Die Veranda

Possenspiele

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Yuggoth 17 – Eine Erinnerung

Yuggoth

Anmerkung des Übersetzers: Fungi from Yuggoth besteht aus 36 Sonetten, die Lovecraft zwischen dem 27. Dezember 1929 und dem 4. Januar 1930 verfasste. Ausgewählte Sonette wurden im Weird Tales Magazine veröffentlicht. Erstmals komplett erschien der Zyklus in Lovecrafts Sammlung “Beyond the Wall of Sleep”, die von August Derleth 1943 herausgegeben wurde, sowie 2001 in “The Ancient Track: The Complete Poetical Works of H. P. Lovecraft”. Die erste Publikation, die den Zyklus in der richtigen Reihenfolge brachte,  war “Fungi From Yuggoth & Other Poems”. Herausgegeben von Random House 1971. Lovecraft wählte für seinen Zyklus eine Mischform aus Sonetten-Stilen. Bei genauerem Hinsehen ist es schwierig, wirklich von Sonetten zu sprechen. Als Übersetzer habe ich mich dafür entschieden, auf die Endreime zu verzichten, um die von Lovecraft intendierte Erzählform beibehalten zu können. Wie immer bei Gedichten kann es sich nur um eine Nachdichtung handeln.

FUNGI FROM YUGGOTH (Übersetzt von Michael Perkampus)

Hier gab es weite Steppen und felsige Tafellandschaften,
Die sich in sternenklarer Nacht fast grenzenlos entfalteten,
Durchwoben von fremdartigen Lagerfeuern, die ihr schwaches Licht
Auf Bestien mit klingenden Schellen an zottigen Bändern warfen.
Weit im Süden neigte sich die Ebene tief und breit
Hinab zu einer dunkel-irren Linie aus Mauern,
Die wie eine riesige Python eines urzeitlichen Tages warteten,
Dessen verlorene Zeit längst erkaltet und versteinert war.

Ich zitterte eigentümlich in der kalten, dünnen Luft
Und fragte mich, wo ich war und wie ich hierher gekommen bin,
Als sich eine verhüllte Gestalt gegen das grelle Licht
Eines Lagerfeuers abhob und sich näherte und mich bei meinem Namen rief.
Als ich auf das tote Gesicht unter der Kapuze starrte,
Ließ ich alle Hoffnung fahren, denn ich verstand.

Der Macbeth-Fluch

Macbeth, eines der populärsten Stücke Shakespeares, weist eine bizarre und gefährliche Vergangenheit auf, die bis zu seiner Uraufführung Anfang des 16. Jahrhunderts zurückreicht. Die Behauptung, dass es einen Macbeth-Fluch gebe, ist eine auffallende Anomalie. In dem Stück wird Macbeth von Schlaflosigkeit geplagt, und seine Frau, Lady Macbeth, neigt zum Schlafwandeln. Im Verlauf des Stücks manifestiert sich bei Macbeth zunehmend eine paranoide Symptomatik, die durch die Besorgnis motiviert ist, seine Verfehlungen könnten ans Licht gebracht werden. Der Geist Banquos, den Macbeth hat töten lassen, kehrt zurück, um ihn heimzusuchen und symbolisiert sein schlechtes Gewissen.

Die Legende besagt, dass der Junge, der die Rolle der Lady Macbeth spielte, während der ersten Aufführung erkrankte und kurz vor der Aufführung starb. Shakespeare selbst musste sich daraufhin verkleiden, um die Rolle zu spielen.

König Jakob I. soll von dem blutigen Geschehen auf der Bühne so angewidert gewesen sein, dass er die Wiederaufführung des Stücks für mehrere Jahre verbot. Das Stück wurde weiterhin von Tragödien heimgesucht. Besonders gefährlich war es, die Rolle der Lady Macbeth zu spielen. Schauspielerinnen, die diese Rolle spielten, wurden vom Publikum aus dem Theater gejagt, weil sie glaubten, die Schauspielerin sei eine echte Mörderin. Eine andere Schauspielerin stürzte während der berüchtigten Schlafwandlerszene fünf Meter tief von der Bühne. Und 1926 improvisierte ein kleiner Schauspieler seine Rolle und versuchte, Lady Macbeth auf der Bühne zu erwürgen. Bei einer Aufführung 1849 in New York geriet das Publikum so in Rage, dass ein Aufstand ausbrach, bei dem mehr als 30 Menschen starben.

