War bereits Laura Purcells Die stillen Gefährten ein herausragendes Debüt im Sektor der neuen Welle der Schauerliteratur, ist ihr Buch von 2018, das uns jetzt mit einiger Verspätung erreicht, nicht weniger bemerkenswert, was im Grunde zu erwarten war. Gegenwärtig gibt es – neben historischen Romanen – bereits zwei weitere Gothic Novels von ihr, und man kann nur hoffen, dass der Festa-Verlag an dieser Autorin dran bleibt. Es wäre gar nicht auszudenken, wenn wir hier wie so oft nur Publikum zweiter Klasse wären.
WeiterlesenMonat: März 2025 (Seite 4 von 5)

Die Macht des Ortes in gotischen Settings
Man mag sich fragen, was das Geheimnisvolle an einer gotischen Umgebung ausmacht. Es ist das Zusammenspiel von Licht und Schatten, das Flüstern des Unbekannten und die uralte Anziehungskraft von Gebäuden, die den Lauf der Zeit erlebt haben und in denen jeder Stein ein Geheimnis birgt. Die sich abzeichnenden Strukturen, das ferne Heulen und die nebelverhangene Luft schaffen eine Umgebung voller Spannung, und es ist diese Vorahnung, die den Betrachter anzieht und ihn nach mehr verlangen lässt, nach der Entschlüsselung der verborgenen Schichten.


Laura Purcell ist eine neue Stimme unter den jungen Autorinnen, die sich gerade daran machen, der Gothic Novel wieder neuen Atem einzuhauchen. Man erfährt von dem gegenwärtige Geschehen im Augenblick noch nicht allzu viel, vielleicht gerade deshalb, weil sich die einschlägigen Medien der Sache noch gar nicht angenommen haben und es gibt auch noch keinen spezifischen Verlag, der einen Vorstoß wagt und die New Wave of Gothic Novel ausruft. Alles scheint noch etwas vage beäugt zu werden, aber nach und nach tauchen immer mehr Töchter Jane Austens auf, eine davon jüngst im Festa-Verlag.
Laura Purcell ist eine dieser Anhängerinnen Jane Austens. Dazu muss allerdings gesagt werden, dass es jene gibt, die Jane Austen nur von den höflichen Komödienadaptionen im TV kennen, dadurch aber gerne ausblenden, dass es durchaus eine Seite an Austen gibt, die der Gothic Novel zugerechnet werden kann. Da scheint es fast schon selbstverständlich, dass moderne Autorinnen, die eine düstere Thematik bedienen, hier neben Daphne du Maurier ihren Markstein finden. Namentlich: Northhanger Abbey, das exemplarisch für die schiere Brandbreite der Schauerliteratur steht. Sie kann eine Satire mit Happy End sein, ein Abenteuer, das der Weird Fiction nahe steht, oder einfach nur Horror.
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Für Autorinnen ist es heute ein Leichtes, einen großen Mixer auf den Tisch zu stellen, die längst geschriebenen Tropen hineinzuwerfen und das, was dabei herauskommt, einem Verlag anzubieten. Vorbei sind die Zeiten, in denen man nicht so einfach alles unter das Lesevieh werfen konnte. Ein Buch jagt das andere, das ist alles. Aber die moderne Gothic Novel leistet hervorragende Arbeit an der Spitze, auch wenn vieles nicht übersetzt wird. Rebecca Netleys Debüt wäre allerdings keines gewesen, das ich zur Übersetzung empfohlen hätte. Natürlich war ich gespannt, in welche Richtung das Buch gehen würde, nur um schon nach den ersten Seiten festzustellen, dass daraus leider nichts werden würde. Offensichtlich wurde hier das interessante Potential ignoriert und ein möglichst breiter Weg beschritten, sozusagen ein Volkswandertag der Schauerliteratur angestrebt. Damit wir uns nicht falsch verstehen: die Gothic Novel lebt wie die Weird Fiction, der Detektivroman etc. von ihren Tropen, und in den Händen eines fähigen Autors wird das meistens auch eine interessante Reise. Aber Rebecca Netley schreibt ihre Geschichte unglaublich hölzern und ohne jede Tiefe.
