Kult!

Monat: Januar 2025 (Seite 3 von 3)

Stubenfragment

Also kam Cornelius heruntergetreppt, um nach dem Zeter und Mordio in seiner Schlafkammer zu sehen. Als er aber die Türe wie immer mit der Schulter aus dem Schloß hebelte (Rost schwebte, ebenfalls wie immer, zu Dielen), sah er gleich, daß er einen Gast hatte, der Geschmack an seinen Keksen gefunden. Da saß ein Kerl auf dem Rande seines Bettes und krümelte sein Traumfahrzeug voll, ganz unbewußt des heiklen Kommens dessen, dem das ganze gehören wollte, und, natürlich auch gehörte.

»Wer um alles in der Welt seid Ihr?«, staunte Cornelius in den Raum. Da fielen dem Eindringling die letzten Krümel aus den Klauen, und, ganz gespielte Scheu, blickten die unterlaufenen Augen pupillenlos auf.

»Oh, nun. Ich bin der Deifl, sieht man das denn nicht?«

»Um ehrlich zu sein… das sieht man nicht ganz. Dabei ist es noch gar nicht Mittnacht, und Meister Vollpferd…«

»Ja, eben der schickt mich. Schnell soll ich eilen, sagte er, um die vergifteten Kekse nicht ihre Wirkung tun zu lassen, sie daher selbst verspeisen. Hätte er es lieber von ihm selbst gehört, dann hab᾽ ich᾿s verpasst, weil ich stet und spät den rossigen Weibsen nach der Falte trachte, herrliches Sapperment!«

»Ja und die Kekse?«

»Sind von einem Ungönner, Bulwer heißt der Mann.«

I arrived and it was dark

German

I arrived and it was dark,
everything was shrouded in lifeless shadows and
the windows were closed; It was
as if no one had ever lived here, and
and when I wasn’t here, nobody lived here either,
but this time they weren’t prepared,
they hadn’t opened the windows, the
curtains hadn’t been drawn back, the
cake hadn’t been baked, the letters
hadn’t been taken out of the letterbox, they hadn’t been
back from nowhere in time
to set my stage for me.

What was missing was that which was not part of my life,
where we took different turns at the crossroads.
I was now confronted with this silent sight,
and walked down the steps to the garden. I
unhooked a window and slipped into the room, I
had to carry the reminder for the first time,
and I quickly put it in my pocket,
to take a good look at it in another place.

Ich kam an und es war dunkel

Ich kam an und es war dunkel, alles war in leblose Schatten gehüllt und die Fenster waren geschlossen; es war, als ob hier nie jemand gelebt hätte, und wenn ich nicht da war, lebte hier auch niemand, aber diesmal war man nicht vorbereitet, man hatte die Fenster nicht geöffnet, die Gardinen nicht zurückgeschlagen, den Kuchen nicht gebacken, die Post nicht aus dem Briefkasten geholt, man war nicht rechtzeitig zurück aus dem Nirgendwo, um mir meine Kulisse zu stellen.

Es fehlte das, was nicht mein Leben war, wo wir an der Kreuzung unterschiedlich abbogen. Ich war jetzt mit diesem stillen Anblick konfrontiert, und ging die Stufen zum Garten hinunter, ich hakte ein Fenster aus und schlüpfte in den Raum, ich musste zum ersten Mal die Erinnerung tragen, und ich steckte sie schnell in meine Tasche, um sie an einem anderen Ort ausgiebig zu betrachten.

Der Böse Blick

Der “Böse Blick” ist eines der ältesten und universellsten Phänomene des Glaubens in der Geschichte der Menschheit. Es durchzieht verschiedene Kulturen, Religionen und Gesellschaften und bleibt selbstverständlich auch in der modernen Welt ein Thema von Interesse.

