Bartholomäus suchte den Boden um die Telefonzelle herum nach Zigarettenkippen ab. Viele waren es nicht, aber einige von ihnen klaubte er in seinen Brotzeitbeutel, um sie später zu rauchen. Die meisten lagen schon etwas länger, waren nass geworden und wieder trocken – und erneut nass. Eine größere Beute machte er in den Kneipen, von denen es hier gleich drei gab. Aber ließ man man ihn überhaupt rein? Gestand man einem Verirrten zu, die Nachtwächter zu trinken und vielleicht auf dem Klo rumzustehen? Er versuchte es. Tatsächlich schenkte ihm der Wirt des Gasthofs zwei Krüge randvoll.
WeiterlesenMonat: April 2021 (Seite 1 von 2)
Geschrieben von A. Anders
Aufgrund des Durcheinanders und der Angst,
dass die Zeit Haarpulver erzeugen könnte,
befinden sich in den Ecken Medaillons und Tröster-Krawatten.
Es ist absolut exquisit.
In diesem romantischen Kit dreht sich alles darum,
elegante Epochen der Vergangenheit zu romantisieren
und mit Rosen zu vermischen.
Es gehört zur Nostalgic Essence Collection.
Sie sehen keine Fälschungen mit angeblicher “Weichzeichnung”
oder selbstgemachten zerstörten Stoffstrümpfen.
Einseitig sind noch die alten Halterungen für den Himmel vorhanden. – Dieser fehlt jedoch.
Er wurde früher in die Kupferwanne gelegt, um den Badegast vor der Hitze der darunter liegenden Brände zu schützen. Man konnte ihn aufhängen oder hinter einen alten Spiegel klemmen.
Gekauft wurde er vor vielen Jahren von einer wundervollen Dame mit langen irisierenden Hahnenfedern und einer glorreichen fliegenden Krähe in einem kleinen Dorf zwischen Bergerac und Monbazillac in der Dordogne.

Ein Verbrechen in der Nacht
Was immer der Kriminalroman ist – das Unheimliche, das Böse, das Verbrechen, das Rätsel – beherbergt er wohl aller Menschen Los. Was aber, wenn einmal kein Verbrechen geschieht? Dann ist die Fiktion immer noch ein Rätsel, mehr als es das Leben ist. Und vielleicht ist schon mit aller Existenz ein Verbrechen im Gange, nur gelöst werden kann es nicht.
Zur Nacht – ich mag an einer bestimmten Stelle der Nacht Müdigkeit empfinden – aktiviert sich das Nachtgehirn, das sich ganz und gar von dem des Tages unterscheidet. Vielleicht tritt es gerade durch die Erschlaffung der körperlichen Funktion hervor. Ich ging auf und ab vor meiner Bücherwand; gehe ich nahe an sie heran, sind es viele, trete ich etwas zurück, bemerke ich vor allem das Fehlen jener Bücher, die noch nicht da sind. Dieses Fehlen fällt mir auf, weil noch Wand zu erkennen ist. Ich habe Mühe, die Nacht zu verschlafen – ein Traum ist ja nicht garantiert. Eine Nacht ohne Traum währe allerdings vertan, also muss der Ersatz, der sichere Ersatz, die Lektüre sein. Nicht das lineare Zeilenfolgen, sondern das Fliegen durch auffällige Bände, die sich anbieten durch ihr leichtes Vorstehen, das Durchbrechen der sauberen Linie.
Als sie den Schrei vernahmen und sahen, wohin Roland deutete, riss Ludwig sein Lasso von seiner Gürtelschnalle und sprintete augenblicklich los. Sie waren gerade so weit gekommen, um zu erkennen, dass keiner die beiden Toten kannte, was einerseits eine Erleichterung war, andererseits die Sache schwieriger machte, denn Fremde würde man unweigerlich suchen. Ludwig sah Bartholomäus vor sich, der keine Anstalten machte, sich von der Stelle zu bewegen, so als erwarte er ganz gelassen sein Schicksal. Hinter ihm klirrte Richard mit den Messern und kam ihm hinterher geeilt. Doch plötzlich geschah etwas Merkwürdiges. Es wurde dunkel, und zwar in einer Geschwindigkeit, als knipse jemand das Licht in einem Wohnzimmer aus. Eingerahmt von Haselnuss, Wacholder und Vogelbeere stand Bartholomäus wie eine Vogelscheuche still und blickte zum Himmel hinauf. Sein Gesicht war eine blasse Menschenscheibe, die Haut gegerbt, von Rundschuppen überzogen. Ludwig konnte ganz deutlich die Fischaugen erkennen, den Haken unter einer verkümmerten Flosse. Er ließ das Lasso kreisen, obwohl er doch sichtlich irritiert war.