Die Aufführungen des 20. Jahrhunderts waren besonders brutal. Als Laurence Olivier 1937 die Titelrolle spielte, löste sich auf mysteriöse Weise ein Schwergewicht über der Bühne und stürzte nur wenige Zentimeter neben dem Schauspieler zu Boden. In dieser Inszenierung wurden in den Kampfszenen leichtsinnigerweise echte Schwerter verwendet. In einem Fall brach die Spitze eines der Schwerter ab und flog in den Zuschauerraum. Sie traf einen Mann und verursachte bei ihm einen Herzinfarkt. Den Rekord für die meisten Unfälle hält eine Produktion von 1942 mit John Gielgud in der Hauptrolle. Drei Schauspieler starben während der Aufführung und der Kostümbildner beging unmittelbar nach der Premiere Selbstmord. 1953 spielte Charlton Heston die Hauptrolle und erlitt schwere Verbrennungen an den Beinen. Später stellte sich heraus, dass seine Strumpfhose auf mysteriöse Weise mit Kerosin getränkt worden war. Die Liste des Unglücks ist lang.

Theaterleute sind ein abergläubischer Haufen, und alles, was so viel Ärger macht wie Macbeth, hat eine ganze Reihe von Überlieferungen. Zum Beispiel spricht niemand den Namen „Macbeth“ aus, es sei denn, es wird für das Stück geprobt oder es wird tatsächlich aufgeführt. Das Stück selbst wird in Theaterkreisen allgemein als „The Scottish Play“ bezeichnet. Natürlich kommt es vor, dass Schauspieler den Titel des Stücks versehentlich aussprechen. Und es gibt zahlreiche Geschichten darüber, wie das Unglück abgewendet werden kann, wenn dies geschieht. Die meisten Varianten sehen vor, das Theater zu verlassen, sich dreimal umzudrehen, zu fluchen, über die linke Schulter zu spucken und darauf zu warten, dass man wieder ins Theater eingeladen wird. Die große Frage ist, was den Macbeth-Fluch ausgelöst hat. Dazu gibt es verschiedene Ansichten. Eine besagt, dass Shakespeare in seinem Stück eine Beschwörungsformel verwendet hat. Die Hexen, die der Aufführung beiwohnten, wurden so wütend, dass sie alle zukünftigen Aufführungen des Stücks verfluchten. Eine andere Version besagt, dass Shakespeare selbst das Stück verfluchte, nachdem König Jakob I. eine erneute Aufführung verboten hatte. Was auch immer der Grund sein mag, die Theatergruppen bleiben misstrauisch gegenüber dem Bühnenstück, auch wenn es sich als Publikumsliebling erweist.

Fallanalyse: Mörder aus dem Totenreich

Der zweite Fall in der frühen Karriere des Geisterjägers John Sinclair trägt den Titel Mörder aus dem Totenreich und zählt zu den grundlegenden Erzählungen, in denen sich das noch junge Sinclair-Universum formt. Die Geschichte verbindet urbane Kriminalität mit okkulten Elementen und entführt den Leser – beziehungsweise Hörer – in die mystisch aufgeladene Welt der mexikanischen Maya-Kultur. Als klassische Gruselgeschichte mit Abenteuereinschlag legt sie – ähnlich wie bereits Die Nacht des Hexers – den Grundstein für viele spätere Motive der Serie.

Die Handlung beginnt in London, wo ein scheinbar harmloser Mann in einem plötzlichen Wutanfall ein Massaker im Hyde Park anrichtet. Ähnliche Vorfälle ereignen sich fast zeitgleich in New York – auch hier verlieren bislang unauffällige Menschen plötzlich die Kontrolle über sich und werden zu brutalen Mördern. Der Reporter Bill Conolly erkennt erste Zusammenhänge und bittet seinen Freund John Sinclair um Hilfe. Dieser nimmt die Ermittlungen auf und findet bald heraus, dass alle Täter zuvor an einer archäologischen Exkursion nach Yucatán teilgenommen haben – ein Hinweis, der die Geschichte aus dem Herzen Europas direkt in den dichten Dschungel Mexikos führt.