Ursprung und Grundidee

Die Vorstellung eines “bösen Blicks” findet sich in antiken Zivilisationen wie Mesopotamien, Ägypten, Griechenland und Rom. Der Kern dieses Glaubens besteht darin, dass ein neidischer oder böswilliger Blick Unheil verursachen kann. Solche Blicke werden als eine Art Energie oder Kraft interpretiert, die Menschen, Tiere oder sogar Gegenstände schädigen kann. Neid oder negative Absichten hinter einem solchen Blick gelten als Auslöser für Krankheiten, Unglück oder Leid.

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Die drei ??? und das Bergmonster / M. V. Carey

Nach einer plötzlichen Entscheidung von Tante Mathilda und Onkel Titus, den Schrottplatz für zwei Wochen zu schließen und Urlaub zu machen, nehmen die Jungs das Angebot an, bei Patrick und Kenneth im Haus ihrer Cousine Kathleen in Sky Village, Sierra Nevada, zu wohnen. Schließlich haben die Brüder sie eine ziemlich lange Zeit nicht mehr gesehen. Sie betreibt dort ein Gasthaus und ist sehr erfolgreich. Als sie ankommen, stellen sie überrascht fest, dass sie frisch verheiratet ist, obwohl sie in ihren Briefen diesbezüglich nie etwas verlauten hat lassen. Kathleen scheint sich überhaupt sehr verändert zu haben, etwa will sie kein Gälisch mit den Brüdern sprechen, weil ihr Mann das nicht versteht.

In der ersten Nacht dringt ein Bär in den Garten ein, aber ein anderer Gast, der Naturfotograf Mr. Jensen, wird von etwas in den Nacken geschlagen, von dem er überzeugt ist, dass es kein zweiter Bär war. Der Verdacht fällt auf den Naturforscher Mr. Smithers, ein anderer Gast, der glaubt, mit Tieren kommunizieren zu können. Kathleens Mann Joe Hammond bittet Patrick und Kenneth, ihm beim Bau eines merkwürdigen Swimmingpools zu helfen, bei dem der Verdacht aufkommt, dass es in Wirklichkeit gar kein Swimmingpool werden soll. Heimlich zieht er jeden Tag los zu einer Bergwiese und nimmt sein Betäubungsgewehr mit. Schon bald merkt Justus, dass im Gasthof etwas nicht stimmt.

Bob stürzt in einen Erdbebenspalt, kurz nachdem er das Monster gesehen hat. Von Jack Hearne

Das hier ist Careys dritter Beitrag zur Reihe und insgesamt haben wir den zwanzigsten Band vorliegen. Man kann also bereits ein weiteres Fazit ziehen, nachdem Robert Arthur mit den ersten zehn Büchern die Grundlage und das Setting der drei Fragezeichen gefestigt hatte und dann William Arden, Nick West und M. V. Carey versuchten, darauf aufzubauen, wobei eben Arden und Carey den Löwenanteil dazu beitrugen – und auch weiterhin beitragen werden. Carey hatte mit Die flammende Spur einen durchwachsenen Einstand, dann aber mit Die singende Schlange einen wirklich großartigen Teil verfasst. Das Bergmonster hat ein recht gutes Tempo. Das Dorf Sky Valley ist nett umgesetzt (Rocky Beach taucht hier überhaupt nicht auf), wobei die hochgelegene Wiese und die Wälder besonders stimmungsvoll sind, und die Geschichte ist mit einer bunten Schar von Charakteren bevölkert, vor allem Charlie Richardson, der die örtliche Tankstelle betreibt und dem nichts entgeht. Es gibt auch eine kurze Rolle für Bobs Vater, der die Detektive per Telefon mit wichtigen Informationen versorgt.

Die Geschichte hat zwei Stränge, und das Haupträtsel – warum ist Cousine Kathleen ganz anders als früher – wird gut gehandhabt, obwohl es dann darunter leidet, sich auf eine zufällige Auflösung zu stützen. Man hätte sich hier mehr detektivische Arbeit gewünscht.

Das zweite Rätsel, das Bergmonster (von dem Charlie ihnen ursprünglich erzählt), wird geschickt eingesetzt, indem es im Verborgenen bleibt und nur hier und da Fußspuren hinterlässt oder Nackenschläge austeilt.