WeiterlesenAlvin Gerard war gerade damit beschäftigt, einen Kunststoffbottich, der einmal ein Rührwerk bekommen sollte, mit seiner Ameise zur Weiterverarbeitung durch das Tor in die Betriebshalle zurückzubefördern, als Roland laut rufend aus dem Waldstück gerannt kam. Eigentlich war der Franzose zuständig für den Karosseriebau der Firma Netzsch Kunststoff. Als ein Monteur von Citroen genoss er hier einige Privilegien, fuhr selbst einen Méhari, der in Deutschland wegen der leicht brennbaren Kunststoffkarosserie eigentlich gar nicht zugelassen werden durfte. Hier bei les boches in den montagnes, die sie nach ihren épinettes, den Fichten benannt hatten (obwohl er kaum welche zu sehen bekam), scherte man sich nicht wirklich um sein Auto, das aussah wie ein Spielzeugjeep. Hier war alles etwas anders, sehr anders. Alvin hatte sich daran gewöhnt, er verdiente schließlich eine Menge Geld hier am Arsch des Universums, und wenn er alle zwei Wochen nach Levallois zurückkam, hatte er seinen Freunden eine Menge zu erzählen. Zum Beispiel von einem monsieur du grenier, dem Schwarzen Mann, an den sie hier wirklich glaubten, und den sie Agilmo oder Agil-up-fer nannten. Genau das rief Roland, gefolgt von seinen hechelnden und wesentlich kleineren Spielgefährten, die ihm kaum nachkamen.
WeiterlesenDie Gedanken hat man früher Vögel genannt, mächtige Steinadler hoch im Himmel, insektenfleißige Wintergoldhähnchen weiter unten, beide verschwindend in der rauen Nacht. In kanutischen Kreisen produziert der Malstrom undenkbare Wirren. Weit ist das rettende Ufer; wer es erreicht, der hat sich deshalb noch lange nicht in Sicherheit gebracht, der lässt sich vielleicht täuschen von den Schwarzerlen, der artenreichen Krautschicht, die es hier zu finden gibt, der wird ganz versessen darauf sein, die Auwälder zu betreten, nachdem er gerade dem finsteren Schlund seiner eigenen Vergangenheit entkommen ist. Wo will er hin, Bartholomäus, der Wanderer? Er kommt von dort, wo man einst Monstren an die Wände malte, wo man statt der Säulen geriefelte Stengel mit krausen Blättern und Voluten malte, statt der Giebel Zierwerk, ebenso Kandelaber, die gemalte Ädikulen trugen. Auf deren Giebel wuchsen aus Wurzeln sich ein- und ausrollende zarte Blumen, auf denen dann ganz sinnlose Figürchen saßen. Und schließlich trugen die Stängelchen sogar Halbfiguren, die einen mit Menschen-, die anderen mit Tierköpfen.
WeiterlesenDann schlief er ein – und erwachte mit steifen Gliedern. Sein Magen begann augenblicklich laut zu knurren. Er raffte schnell seine Decke zusammen und blinzelte aus der Tür heraus den frühen Morgen an. Über dem Tal verflüchtigte sich gerade der Nebel. Es konnte nicht später als sechs Uhr sein. Die grüngestrichenen Fensterläden ließen kaum Licht in dem fünfeckigen Schuppen mit dem roten Dach; wäre er betrunken oder zumindest satt gewesen, wäre er bis mittags liegengeblieben, bis die dunstige Hitze ihn schließlich aus dem Bau gejagt hätte.
WeiterlesenDie zahlreichen Teiche dienten weitgehend als Stauteiche für Mühlen und Hammerwerke, die an den Bachläufen wie Perlen an einer Schnur aufgereiht waren.