WeiterlesenAls ich 15 Jahre alt war, lange bevor man in Hay-on-Wye über eine Buchmesse nachdachte, durchstreifte ich die Antiquariate der Stadt auf der Suche nach Erstausgaben meines neuen Helden Mervyn Peak. Ich war froh, dass Richard Booth (der Organisator der Buchmesse in Hay) mir dabei half. Aber auch er erklärte mir traurig, dass er kein einziges seiner Bücher vorrätig habe, weil es – und das ist eine Tatsache – nicht die richtige Zeit für Peak sei. Das Problem ist, dass es eigentlich nie eine Peake-Zeit gab.
WeiterlesenGeschrieben von Jeremy Szal
“Komm schon!” Benns Stimme dröhnt in meinem Helm und es hört sich an, als befände er sich direkt neben mir, obwohl ich zwanzig Meter hinter ihm liege. Ich war noch nie gut im Laufen. Jetzt, bei niedriger Schwerkraft, bin ich noch schlechter. Regelrecht lahm.
Normalerweise würde ich ihm sagen, er soll die Klappe halten und sich gefälligst meinem Tempo anpassen. Wie jeden Abend werden wir den Sonnenuntergang von Dzilt erleben, der sich in einem sanften Blau vom silbernen Horizont des Planeten abhebt. Aber da ich weiß, was ich weiß, lege ich einen Zahn zu. Der große Kerl grinst hinter seinem Visierhelm, als ich den Hügel erreiche, atemlos und verschwitzt in meinem hautengen Anzug. Meine Brust hebt sich. “Du hast gewonnen”, schnaufe ich.
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Es ist nur eine kleine Geschichte in einem großen Buch. „Nichts Besonderes“, könnte man meinen, und gleich zur nächsten weiterziehen. Doch es lohnt sich, hier kurz innezuhalten und genauer hinzusehen. Robert Arthur war ein Schriftsteller, dessen Werke viele gelesen haben, ohne seinen Namen zu kennen. Während seiner Lebenszeit blieb das volle Ausmaß seiner Karriere weitgehend unsichtbar – insbesondere in Deutschland. Dort gab es lange Zeit nur einen schmalen Erzählband: Die Geister, die ich rief, der 1970 im Boje-Verlag erschien und 2024 von Kosmos neu aufgelegt wurde. Erst im März 2025 folgt ein zweiter Band – wohl ein Zeichen dafür, dass die moderne Literatur zunehmend an Reiz verliert und Leser sich mehr und mehr als Schatzgräber vergangener Meisterwerke versuchen.
Viele jugendliche Leser meiner Generation wussten nicht, dass Arthur der ursprüngliche Autor der drei ??? war, bevor er 1969 allzu früh verstarb und das Feld anderen überlassen musste. Die ersten Bände erschienen unter dem Namen eines gewissen Alfred Hitchcock – wohl der Hauptgrund, warum seine Bücher vor allem unter dieser Marke bekannt wurden. Einerseits garantierte das den Erfolg, andererseits überschattete es Arthurs eigenes Vermächtnis. Dabei war er ein äußerst produktiver Schriftsteller: Bevor er in seinem letzten Lebensjahrzehnt mit Hitchcock zusammenarbeitete, verfasste er Hunderte von Kurzgeschichten. Ihre Kooperation begann mit seiner Arbeit an Alfred Hitchcock Presents und der Adaption seiner Geschichte The Jokester für diese Sendung im Jahr 1958. Ursprünglich erschien The Jokester bereits in der März-Ausgabe 1952 des The Mysterious Traveler Magazine – mit Elementen, die an Glauben Sie an Gespenster erinnern, eine Geschichte, die über ein Jahrzehnt zuvor, im Juli 1941, in Weird Tales veröffentlicht worden war.