“Als ich ein Junge war”, sagte er [Charlie], “erzählten die Großen immer, auf dem Berg gäbe es Riesen und Menschenfresser, die in Höhlen wohnen und kleine Kinder auffressen, die nicht nach Hause gehen, wenn es dunkel wird.”

Man kann ein Monster auf verschiedene Weise in eine Geschichte einbauen. Einmal natürlich, in dem das Monster die Hauptattraktion oder die Gafahrenquelle der Geschichte darstellt, zweitens, indem jemand vorgibt, ein Monster zu sein und sich dementsprechend verkleidet. Wir hatten ähnliche Varianten bereits in den früheren Büchern übder die drei Detektive zu sehen bekommen, denken wir an Der grüne Geist, Das Gespensterschlos, Die Geisterinsel usw. M. V. Carey geht hier erstmals einen ganz anderen Weg. Das titelgebende Bergmonster nämlich ist weder eine wirkliche Gefahr, noch eine Illusion. Es ist schlicht und einfach echt.

Flucht

Bis auf eine Schlüsselszene am Ende bekommen wir nur Gerüchte mit, allerdings kann Bob einen kurzen Blick auf das Monster erhaschen:

“Ich hörte etwas hinter mir, und etwas faßte mich an, und ich drehte mich um – und dann sah ich Augen… wirklich sonderbare Augen. Das Biest hauchte mir regelrecht seinen Atem ins Gesicht. Ich schrie los, und das Ding auch, glaube ich. Dann stürzte ich ab.”

Carey lässt im obligatorischen Abspann mit Alfred Hitchcock Bob noch einmal etwas dazu sagen. Nämlich dass in der Kaskadenkette schon seit Jahren sonderbare Fußspuren aus den Sierras gemeldet wurden. Tatsächlich gibt es dort, wo sich die Junge herumtreiben, Sagen über eine Art Nessie, aber auch eine über das Jarbidge Monster, das allerdings weitaus gefährlicher sein dürfte als unser Bergmonster im Roman. Da das kriminalistische Rätsel hier nicht so stark ist, ist es natürlich ein ganz ausgezeichneter Zug, die Geschichte mit einem mysteriösen Hintergrund auszupolstern. Careys Tonfall ist klug und über die vielen Zufälle kann man durchaus hinwegsehen, weil das Gesamtpaket stimmig erscheint, auch wenn es nicht zu den stärksten Abenteuern der Serie zu zählen ist. Joe und die falsche Kathleen sind gut ausgearbeitete Charaktere, die Verdacht erregen, ohne wirklich etwas zu tun, was ihn rechtfertigt, während diesmal Patrick und Kenneth mehr im Mittelpunkt stehen, als wir es gewohnt sind.

Der Trompeter

: durch Dornenfelder, hinter Wänden des Schlafs gelegen :

kollabierende Zeitsphären, flügelzerschnittene Luft, in
einer Grube der Impressionen, Miasma aus Staub, Quirl
hochschießender Sphären, durch Dornenfelder, Flügelschlag
mit Weltenklang
(wie frei die Täler)
nebelrein &
alles ist als Spiel erdacht & wo
ich meine Kerze trage, pustet man sie aus.

Die Geister des Hauses
ziehen sich auf die Höhe ihrer Erinnerung zurück, der
schlechtgelaunte Ton der Stufen jammert durch das Lebe
Wesen, das Wände hat, dass wir kommen, dass wir quietschen.

Man wüsste es spätestens jetzt : Räume entstehen, radieren
die Wirklichkeit hinfort, vor dem Haus tut die Welt so, als
hätte sie das, was von den Wänden ummantelt wird, nicht verloren,

als gäbe es noch einen Platz dazwischen, der ausreicht, dem
Haus nicht zu nahe zu kommen. Alles ist Klang, ein Ton, doch war
davor ein Rhythmus. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass
die Trompeten trompten
(denn trompeten kann nur der Trompeter)

Die Geschichte der Fantasy -4- Die Merkmale einer phantastischen Welt

Im dritten Teil haben wir die Arbeiten von William Morris etwas genauer angesehen und uns die Frage gestellt, ob er wirklich eine völlig unabhängige Welt erschaffen haben könnte. Wir hatten das noch nicht abschließend geklärt, aber das werden wir dafür heute tun.