Er wusste nicht, von wo er kam, konnte nicht einmal sagen, wer er denn eigentlich war. Da gab es diesen Nebel in seinem Kopf, wenn er versuchte nachzudenken. Sah aus, wie jeder andere Nebel auch, milchig, wie eine auf die Erde gestürzte Wolke. Hinter diesem Nebel befand sich seine Erinnerung, das Leben, das er gelebt hatte. Manchmal sah er in diesem weißen Nichts eine Frau stehen. Sie musste uralt sein, aber das erkannte er nicht richtig, weil der Nebel sie so stark umhüllte. Er sah einen schwarzen Rock und darunter nicht minder schwarze Beine. Strumpfhosen. Von mit Altersflecken besprenkelten Armen lappte die Haut herunter, als wäre kein Fleisch mehr darunter, sondern Gelee. Das Gesicht erkannte er nicht, fragte sich aber dennoch, ob er es schon einmal gesehen hatte, ob er sie kannte. Sie rief ihn, sagte etwas zu ihm, das sich wie ›Korm!‹ anhörte. Er wusste, dass es ›Komm!‹ heißen sollte, aber das brauchte man ihm nicht zu sagen. Er ging die ganze Zeit, er tat kaum etwas anderes. Da blieb es nicht aus, dass er irgendwo hinkam.
WeiterlesenEr kam über die pittoreske, aber unnütze Steinbrücke, die mit zinnenähnlichen und auskragenden Absätzen verziert war und die sich seit vielen Jahrzehnten nur noch über Gneisbrocken, Schiefer und Unkraut beugte. Sein angestrebtes Ziel war der Hof, der aus dem wolkigen Dickicht reckte, und der von seinem Standort aus gesehen ganz genauso verlassen wie alle anderen Höfe in dieser sinnlosen Zeit wirkte. Die abgestorbenen Brisen fanden keine intakte Höhlung mehr vor, die den windigen, feuchten und veränderlichen Tönen als Tanzplatz diente.
WeiterlesenSeit langem schon wollten wir das verfallene Haus in der Mühlgasse aufsuchen, und obwohl uns der Mut der Gruppe schon an manche unheimliche Orte gelenkt hatte, fehlte uns dazu bisher die Unerschrockenheit. Von der Straße aus konnten wir es im Herbst oder Winter durch die laubfreien Äste betrachten, immer aber schien es uns kein richtiges Haus zu sein, sondern eine Karkasse, an der noch Fleisch und Hautreste hingen.
Weiterlesen»Schau, wenn wir uns hier hinstellen, können wir den Zügen nachsehen!« Er träumt mit offenen Augen, erwartet kaum das sehnsüchtige Verlangen nach der Ferne, das reisende Objekte in ihm auslösen.
»Ich dürfte überhaupt nicht hier sein mit dir!« Sie spielt mit dem Zeigefinger in ihren Locken, ringelt sie auf, sieht verlegen drein, betrachtet ihre Schuhe, betrachtet seine Schuhe, seine Knie.
WeiterlesenAufgesprungener Boden, Gesichter einer alten Erde, worüber sich Gleise erstrecken, die schon lange nicht mehr befahren werden von tonnenschweren Lebewesen, die man einst Dampflok oder Waggon nannte. Letztere die besitzlosen Sklaven, Gewichte schleppend, ohne Ziel, ohne eigene Interessen.
WeiterlesenKam dann an einer stillen Ecke an,
gesäumt von Kleidungsstücken,
Wollgarn schwarz, die um eine
brennende Tonne hockten. Aus den
offenstehenden Fenster drang Rauch,
die Haustüren ausgehängt, die Straße
leblos, mit Ruß beschmiert.
Wir verbrennen, was wir finden, wir
wärmen, was wir wärmen können. Die Nächte
sind kühl, aber dunkel. Nicht auszudenken,
wenn uns die Sonne schiene, besser ist es,
jeder schläft. Pfützenschnaps
erklärt dir alles Weitere. Die Spindel
in den Brunnen dort, dann bekommst du
deine Freiheit.
Aus den offenstehenden Fenstern
drang jetzt lauter Atem, die Haustüren
erwiesen sich als flachgewalzte R,
die Straße leblos, mit Rost geschmückt.
Die Spindel in den Brunnen dort, dann bekommst du
deine Kleider, du selbst musst dann entkernen dich,
den Körper unter Kannibalen teilen.
Die Augenbirnen in den Nussschalen,
in regengebadeten Prismen, also ein künstliches Land.
Ohne mich zu kennen, bin ich gerannt
und schüttelte Hände im Sturm Alabasters,
die Sagen vergessen, das Land unbekannt.
So stehen die Ritter bei Grabe
und schmettern Gewölk vom Gesicht in die Tiefe –
in die Höhlen der Mesmerei; dort hatten sie
einst Schafe erschaffen, mit Wolle,
durch silberne Lettern
und Angst an der Wand, stets in Blei.