Darin sitzt der Protagonist Nick Deene mit Handschellen an ein altes Messingbett gefesselt – in der verlassenen Carriday-Villa, bewaffnet nur mit einer Taschenlampe, einer Bibel und einem Kruzifix. Er wartet auf die Ankunft des „Dings mit dem Gesicht einer Auster“ – einer amorphen, im Sumpf lebenden Abscheulichkeit, die seit über einem Jahrhundert den Carriday-Fluch ausübt. Doch die Wahrheit ist eine andere: Nick Deene hat sowohl das Monster als auch den Fluch selbst erfunden, was zu einigen Spannungen mit seinem technischen Assistenten, Fan Danny Lomax, führt. Fünf Millionen Zuhörer im ganzen Land lauschen ihm an den Radiogeräten.
Die Geschichte beginnt mit dem Haus selbst, das sowohl Schauplatz als auch ein eigener Charakter ist. Sie verortet das Carriday Mansion zwanzig Meilen nördlich von Hartford, von wo aus das Radiosignal nach New York übertragen wird. Damit könnte die Handlung irgendwo an der Grenze zwischen Connecticut und Massachusetts angesiedelt sein – möglicherweise sogar in Massachusetts, nicht weit entfernt von jenen seltsamen Orten, wie H.P. Lovecrafts Dunwich. Die Atmosphäre – dieses makabre Brot und Butter des Unheimlichen – trägt die Geschichte oft besser als jede Handlung.
Doch Glauben Sie an Gespenster bietet beides: Atmosphäre und eine ausgefeilte Erzählstruktur. Arthur lässt Nick Deene selbst den Schauplatz für die Leser definieren, bevor er die Geschichte erst zu einem falschen Höhepunkt, dann zu einem weiteren, endgültigen führt.
Im Zentrum steht die Idee der Massenhypnose, die Macht der Suggestion und die Fähigkeit des Denkens, Realität zu beeinflussen – Konzepte, die bereits 1941 keineswegs neu waren. Schon 1904 wurde ein ähnlicher Gedanke in J.M. Barries Bühnenstück Peter Pan sichtbar: Dort fordert Peter das Publikum auf, in die Hände zu klatschen, wenn es an Feen glaubt – eine spielerische, aber eindrucksvolle Demonstration kollektiver Gedankenmacht. Peter Pan besitzt zudem eine bemerkenswerte Fähigkeit: Er kann Dinge aus dem Nichts erfinden.
Die Ursprünge dieser Ideen über den Einfluss des Glaubens auf die Realität reichen weit zurück, und auch heute beschäftigen sich Forschungen erneut damit. Doch Glauben Sie an Gespenster ist nicht bloß eine Geschichte über diese Konzepte – sie ist auch eine meisterhafte Erzählung mit effektiver Atmosphäre und einem eindrucksvollen Monster. In der heutigen Weird Fiction sind solche Kreaturen längst Klischee, doch 1941 war dieses Motiv noch relativ frisch. Manche vermuten, dass H. R. Wakefields Geschichte Ghost Hunt Arthur beeinflusst hat.
Allerdings gibt es eine zeitliche Unstimmigkeit: Während die Internet Science Fiction Database Wakefields Geschichte auf 1948 datiert – sieben Jahre nach Glauben Sie an Gespenster –, nennen andere Quellen 1938 als Veröffentlichungsjahr. Falls Letzteres stimmt, war die Weird Tales-Ausgabe ein Nachdruck.
Unabhängig von der genauen Beziehung zwischen beiden Geschichten verfolgt Ghost Hunt ein anderes zentrales Motiv: das „böse Haus“ oder „böse Zimmer“, das seinen Bewohner in den Wahnsinn treibt. Dieses Motiv taucht in vielen Spukgeschichten auf – von Wakefields The Red Lodge über Shirley Jacksons Spuk in Hill House (1959) bis hin zu Stephen Kings Shining und seiner Kurzgeschichte 1408, das ebenfalls in der von Frank Festa herausgegebenen Anthologie Das Buch der Geister & Spukhäuser enthalten ist.
Interessanterweise – und vielleicht nicht zufällig – ist der Protagonist von 1408, der Schriftsteller Mike Enslin, eine verblüffende Parallele zu Nick Deene.