Es ist einfach, sich Upmeads als ein kleines Königreich wie England oder Frankreich oder ein anderes europäisches Land vorzustellen, und natürlich kann man sich Upmeads auch als eine eigene Welt vorstellen, wenn man akzeptiert, dass es dort Städte wie Rom oder Babylon gibt. Aber wie sinnvoll ist das?

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Der Gasmann von Mattoon

Am 2. September 1944, mitten im Zweiten Weltkrieg, ereignete sich in der Kleinstadt Mattoon, Illinois, eine Serie seltsamer Vorfälle, die bis heute Rätsel aufgeben. Die Ereignisse begannen mit einem Bericht auf der Titelseite der Stadtzeitung, der einen mysteriösen Angriff durch einen „Anesthetic Prowler“ beschrieb. Diese Geschichte entwickelte sich schnell zu einer bizarren Reihe von Ereignissen, die die Kleinstadt in Angst und Schrecken versetzten.

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Die Gesichter von Bélmez

Am Morgen des 23. August 1971 betrat eine Hausfrau in dem südspanischen Dorf Bélmez de la Moraleda ihre Küche und stellte erschrocken fest, dass über Nacht ein Gesicht auf dem Fußboden erschienen war. Es handelte sich weder um einen Scherz noch um eine bloße Einbildung. Das Gesicht war klar erkennbar und wies Züge auf, die an expressionistische Kunst erinnerten. Es war kein gemaltes oder eingraviertes Bild, sondern schien sich direkt aus dem Betonboden zu erheben.

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Komposita über das Sterben im Gemäuer

Die möglicherweise bekannteste Daguerreotypie von Edgar Poe ist die Ultima Thule genannte vom 9. November 1848, entstanden vier Tage nach seinem Selbstmordversuch. Dieses Portrait wurde nach einem Zitat aus Poe’s Gedicht Traumland (orig. ›Dream-Land‹) so bezeichnet, weil man in ihm einen Ausdruck trotziger Verzweiflung am Rande des Todes gesehen haben will. Für die meisten Poe-Liebhaber ist dies das Bildnis, das am ehesten zum Charakter seines Werkes zu passen scheint.

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Jack (Arbeitstitel)

Als ich erwachte, wusste ich, dass es sich um denselben Albtraum gehandelt hatte, der mich bereits seit vielen Jahren nicht aus seinen Klauen ließ. Er begann bereits zu bröseln, kaum öffnete ich die Augen, blähte sich noch einmal auf und zerfiel schließlich in seine körperlosen Bestandteile. Zurück blieben wilde Farben und das klamme Herz in meiner Brust. Oft vergas ich in den ersten Sekunden eines neuen Tages zu atmen, wähnte mich nicht am Leben, bis mein Kopf den Druck des Sauerstoffmangels kaum mehr aushielt und den Mund öffnete, um den ersten Schritt zum Überleben in Betrieb zu nehmen. Erst dann setzte die Routine wieder ein. Ich keuchte und schwitzte und sprang viel zu schnell aus dem Bett. Der Fluchtgedanke war ein nicht zu kontrollierender Impuls, mein Kreislauf aber keine fünf Pfennige wert. Und so sackte ich jedes mal auf die Knie, um mich blind zu übergeben. Nach wenigen Minuten hatte sich mein Zustand wieder hergestellt. Ich fühlte mich miserabel. Dieses unfreiwillige Ritual sorgte für ein völliges Vergessen. Nie gelang es mir, Bedeutung, Sinn und Hergang des bösen Traums zu greifen. Wie ein Geschwür breitete er sich in mir aus, während ich wehrlos schlief. Livia hatte nicht unrecht, wenn sie auf einen Arztbesuch drängte. Vielleicht schob ich den Albtraum vor eine ernsthafte Erkrankung. Meiner Ansicht nach traten diese Anfälle zwar heftig, aber unregelmäßig auf. Wochen und Monate lang schlief ich wie ein Engel.

