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Monat: März 2025 (Seite 1 von 5)

Das Jahr der Spukhäuser

Jedes Haus wird heimgesucht. Die Frage ist, wovon?

Sobald man ein Haus betritt, weiß man es. Manche fühlen sich gut an, andere nicht. Und wie ein guter Wein sind ältere Häuser komplexer.

Im Sommer 20xx wurde ich nach Irland geschickt, um als Mitglied der Stonecoast MFA an einem Creative Writing-Programm teilzunehmen. Ich war dankbar für die Chance, herumzureisen und ungeduldig, diese Erfahrung zu machen, muss allerdings gestehen, dass Irland vor meiner Ankunft nicht auf meiner Liste stand. War Wales nicht malerischer? Und von London aus nicht besser zu erreichen?

Doch innerhalb von nur einer Stunde war ich von Dublin besessen. Ich wurde von einem überwältigenden Gefühl verschlungen, ja, von etwas, das dort in der Luft lag. Das Land verband sich mit mir. Ich sollte hier sein. Also überkam mich ein tiefes Bedauern, als ich Dublin am nächste Tag verlassen musste, um nach Galway zu reisen.

Aber das Gefühl kehrte zurück, genauso stark. Galway: das Kopfsteinpflaster, das Meer, die Gardinen, und der klimatisierte Bus. Ja.

Und dann ab nach Dingle, mein Zuhause für eine Woche, leben und arbeiten in einem Gästehaus, an der Seeseite gelegen, mit meinen zehn Studenten und dem Personal. Und das Gefühl wuchs. Da war so ein Ziehen, eine Sehnsucht, und so begann ich damit, mir die Möglichkeit zu durchdenken, wie ich hier leben könnte, wenn meine Tochter erst das College beendet hatte und ich dadurch dann San Diego verlassen könnte. Ich war verblüfft, wie sehr ich Irland liebte. In gewisser Weise hatte ich Irland in mich eingelassen. Und das veränderte mich als Schriftstellerin zutiefst. Es brachte mich soweit, zu akzeptieren, dass meine Zeit begrenzt war, und dass ich das Buch schreiben sollte, das mir wichtig war – das Buch meines Herzens.

So schnell wie mir der Gedanke kam, wusste ich auch gleich, dass das Buch meines Herzens ein Roman über ein Spukhaus sein würde.

Ich wusste allerdings nicht, warum.

Meine Studenten vermuteten, dass meine Entscheidung von den weit verbreiteten irischen Gespenstererzählungen und Legenden beeinflusst war. Das erste Buch, das ich mir in Irland gekauft hatte, war The Asylum, ein neogotischer Roman des Australischen Schriftstellers John Harwood. Ich hielt einen Vortrag über das Unheimliche in der Irischen Literatur, und ich sprach über Kobolde, Selchies und Pookas in Verbindung mit Wechselbälgern und Geistern.

Trotzdem wurde 20xx “mein Jahr der Spukhäuser.” Ich würde ein Tagebuch über all die Spukhausgeschichten, die ich gelesen hatte, führen, und damit beginnen, meine eigenen Ideen zu skizzieren. Ich erstand ein wunderschönes verschließbares Notizbuch im örtlichen Buchladen in der Green Street und machte mich an die Arbeit. Und natürlich betrieb ich Recherchen.

Hier ist einiges von dem, was ich über Spukhäuser in Erfahrung bringen konnte:

Der früheste Bericht über ein Spukhaus ist uns aus einem Brief überliefert, geschrieben von Plinius dem Jüngeren (61-ca. 112).  Darin beschreibt er eine Villa in Athen, die von einem männlichen Geist in Ketten drangsaliert wird; die Knochen des Phantoms wurden ausgegraben und in einem ordentlichen Grab beigelegt, von da an ließ sich der Geist nicht mehr blicken. Es gibt auch weitere Geschichten über Spukhäuser in den Erzählungen aus Tausend und einer Nacht.

Die vorromantischen Dichter der “Gräberpoesie” legten den Grundstein für die gotische und romantische Periode, die uns von Dickens’ Große Erwartungen bis zu Shirley Jacksons Spuk in Hill House, Stephen Kings Shining, Susan Hills Die Frau in Schwarz, und zu Der Besucher von Sarah Waters führt. Es gibt Hunderte von Romanen über Spukhäuser. Und Kurzgeschichten. Und Filme.

