht, noch wert, wenn du nicht wagst zu leben, Leben nicht wahrnimmst, wenn es ist?

Ich verrate es dir: Nichts.

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Nope!