Geschrieben von A. Anders
Wir gehen von etwas aus.
Schaffen uns ab mit aller Kraft,
denn wir schaffen es nicht,
uns abzuschaffen.
Wir gehen uns nach.
Vergehen nach uns.
Wir nähern uns nicht.
Wir gehen.
Gehen gleichmäßig
nacheinander.
Possenspiele
albera anders stellt hier auszüge einiger ihrer poetischen arbeiten vor. um auch ihre bilder anzusehen (oder ihre essais zu lesen), empfiehlt es sich in die rubrik ALBERA ANDERS zu wechseln.
Geschrieben von A. Anders
Wir gehen von etwas aus.
Schaffen uns ab mit aller Kraft,
denn wir schaffen es nicht,
uns abzuschaffen.
Wir gehen uns nach.
Vergehen nach uns.
Wir nähern uns nicht.
Wir gehen.
Gehen gleichmäßig
nacheinander.
Geschrieben von A. Anders
Das war gestern, Helen, als sie die Kirche betraten. Kachektisch, bis zur Kanzel reichend waren sie, die sich inmitten der Messe von der Kuppel aus hernieder ließen, ohne dass sie Flügel gehabt hätten. Stattdessen wuchsen ihnen schmale blutsteinerne, sich zu den Enden hin tubisch aufweitende Röhren aus den Rücken, die in alle Himmelsrichtungen ausgerichtet waren. Ihre Augen, nichts als tiefschwarze Brunnen, in denen man, sah man genauer hin und kniff die eigenen zusammen, Sterne zittern sah. Ihre Köpfe waren von enormer Größe und erinnerten an die von Feten. Sie glichen einer dem anderen. Nur in ihren Häuten unterschieden sie sich, die zunächst von blässlich flimmernden Filamenten überzogen waren, als schwömmen sie in einer Art liquidem Äther, der sie umgab. Jedoch hoben die Filamente sich, sobald man sie, die nun unter uns waren, näher ansah. Es kamen weiche, opak schimmernde Hautflächen zum Vorschein. Sie waren tief und wie offene Fenster zum Himmel, in denen ein jeder wohl sah, was er sah. Denn jeder, obgleich es Mann, Frau oder Kind war, beschrieb etwas anderes, als man sich, als sie wieder fort waren, aufgeregt unterhielt. Kein einziges Wort hatten sie gesprochen, nur zu uns herabgesehen. Dann verließen sie die Kirche, duckten sich einer nach dem anderen unter dem großen Torbogen hindurch und traten hinaus. Fast erwarteten wir, dass sie in der Morgenhelle, die hier und da bereits zwischen den Wolken durchbrach, zu Staub zerfallen müssten. Doch das taten sie nicht. Sie stellten sich gleichmäßig verteilt auf dem Kirchenvorplatz wie ein Heer nach Osten hin auf. Sie verharrten. Manche von uns liefen, all ihren Mut zusammennehmend, unter sie, und erschraken sehr, als sie dort, wo eigentlich hätten Münder sitzen müssen, zuvor jedoch nichts war, weit klaffende Wunden erblickten, mit denen sie die Wolken am Himmel aufzehrten, bis nichts mehr war außer Licht, Helen. Das war gestern.
Wie ich dann doch einmal komplett verzweifelte, war eine Geschichte, die ich mir selbst erzählt hatte. Vor langer Zeit. Näher gebracht hatte ich sie dir. So nahe, dass du eigentlich durch sie hindurchschauen konntest. Denn noch näher wäre nicht möglich gewesen. Unmöglich gar. Aber das Wunderbare am Unmöglichen ist ja, dass wir es wieder und wieder versuchen. Manchmal auch mit einer gewissen Hybris, egal ob beide Beine mitmachen oder nicht. Ob du einfach einen Fuß vor den anderen setzen kannst oder nicht. Bis es wieder in Ordnung ist und du über Schrittabfolgen nicht mehr nachdenken musst. So, wie zuvor.
H y b r i s. Allein das Wort legte sich manchmal wie ein Kranz um ihren Kopf. Als wär’s ihr Haar. Dann ist es, als wolle sie nackt, nur mit einem Rock bekleidet, diese Nordwand erklimmen. Und sie tat es. Während Aiga, die felsige Trollin, herzlich darüber lachte. Ihr Handy trug sie dabei in ihrer Rocktasche, um ihre Mutter sprechen zu können, sollte es möglich sein. Ihr zu sagen, dass sie, immer wenn sie mit ihr telefonierte, wenn diese in den Bergen weilte, jedes Mal empfand, sie höre einem Mädchen zu, das noch ganz leicht seine Träume träumt.
Oftmals, nach einem solchen Gespräch, stellte sie sich vor, dass sie irgendwann einmal ein Säugling war, den diese junge Frau gestillt hatte. Und so muss es ja auch gewesen sein. Nur kam ihr dieser Gedanke dermaßen seltsam vor. Sie. Ein Säugling? Denn tatsächlich war ihr jene hellklingende Stimme, die sie soeben auf der anderen Seite der Leitung gehört hatte, fern, irgendwo inmitten der Berge, derart real, dass es sie selbst – in diesem Moment – doch gar nicht geben dürfte. Eine Tatsache über die sie lächeln musste.
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Sehr guter Zusatz. Bereichert das ganze enorm. Danke!