Manche von uns werben um Geister. Wir wollen leben, wo sie sich aufhalten. Die forensische Psychologin und Geisterjägerin Katherine Ramsland schlief in jenen Räumen, wo Lizzy Borden ihre Morde beging, und auch im Fall River House in Massachusetts; die Mitglieder des Haunted Mansion Retreat in Nordkalifornien haben ihre Erfahrungen in einer Reihe von Büchern niedergeschrieben; und Horrorautor und Herausgeber R. J. Cavender bietet Rückzugsmöglichkeiten für Schreibende im Stanley Hotel in Colorado an, wo Stephen King seine ersten Entwürfe zu The Shining verfasste.

Michele Hanks untersuchte das Phänomen des “Geistertourismus” in Großbritannien in ihrem Buch Haunted Heritage: The Cultural Politics of Ghost Tourism, Populism, and the Past. Es gibt sogenannte Ghostcams, die von allen erdenklichen Spukorten der Welt streamen.

“Schreckensspezialistin” Dr. Margee Kerr, die als Soziologin zum Personal des Scare House in Pittsburgh gehört, sagt, dass manche Leute Spukorte mögen, weil sie das Ausschütten des Dopamins genießen, das eine Angstreaktion begleitet. Es ist eine wohlkalkulierte Angst: es gibt zwischen 3.500 und 5.000 kommerziell genutzte Spukhäuser, die an Halloween besucht werden, und ebenso unzählige “Höllenhäuser”, die auf dem christlichen Glauben der Verdammnis beruhen, um ihre Gemeindemitglieder vor einer Verirrung zu warnen.

Mir kommt es etwas komisch vor, dass das Buch meines Herzens ein Roman über ein Spukhaus ist, merkwürdiger sogar als mein Gefühl “in Irland sein zu müssen”. Obwohl ich eine Horror-Autorin bin, meide ich die meisten Horrorfilme. Sie sind einfach zu schrecklich. Ich muss sie mir sorgfältig auswählen, oder ich kann sie nicht bis zum Ende sehen (ich bin mehrmals an Paranormal Activity gescheitert, und vor zwei Nächten habe ich Babadook aufgegeben).

Befinde ich mich allein zu Hause, bebe ich förmlich bei dem Gedanken an Szenen aus Die Frau in Schwarz oder Spuk in Hill House. Ich würde lieber durch Glas springen als mich freiwillig einem Spukhotel, Hospital, oder einer Spukfahrt anzuschließen. Ich möchte die Angstreaktion nicht herausfordern.

Aber ich möchte meine Ängste überwinden. Als ich sehr jung war, war ich erfüllt von einer krankhaften Angst vor der Dunkelheit. Ich litt unter schrecklichen Schlafstörungen (natürlich hatte ich nachts das Licht an). Eines nachts, als ich gerade die Treppen meines Hauses hinab ging, bemerkte ich etwas, das hinter mir her kroch, ich wirbelte herum und schrie: “Ich bin dessen Königin!” In diesem Augenblick wurde eine Horror-Autorin geboren – jemand, der die Monster niederstarrt, wenn er sie schon nicht vertreiben kann. Ist es das, wonach ich in meinem Spukhaus-Roman suche?

Ich glaube, es steckt etwas mehr dahinter. Etwas wie meine unerklärliche Liebe zu Irland.

Aber das Buch wurde geschrieben, und ich schreibe bereits an einem anderen.

Diese zweifache Besessenheit bleibt.

Die Geschichte der Fantasy -3- William Morris

William Morris

Kehren wir zu William Morris zurück. Betrachten wir seine drei berühmten phantastischen Werke “Die Zauberin jenseits der Welt”, “Die Quelle am Ende der Welt” und “Das Reich am Strom”. Sind sie völlig unabhängig von der realen Welt? Alle diese Bücher rühmen sich ihrer erfundenen Geographie (Das Reich am Strom hat sogar eine Karte). Die sozialen Komponenten sind ausgefeilt und unverwechselbar, ähnlich dem europäischen Mittelalter in Bezug auf Technologie, Klassen, etc. Alles sieht so aus, als hätten wir es hier mit der gesuchten unabhängigen zweiten Welt zu tun.