Es gab noch eine andere Theorie, die sich auf mein “böses Blut” fokussierte und die ich vorsorglich für mich behielt. Ich war ein Erbe der okkulten Detektive, die viele für die Erfindung überspannter Literaten hielten. Das böse Blut hatte ich natürlich nicht von ihnen, wohl aber den Hang zur Sensibilität, ein empflindlich gestörtes Gemüt, das sich in unserer Familie durch mich bereits in der fünften Generation manifestierte. Geisteskrankeit ist ein zu starkes und unspezifisches Wort, deshalb möchte ich es an dieser Stelle nicht verwenden. Früher hatte man diesbezüglich weniger Skrupel, auch nicht hinsichtlich der Gerüchte, von denen eines andeutete, ich sei ein direkter Nachfahre jenes unbekannten Schreckens, der im Jahre 1888 ganz London in Atem gehalten hatte. Mein Verstand spricht von der Unmöglichkeit dieser Abkunft, aber mein Blut behauptet etwas anderes. geht man der Sache auf den Grund, so wird man leicht feststellen, dass mindestens eines der Opfer von Jack the Ripper zur Zeit ihrer Ermordung schwanger gewesen sein soll. Mary Jane Kelly war ihr Name. Sie war zwar nicht das letzte Opfer des Rippers, aber das letzte, das ihm zugeschrieben wurde. Von dieser Schwangerschaft kann ich nur berichten, dass Jack sie beendet hatte, doch auch das mag nur eine Legende sein. Nicht aber, dass sie im Jahre 1881 einen Sohn gebar, der zum Zeitpunkt ihres Todes sieben Jahre alt war. Sein Name verliert sich in der Dunkelheit, aber von Robert Kelly, der 1901 den Nebel der Welt erblickte, führt eine direkte Linie zu mir. Mein dunkles Blut ist ein Mythos der Geschichte und mehr als ein Fluch, der durch die Reihen meiner Familie schritt. Auf ein glaubhaftes Argument muss ich verzichten, wenn auch einer meiner ersten Träume mir zeigen wollte, wie sehr die Bande der Generationen gerade im Unglück geeinigt sind.

Natürlich würde das bedeuten, dass zumindest ein Teil meiner Herkunft in Irland zu verorten wäre, denn Mary Jane wurde in der Stadt Limerick, in der Provinz Munster geboren. Besonders scherzhaft war ihr Leben trotz ihrer Herkunft jedoch nicht. Aber welch Wunden lädt man sich im steten Flug durch die Jahrhunderte auf? Man würde wahnsinnig werden, wenn jede im Suff getroffene Entscheidung das Leben eines Nachkommen zerstören würde.

Spreche ich von mir als von einem okkulten Detektiv, so begann aufgrund der Gerüchte um meine Familiengeschichte mein Interesse an den Whitechapel-Morden. Ich bildete mir, wie viele andere ein, den wahren Jack entlarven zu können, durch nichts anderes als meine erstaunlich Intuition. Eine Annahme, die nichts anderes zeitigte als meine Albträume. Ich musste zu dem Schluss kommen, dass es diesen Mörder niemals gegeben hatte, dass er für alle Zeiten ein Phantom bleiben würde und nichts mit einem realen Menschen zu tun haben konnte. Es schien, als sei er nur die Personifikation einer gesellschaftlichen Tendenz gewesen, die im viktorianischen London gemeinsam mit dem Nebel durch die Stadt und das ganze Land wanderte.