Heute ist mir die Maus kein Faktor mehr, aber als ich neun Jahre alt war, lag mir Micky Maus mehr als die Ducks. Das lag vor allem an der Geschichte “Micky Maus und die Irokesenkette” von Romano Scarpa aus dem LTB Nr. 9, 1960 veröffentlicht, die ja tatsächlich auch unter Kennern als eine der besten Maus-Geschichten überhaupt gilt. Man wusste damals nicht viel über die Zeichner und Autoren, aber jeder, den ich kannte, der las das Lustige Taschenbuch. Wir fragten uns gar nicht, wer das alles zeichnete. Für uns war es so klar, dass es das gab, wie es eben auch Brot, Kartoffeln und Milch gab. Und es lag überall herum, soweit ich mich erinnern kann. Ich hatte den großen Vorteil, dass mein Großvater – zwar ein bekennender Asterix-Fan – so ziemlich jedes Micky-Maus-Heft im Keller in einer Truhe liegen hatte, von den Lustigen Taschenbüchern aber nur die Ducks.
Für “Krimis” war er nicht zu haben. Natürlich war es Zufall, dass ich ausgerechnet diesen Band als ersten in die Hände bekam, als wir zum Bahnhofsbuchhändler fuhren (damals noch ein Mysterium, eine ganz und gar andere Welt), damit ich mein Erspartes auf den Kopf hauen konnte. Donalds Geldsorgen waren mir egal, mich interessierte das Geheimnis. Im Laufe der Zeit merkte ich jedoch, dass die “Irokesenkette” etwas Besonderes war, denn kaum eine andere Geschichte konnte da mithalten.
Das lag auch an Atömchen, vor allem aber an der Passage, in der Tante Linda davon erzählt, wie Micky als Baby vom noch juvenilen Kater Karlo und seiner Freundin Trudi entführt worden ist. Diese Erinnerungssequenz ist doch ziemlich unheimlich, zumindest erschien mir das damals so. Seitdem habe ich den Band natürlich oft wieder aus dem Schrank genommen. Jeder kennt das Gefühl der Nostalgie, das solchen Dingen anhaftet. Die anderen Geschichten sind deutlich schwächer, aber nicht so schwach, dass man sie vergessen müsste. Gamma taucht schließlich in einer weiteren Geschichte ebenfalls auf – nicht minder eine faszinierende Figur wie das schon erwähnte Atömchen.

Im Laufe der Jahre vergaß ich die Taschenbücher erst einmal, durchlief also die unausweichliche Phase, die jeden ereilt, der Disney-Comics sammelt. Das muss sich immer erst festsetzen und bewähren. Bei den echten Liebhabern kehrt die Leidenschaft früher oder später wieder zurück, meist sogar heftiger als zu Zeiten der “ersten Liebe”. Und das LTB hat seinen wichtigen Stellenwert für viele Generationen behauptet. Ich sehe nicht, warum sich das ändern sollte.
Geschrieben für F.I.E.S.E.L.S.C.H.W.E.I.F Kultbände

Manchmal stellte sie das Radio an. Es kam ihr dann so vor, als wäre jemand bei ihr im Raum und spräche sie an. Antworten müsste sie ja nicht, aber sie tat es trotzdem. Oft sagte sie: »Ihnen auch!« Oder: »Das haben Sie wieder einmal fein ausgedrückt!« Sie ging in der ganzen Wohnung umher und betrachtete die Wände, die Figuren auf manchen Regalen, die Teller in der Vitrine. Manchmal gab es im Radio ein Lied, das sie kannte. Das akustische Fenster, das sie davon überzeugte, dass es eine Welt außerhalb ihrer Küche gab. Lange war sie nicht mehr raus gekommen, woher sollte sie also wissen, ob die Straße vor ihrer Haustür überhaupt noch existierte? Vielleicht war da schon längst eine Autobahn entstanden. Sie hätte televisionieren können, damit kannte sie sich allerdings nicht besonders gut aus; sie wusste nicht, wie man zuschaut, und deshalb gab es für sie nie ein Bild, dem sie hätte folgen können.