Mit der Reise auf die Halbinsel Yucatán ändert sich nicht nur der Schauplatz, sondern auch der Ton der Geschichte. Wo sich zuvor das Grauen in vertrauten urbanen Räumen abspielte, dominiert nun eine fremde, unheimliche Atmosphäre. Inmitten von Ruinen und tiefem Dschungel stoßen John und Bill auf den sogenannten „Herrn der Toten“, eine dämonische Macht, die in alten Maya-Ritualen verwurzelt ist. Dieser Antagonist kontrolliert seine Opfer nicht durch rohe Gewalt, sondern durch geistige Manipulation. Seine Macht besteht darin, die Seelen der Menschen zu vergiften, sie willenlos zu machen und in Mordwerkzeuge zu verwandeln. Diese Bedrohung ist umso erschreckender, als sie die eigene Identität, die menschliche Freiheit und den freien Willen untergräbt.

Der „Herr der Toten“ wird in der Hörspielbearbeitung von Friedhelm Ptok mit ruhiger, fast väterlicher Stimme gesprochen. Diese nüchterne Darstellungsweise verleiht ihm eine unheimliche Präsenz, die sich nicht aus Lautstärke oder Aggressivität speist, sondern aus einer tiefen Unabwendbarkeit. Er wirkt nicht wie ein wütender Dämon, sondern wie ein kalter Strippenzieher aus dem Jenseits, der seine Opfer mit der Gewissheit des Unausweichlichen lenkt. Damit steht er exemplarisch für ein Böses, das nicht einfach zu bekämpfen ist – es lauert im Inneren der Menschen.

John Sinclair, noch ohne magisches Kreuz oder ein ganzes Team aus Mitstreitern ausgestattet, bleibt in diesem Fall auf sich allein gestellt. Er ist weniger der Actionheld, als vielmehr ein rational denkender Ermittler, der Hinweise kombiniert und Zusammenhänge erkennt. Die Figur ist in dieser frühen Phase noch nahbar, verletzlich und menschlich – was insbesondere in den Szenen deutlich wird, in denen er um seinen Freund Bill kämpft, der selbst beinahe dem Bann des Totenherrschers verfällt. Diese emotionale Komponente verleiht dem Fall zusätzliche Tiefe: Hier geht es nicht nur um das Aufhalten eines Bösewichts, sondern um Loyalität, Opferbereitschaft und die Frage, wie weit man gehen würde, um einen geliebten Menschen zu retten.

Atmosphärisch gelingt der Geschichte ein stimmiger Wechsel zwischen zwei gegensätzlichen Welten. Während der Schrecken in London und New York durch seine Plötzlichkeit und scheinbare Willkür beunruhigt, entfaltet die zweite Hälfte in Mexiko eine mythologische Dichte. Die alten Tempel, das Dickicht des Dschungels und das Gefühl, einer uralten Macht gegenüberzustehen, schaffen eine Umgebung, in der der rationale Verstand allmählich seine Deutungshoheit verliert – und genau darin liegt der Reiz dieser Erzählung. Das Abenteuerhafte wird nicht durch übermäßige Exotik trivialisiert, sondern bewusst als Kontrast zum modernen Alltag inszeniert.

Die Hörspielumsetzung unter der Regie von Oliver Döring verstärkt diese Wirkung durch eine hochqualitative Produktion. Geräuschkulissen, Musik und Sprecherleistungen arbeiten perfekt zusammen, um die Spannung zu halten. Besonders auffällig ist die Art, wie das Grauen inszeniert wird: Weniger durch direkte Schocks, sondern durch schleichendes Unbehagen und das beklemmende Gefühl, dass der Wahnsinn jederzeit ausbrechen könnte.

Thematisch behandelt „Mörder aus dem Totenreich“ zentrale Motive der Sinclair-Reihe: den Verlust der Kontrolle, die Bedrohung durch archaische Mächte und die Zerbrechlichkeit menschlicher Zivilisation. Der Horror ist dabei nicht nur äußerlich – er greift tief in die Psyche ein. Die Vorstellung, durch einen fremden Willen zum Mörder gemacht zu werden, ist erschreckender als so mancher Dämon mit Hörnern. Zudem stellt sich implizit die Frage, ob das Böse immer „außerhalb“ zu verorten ist – oder ob es in Momenten der Schwäche auch von innen heraus kommen kann.

Mörder aus dem Totenreich ist ein früher, aber wichtiger Fall in der Karriere John Sinclairs. Die Geschichte verbindet gekonnt klassische Horrorelemente mit exotischer Mythologie und liefert einen emotionalen wie atmosphärischen Höhepunkt, der durch die Hörspieladaption weiter verstärkt wird. Der Fall besticht weniger durch Spektakel als durch eine tief sitzende Unruhe – und bleibt gerade deshalb nachhaltig in Erinnerung.

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