Es scheint mir alles zu sein und ich weiß nicht:
es scheint eine Art Stille zu sein, die uns
in ein Vakuum fließen lässt
und ich weiß nicht:
es scheint eine Art Verzweiflung zu sein,
die uns einander näher bringt.
Sie erhob sich von ihrem Stuhl, als sie mich
aus dem Wandschrank kommen sah.
Außer Königen, Dichtern und Druiden erhebt sich jeder,
wenn er etwas für einen ehrlichen Gruß übrig hat.
Es war nicht leicht zu erklären, wie ich
dort hineingeraten war. Ihre starren Augen
nahmen die Rundungen eines Opfers an,
das sich nicht kampflos ergeben wollte.
»Wegen dir bin ich doch gekommen!«, sprach ich an ihr vorbei,
weil sich dort noch ein Platz für Worte fand, blieb aber ganz
der berechnende Geminus, ein kleiner Janus über den Türen.
In ihr Ohr hinein sagte ich Dinge, die sie hören wollte,
bis ihre feingeschwungene Muschel,
viel zu zart für ihren großen Kopf, überlief.
In der geheimen Höhle des Herzens
sitzen zwei an dem Brunnen des Lebens;
das abgetrennte Ich trinkt Süßes und Bitteres,
es mag das Süße und es mag nicht das Bittere.
Währenddessen trinkt das höchste Selbst Süßes und Bitteres.
Es mag noch mag nicht das eine oder andere;
das Ich tappt im Dunklen herum,
während das Selbst im Licht lebt.
In alten Sprachen sind Wind und Hauch
Böen aus Splitter, fragile Kommunikation.
»Du?«
»Ja. Ich bin es wirklich.«
Ich durfte sie Schranktüre schließen,
ohne dass die Gefahr bestanden hätte, dass sie davonlief.
Fraktale Welt, Frakturen des Erlebens;
hingestreckt erwachen ihre Finger.
Siziliumhände, Schwefelhauch,
Eisenknochen, Aluminiumhaar.
Von Vogelbanden begleitet
werde ich der Gottesanbeterin anheimfallen.
Höre, draußen geht ein Sturm; den rufen wir:
Los, Donnerhand! Den knechten wir mit Eisenband,
und führn ihn an der Lorelei vorbei
und lachen über dieses sich kämmende Monster.
Aus den Bechern rieselt Wort um Wort,
ein Regen ist geworden; und all das
fasst nicht an, womit das Herz bewohnt sein will.
An kalten Tagen spickt man aus der Nische
und wundert sich, wieʼs draußen geht. Doch hier
im Stübchen glüht der Herd,
bereitet warmen Mündern Speisen.
Wir segeln durch die Endlosigkeit der Himmel,
Sternenaugen, schwarz die Nacht;
sie seufzt den silbernen Baum-Mond an,
er fällt herab in Tränen, Licht der Nacht –
die Erde ein violetter Brand im Saphirdunst des Orbits,
während darunter Bäume in einer kühlen Brise baden.
Wir passieren das Karmesinauge des großen Gottes Mars.
Ich habe heute Nacht eine Muschel gefunden, in der Gespräche aufgezeichnet wurden, die man vor 17 Millionen Jahren in einer Höhle führte, und festgestellt, dass dies nicht nur sehr verblüffend ist, sondern dass alle Kommunikation auf Poesie beruht.
Den Weg weiter runter legt sich zur rechten Seite
eine Umfriedung in die Landschaft, in der sich
ein öffentliches Bad befindet, eine Installation.
Die Mädchen hüpfen nach dem Volleyball
und Pärchen beugen sich übereinander da am Zaun.
Die Menschen, die aus dem Wasser stammen:
dort steckt die Erinnerung, dort visionierte ich.
Sehr guter Zusatz. Bereichert das ganze enorm. Danke!
Ergänzung: Keith Richards spielte in Fluch der Karibik Teil 3 und 4 mit. Er übernahm die Rolle des Kapitän Teague,…
Die Swamp-Helden wirken auf mich etwas weit hergeholt. Um tiefgründige Wahrheiten über die menschliche Natur zu vermitteln, hätte ich eher…
Oh,dem stimme ich völlig zu! Danke für den Kommentar!
Vielen Dank. Ich denke, dass Mangas, Comic- und Mangamessen und Filme ebenfalls einen großen Einfluss auf die Verbreitung von Comics…