Das Radio war die Lebendigkeit in Person, darin war die ganze Welt vertreten, sogar das ›Weiße Rauschen‹, das sie sich manchmal ebenfalls einstellte. Und heute – heute wollte sie wieder einmal ausgehen. Dafür hatte sie ihr einziges bestes Kleid im Bügelofen bügeln lassen. Manchmal aber wollte sie Stille. Es kam ihr dann so vor, als sei sie die letzte Überlebende eines großen Irrtums. Dann sagte sie in die Stille hinein: »Ich habe es schließlich gewusst!« Oder: »Es ist schon merkwürdig!« In der Stille hörte sie den Boden an manchen Stellen knarzen. Ab und zu, wenn ihr danach war, küsste sie eine der Wände, anstatt sie nur anzusehen, die Figuren in manchen Regalen. Jetzt aber nahm sie ihr Kleid, zog es an – und auch ihre einzigen besten Schuhe vergaß sie nicht, bevor sie sich ins Bett legte. Im Radio lief ein altes Lied.

Es ist schwierig für die neue Autorin, die in ein etabliertes Werk einsteigen und alles erkennbar beibehalten muss, während sie gleichzeitig Änderungen vornehmen will, die ihre eigene Sicht der Dinge zu rechtfertigen versucht. Das gleiche Problem stellt sich jedes Mal auch bei James Bond, wenn der Staffelstab weitergegeben wird. Mary Virginia Carey, die vierte Autorin im Bunde, muss sich etablieren, nachdem die drei Detektive bereits 14 Bücher auf dem Buckel haben.
Der grundlegende Kanon der Serie um Justus Jonas, Pete Shaw und Bob Andrews ist natürlich unantastbar, aber abgesehen von einem Ort – dem Jonas-Schrottplatz, der von Justs Vormündern Onkel Titus und Tante Mathilda in der kalifornischen Küstenstadt Rocky Beach betrieben wird – steht fast alles andere zur Disposition. So hat Rocky Beach nun einen schrulligen Künstler (“Nur einer von vielen«, versicherte ihr Justus. »Hier in Rocky Beach wimmelt es von solchen Exzentrikern.”). Der Potter, ein Keramikspezialist, ließ eines Tages alles stehen und liegen, als zwei Männer in der Stadt auftauchten, und verschwand spurlos. Das war genau in dem Moment, als eine Frau mit ihrem Sohn in der Stadt ankam, die behauptete, die nie erwähnte Tochter des Potter zu sein.

Das Rätsel entwickelt sich ziemlich erwartungsgemäß, aber Carey scheint zu wissen, dass die Jungs das schon eine ganze Weile machen… sogar so sehr, dass die Leute um sie herum langsam die Nase voll haben von ihrem Blödsinn:
„Hör mal, Justus, ich Weiß, daß du dich für das größte Detektivgenie seit Sherlock Holmes hältst, aber es wäre mir lieber, du stecktest nicht fortwährend deine Nase in Dinge, die dich nichts angehen. Außerdem habe ich ganz andere Probleme. Diese Mrs. Dobson scheint von mir zu erwarten, daß ich ihren verschwundenen Vater herbeizaubern kann – wenn er überhaupt ihr Vater ist – und zwar noch vor Einbruch der Dunkelheit, am besten sofort. Mit meiner großartigen Besetzung von acht Mann soll ich also losziehen und den ganzen Küstenbereich absuchen und einen Mann finden, der gar nicht gefunden werden will.“
Carey scheint auch zu wissen, in welche Gefahr sich die Jungen in den letzten sieben Jahren begeben haben, und steigert den Einsatz mit einer grenzwertigen Foltersequenz und einem Kampf der Jungen mit einem bewaffneten Mann. Das ist alles etwas erwachsener als der kindliche Ton des Vorgängerbuchs Der unheimliche Drache, wo – äh, Spoiler? – etwas, das absolut niemanden auf die Idee bringen würde, es sei ein Drache, es schaffte, die drei über eine beängstigend lange Zeit hinweg zu erschrecken. Hier wird auf solche kindischen Dinge verzichtet, was sogar so weit geht, dass die titelgebenden Fußabdrücke auf mysteriöse Weise im Haus des Töpfers auftauchen:
“Eines stand für Justus Jonas fest. Hier trieb kein Gespenst sein teuflisches Unwesen. Gespenstern traute der Erste Detektiv so etwas nicht zu.”