Es sind stets die Phantome, die alles so interessant machen, die steten Ungewissheiten. Nichts ist je sicher, nicht für einen Moment. Eine Menge rätselhafter Raum liegt hinter uns – und vor uns vielleicht auch. Für die Geisterwelt mögen wir die Phantome sein. Während ich durch die vollgepackte Innenstadt von M. schlenderte, fühlte ich mich verfolgt. Das Gefühl hatte ich schon öfter gehabt, es verflog aber schneller als ich darüber nachdenken konnte. Schlafentzug, oder zumindest mehrere wirklich schlechte Nächte hintereinander, konnte durchaus Paranoia auslösen, aber man leidet nicht unter Verfolgungswahn, wenn man wirklich verfolgt wird. Unter all den Leuten, die ihren Geschäften nachgingen, wirkte das Gefühl völlig fehl am Platz. Als ob man unter all dem Höllenlärm einer Stadt einen Ton wahrnimmt, der eine ganz besondere Färbung besitzt, der gerade dadurch auffällt, weil man ihn nicht zuordnen kann. Die Gesichter, die mir begegnen, sind leer, es könnten geradewegs Attrappen sein, einzig dazu geschaffen, mich anzurempeln oder mich zu missachten. Aber unter all diesen Leuten musste es jemanden geben, der mich anstarrte. Die Nadel im Heuhaufen mit einem energiegeladenen Blick.

H.P. Lovecraft: Verkünder des Erhabenen

Die meisten Menschen wissen, dass Grimms Märchen nicht das verwässerte Zeug sind, das uns Walt Disney gegeben hat. Sie sind viel düsterer, viel grimmiger. Wenn ich darüber nachdenke, kommen mir zwei Fragen in den Sinn: Erstens, wozu dienten die echten Geschichten? (Sie wurden von Generation zu Generation weitergegeben, und ich habe gehört, dass ihre Wurzeln so tief reichen, dass sie geradezu prähistorisch sind), und zweitens, warum wurden sie verschlimmbessert? Wir können nicht alles auf den armen Walt schieben.

Die Zensur des 19. Jahrhunderts

Der Reformimpuls des 19. Jahrhunderts hat viel Schaden angerichtet. Das ist ein großes Thema, aber im Moment konzentriere ich mich darauf, wie die Verwalter der Literatur den Geschmack kleiner Mädchen zu einem Nadelöhr machten, durch das alles passieren konnte. Der Haushalt, einst eine politische und wirtschaftliche Institution, wurde durch die industrielle Revolution und den Aufstieg des Wohlfahrtsstaates seiner Funktionen beraubt. Aber seine Befürworter interpretierten ihn neu und verwandelten ihn in den sicheren Hafen, den wir heute kennen, einen Ort der Gefühle und der Zärtlichkeit, einen Kult um Heim und Herd. Und Geschichten von Kindern, die zerstückelt und in Töpfe geworfen wurden, wollte man nicht mehr hören. (Nicht nur die Volksmärchen litten unter dem Messer, sondern auch die Bibel. Man weiß nicht, wie viele Jungen in der kirchlichen Sonntagsschule wegen der Flanellbilder verloren gingen. Mark Twain war einer davon.). Aber wenn Dinge, die einen vergessenen Zweck erfüllen, verloren gehen, kehren sie in neuer Form zurück.

Das Erhabene

Ich erinnere mich an ein Time Life-Buch, das wir als Kind hatten. Es enthielt diese erstaunliche ausklappbare Illustration von Rudolph Zallingers “Das Zeitalter der Reptilien”. Ich fühlte mich fast unwillkürlich davon angezogen, und sobald ich es aufschlug, sah ich den Tyrannosaurus Rex, den König der Dinosaurier, vor mir: dieses große, zähnefletschende Maul, diese donnernden Schenkel, diese winzigen Arme, die so seltsam liebenswert und nutzlos waren.

Was hat es damit auf sich?

Warum lieben kleine Jungs (meistens) dieses Zeug? Edmund Burke wusste es. Er hatte einen Namen dafür. Er sagte, dass wir uns nach dem Erhabenen sehnen. Hier ist, was er über das Erhabene sagt, aus seinem Werk “A Philosophical Inquiry into the Origin of Our Ideas of the Sublime and Beautiful” (1757).

(Es ist) … alles, was in irgendeiner Weise geeignet ist, die Vorstellung von Schmerz und Gefahr hervorzurufen … alles, was in irgendeiner Weise schrecklich ist oder sich auf schreckliche Gegenstände bezieht oder in einer Weise wirkt, die dem Schrecken entspricht. Die Quintessenz ist folgende: Aus unerklärlichen Gründen fühlen wir uns zu großen, mächtigen, gleichgültigen und schrecklichen Dingen hingezogen, die uns erdrücken könnten. Diese Erfahrung macht uns glücklich. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen nachts bei Gewitter auf der Veranda: Blitz! “Einundzwanzig, zweiundzwanzig…” Bumm! “Puh, das war knapp!”, sagt man und grinst. Erhaben.

Das Christentum und das Erhabene

Die Bibel ist erhaben. (In Kinderbibeln würde man das allerdings nicht vermuten.) Von den Anfängen mit dem Geist Gottes, der über dem bodenlosen Meer brütet, über die Sintflut Noahs, über den wirklich merkwürdigen Moment, als Gott mit Abraham einen Bund schließt, über den Herrn, der an Mose vorübergeht, als er in der Felsspalte Zuflucht sucht, (und ich bin noch nicht einmal aus dem Pentateuch heraus), bis zum Wirbelsturm bei Hiob, bis zum Herrn, der durch das Meer watet und auf dem Sturm reitet in den Psalmen, bis zum Zertreten der Weinlese in seinem Zorn, bis zum großen Fisch, der aus der Tiefe auftaucht, um den Propheten zu verschlingen – das sind bewegende Dinge. Aber wir haben die Bibel zurechtgebogen. Es ist nicht das erste Mal, dass C. S. Lewis beklagt, dass in der Synchronizität des mittelalterlichen Kosmos etwas verloren gegangen ist. Das Christentum neigt dazu, in seinem Drang, die Dinge in Ordnung zu bringen, zu weit zu gehen. Und selbst wenn wir einen Blick auf den Gott erhaschen, der in der dichten Dunkelheit wohnt, verwandeln wir ihn in etwas so Süßes, dass sich mir der Magen umdreht.

Christen mit einer Vorliebe für das Erhabene haben einen theologischen Namen dafür, es ist das starke Getränk im Schrank des reifen Christen, das manche das Numinose nennen. (Ich ziehe mysterium tremendum vor.) Soren Kierkegaard, John Milton und J. R. R. Tolkien hatten alle eine Vorliebe dafür.

H. P. Lovecraft und das Erhabene für Atheisten

Aber als die moderne Kosmologie uns den Himmel öffnete, so dass wir ihn und uns selbst neu sehen konnten, fanden die literarischen Liebhaber des Erhabenen etwas Neues, mit dem sie arbeiten konnten. Vielleicht ist H. P. Lovecraft ihr Vater. (Wenn nicht Lovecraft, weiß ich nicht, wer es sonst sein könnte, vielleicht H. G. Wells?)

Ob Lovecraft nun der Vater ist oder nicht, er hat viele Kinder. Einige der populärsten Autoren der heutigen spekulativen Literatur halten ihn für den Meister. Hier ist eine kurze Liste: Neil Gaiman, China Meiville und Stephen King. Keine schlechte Liste von Anhängern für einen Mann, der in der Dunkelheit lebte und mittellos und halb verhungert starb. Ich habe an anderer Stelle über Lovecraft und seine unheimliche, spiegelbildliche Beziehung zu C.S. Lewis geschrieben. (Sogar Lovecraft-Fans scheinen mir zuzustimmen.) Beide sind heute literarische Kultfiguren, und zusammen mit Tolkien bilden sie die Grundlage für den größten Teil der fantastischen Literatur, die heute auf dem Markt ist. Natürlich gibt es einen großen Unterschied in der Weltanschauung zwischen Lewis und Tolkien auf der einen und Lovecraft auf der anderen Seite. Lovecraft war Atheist. Aber das sollte nicht über die Gemeinsamkeiten hinwegtäuschen. Sie alle geben uns das Gefühl, klein zu sein.