Der Ton ist hier also etwas erwachsener, bis hin zu der Diskussion über das alte rumänische Grafengeschlecht (hier gibt es Anklänge an Die silberne Spinne, mit seinem fiktiven ausländischen Königshaus) und die beiläufige Erwähnung der „Romanows in Russland“, die allerdings in der Übersetzung völlig verwaschen wurde.

Dass viele Leute ein Interesse am Verbleib des Potters haben, steht außer Zweifel, und man muss eigentlich nur darauf warten, dass die verschiedenen Identitäten ihr wahres Gesicht offenbaren. Ich wusste nicht, was ich von einer Figur halten sollte, die interessanter zu sein scheint, als sie eigentlich ist… Ich hatte erwartet, dass sie eine ganz andere Rolle in den Ereignissen spielen würde, als sie es schließlich tat. Es ist auch enttäuschend, dass die gleichnamigen Fußabdrücke – die in brennenden Spuren auf dem Boden erscheinen, wenn das Haus unbewohnt und unzugänglich erscheint – einfach unerklärt verpuffen. Da macht es sich die Autorin etwas zu einfach.

Dies ist tatsächlich ein seltsames Buch: scheinbar für ein älteres Publikum gedacht … aber dann doch für einen viel jüngeres gezeichnet, voller Gefahren, die sich eher grenzwertig anfühlen … und letztlich doch zahm in allen Details sind, so dass genug vage bleibt, um keine Widersprüche aufkommen zu lassen. Carey macht ihre Sache jedoch besser als Nick West mit seinem Debüt im vorigen Band – West sollte nur noch ein weiteres Buch in dieser Reihe schreiben, den nächsten Titel Der rasende Löwe (1971), während Carey sich aufmachte, noch weitere vierzehn Bücher beizutragen- und sie fühlt sich den Jungen durchaus genauso natürlich verbunden wie ihr Schöpfer Robert Arthur, mit einem Gefühl der Kameradschaft und der gegenseitigen Vertrautheit.
Er [Bob] drehte sich um und schaute aufs Meer hinaus. Die Sonne war schon hinter einer Nebelbank verschwunden, die bedrohlich am Horizont hingelagert war.
»Bis wir wieder hierherkommen, ist es dunkel.«
»Das macht doch nichts«, sagte Justus Jonas. »Bald geht der Mond auf.«
»Steht das im Kalender?« fragte Bob.
»Aber gewiß, Kollege.«
Das verheißt Gutes für die Zukunft. Ich schätze, ich hatte auf einen etwas spektakuläreren Auftakt gehofft, aber es lässt sich nicht leugnen, dass dies bereits eine klare Verbesserung gegenüber Der unheimliche Drache ist und dass die Dinge für die Jungs und ihre nächsten Fälle interessant werden könnten. Es gibt also Hoffnung!
Nachtrag: Es gibt einen Briefwechsel zwischen Carey und den Redakteuren von Random House über die Entstehung dieses Buches. Daraus geht tatsächlich hervor, dass es Absicht gewesen ist, die Substanz, mit der die Fußabdrücke gelegt wurden, nicht genannt wurde. Im ersten Entwurf scheint es allerdings so gewesen zu sein. Man wollte Kindern diesbezüglich keine Hinweise an die Hand geben. Zweitens hatten die Herausgeber Zweifel an Elementen der Handlung als auch an der Menge der Informationen, die im Schlusskapitel mit Alfred Hitchcock auftauchen. Im endgültigen Manuskript konnte Carey sich jedoch durchsetzen und das Kapitel erschien so, wie sie es wollte.


Ergänzung: Keith Richards spielte in Fluch der Karibik Teil 3 und 4 mit. Er übernahm die Rolle des Kapitän Teague,…
perfekt .... ich danke
In Marry Hottingers "Gespenster", erschienen im Diogenes-Verlag ist sie die erste Geschichte.
Gibt es die Geschichte auch in deutscher Übersetzung?