Kosmizismus

Für Tolkien war es die nordische Mythologie, für Lewis die Planeten des mittelalterlichen Kosmos, aber für Lovecraft war es die schreckliche Unermesslichkeit und das Geheimnis des Kosmos, wie es die Wissenschaft enthüllt. Er nannte es Kosmizismus. Er stellte es seinen Lesern im ersten Absatz einer seiner größten Erzählungen vor: Der Ruf des Cthulhu,

Das Barmherzigste an der Welt ist, glaube ich, die Unfähigkeit des menschlichen Geistes, alle seine Inhalte miteinander in Beziehung zu setzen. Wir leben auf einer ruhigen Insel der Unwissenheit inmitten der schwarzen Meere der Unendlichkeit, und es war uns nicht bestimmt, weit zu reisen. Die Wissenschaften, von denen jede in ihre eigene Richtung strebt, haben uns bisher wenig Schaden zugefügt; aber eines Tages wird die Zusammenfügung unzusammenhängenden Wissens so erschreckende Aussichten auf die Wirklichkeit und unsere schreckliche Lage in ihr eröffnen, dass wir entweder vor der Offenbarung verrückt werden oder vor dem tödlichen Licht in den Frieden und die Sicherheit eines neuen dunklen Zeitalters fliehen werden.

Viele von Lovecrafts Geschichten enden mit einem Abstieg in den Wahnsinn. Und Lovecraft zeichnet sich dadurch aus, dass er uns das gibt, was Tolkien uns gegeben hat: eine in sich geschlossene (soweit das möglich ist) Nebenwelt, bevölkert von Wesen, die so gewaltig und gleichgültig gegenüber der Menschheit sind, wie der Kosmos es zu sein scheint. Der Grund, warum Lovecraft einer der ganz Großen ist, liegt nicht darin, dass er sich als Stilist hervortat; er ist groß, weil es ihm gelang, seine Leser die Macht des Erhabenen spüren zu lassen.

Zwei Gedanken zum Schluss: Erstens glaube ich, dass es immer Märchen, Mythen und unheimliche Literatur (Lovecrafts Lieblingsbegriff) geben wird, weil sie die zugänglichsten literarischen Formen sind, um das Erhabene auszudrücken. Man kann sie entstellen, wie man will, das Erhabene wird einfach neue Formen finden und mit Macht zurückkehren.

Aber zweitens, und hier würde sich Lovecraft zurückhalten, glaube ich, dass die Sehnsucht nach dem Erhabenen eine Sehnsucht nach Gott ist, nach dem Geheimnis, das uns erschauern lässt. Nicht dieses rührselige Idol, das in einem Lobgesang als Gott durchgeht, ich meine den Gott Abrahams, Hiobs und Jonas. Herr der Heerscharen ist sein Name. Das ist ein starkes Getränk und nur für Erwachsene.

Schlafparalyse und die Mädchen aus “The Ring”

Ich kann fast in keiner Nacht einschlafen. Vor zwei Nächten war mein Gehirn überaktiv und ich wusste, dass die nächste Schlafparalyse durch die Poren meiner Haut dringen würde. Jetzt bin ich daran gewöhnt. Die Taubheit. Die Hilflosigkeit, wenn es losgeht. Nach jahrelanger Erfahrung weiß ich, wie ich mich davon befreien kann. Ich weiß, dass die Angst nur vorübergehend ist. Ich weiß, wie ich die Schattenhände anschreien muss, die meinen Hals packen oder sich in meine Schultern und meinen Bauch krallen. Während der Schlafparalyse ist die Welt in Schwarz und Weiß getaucht. Die Umgebung ist statisch und still. Ich öffne meine Augen in einer grauen Dimension und weiß, dass mich etwas beobachtet und darauf wartet, meinen Körper zu ergreifen. In diesen Träumen bin ich eine Außenseiterin. Ich kann meinem physischen Körper nicht sagen, dass mich etwas beobachtet.

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