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Die Tanzwut (Veitstanz)

In den Annalen der Geschichte gibt es einige Ereignisse, die sich einer rationalen Erklärung entziehen. Ein solches Ereignis ist die Tanzwut von 1518. Während dieses bizarren Ereignisses begannen mehrere Menschen in Straßburg unkontrolliert zu tanzen, und einige tanzten sich sogar zu Tode. Das Phänomen dauerte etwa einen Monat lang an und ist bis heute ein faszinierendes Rätsel.

Die Tanzwut von 1518 begann im Juli, als eine Frau namens Troffea in den Straßen von Straßburg (damals eine freie Stadt im Heiligen Römischen Reich, heute in Frankreich liegend) eifrig zu tanzen begann. Was als einsamer Akt begann, entwickelte sich bald zu etwas viel Größerem. Frau Troffea tanzte erstaunliche 6 Tage lang ununterbrochen und zog die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf sich. Das wirklich Bemerkenswerte war jedoch, dass sich ihr bald andere anschlossen, die dem Zwang, sich in einem unsichtbaren Rhythmus zu wiegen, nicht widerstehen konnten.

Innerhalb einer Woche hatten sich 34 Personen Troffea bei ihrem Tanzmarathon angeschlossen. Die Zahl wuchs schnell weiter an, und innerhalb eines Monats waren etwa 400 Personen von dieser unerklärlichen Tanzmanie erfasst. Die betroffenen Tänzerinnen und Tänzer machten keine Anstalten, aufzuhören, auch wenn ihre Körper müde und erschöpft wurden. Einige tanzten, bis sie vor Erschöpfung zusammenbrachen, andere erlagen Herzinfarkten, Schlaganfällen oder dem Hungertod. Die Straßen von Straßburg waren erfüllt von der Kakophonie der Schritte und den verzweifelten Schreien derjenigen, die sich nicht aus dem Griff dieses seltsamen Zwangs befreien konnten.

Die Tanzepidemie von 1518 verwirrte sowohl die medizinische Fachwelt als auch die breite Öffentlichkeit. Ärzte und Behörden suchten verzweifelt nach Antworten, um ein Heilmittel für diese unerklärliche Krankheit zu finden. Zunächst wurden astrologische und übernatürliche Ursachen in Betracht gezogen, aber die örtlichen Ärzte verwarfen diese Theorien schnell.

Der Schriftsteller Sebastian Brant, hatte der Torheit des Tanzes ein Kapitel in seinem Werk Das Narrenschiff gewidmet. Verblüfft über das Chaos in den Straßen, konsultierten er und seine Ratskollegen die örtlichen Ärzte, die das Tanzen gemäß der üblichen medizinischen Weisheit als Folge von “überhitztem Blut” im Gehirn erklärt, einer natürlichen Krankheit, die nur durch mehr Tanzen geheilt werden könne.

Sie ordneten die Räumung eines Getreidemarktes unter freiem Himmel an, beschlagnahmten Zunftsäle und errichteten eine Bühne neben dem Pferdemarkt. Dorthin eskortierten sie die verrückten Tänzer in dem Glauben, dass sie durch die ständige Bewegung die Übelkeit abschütteln würden. Die Bürger heuerten sogar Pfeifer und Trommler an und bezahlten “starke Männer”, die die Erkrankten aufrecht hielten, indem sie sich an ihren Körpern festhielten, während sie wirbelten und schwankten. Auf dem Getreidemarkt und dem Pferdemarkt tanzten die Menschen in der prallen Sommersonne weiter.

Ein Gedicht im Stadtarchiv erklärt, was dann geschah: “In ihrem Wahnsinn tanzten die Leute weiter, bis sie bewusstlos wurden und viele starben.”

Schließlich erkannte der Rat, dass er einen Fehler begangen hatte, und beschloss, dass die Tänzer eher unter dem Zorn des Heiligen litten als unter einem brutzelnden Hirn, und so entschied man sich für eine Zeit der erzwungenen Buße und verbot sowohl Musik als auch Tanzen in der Öffentlichkeit. Schließlich wurden die Tänzerinnen zu einem dem heiligen Vitus geweihten Schrein gebracht, der sich in einer modrigen Grotte in den Hügeln oberhalb der nahe gelegenen Stadt Saverne befand, wo ihre blutigen Füße in rote Schuhe gesteckt und sie um eine Holzfigur des Heiligen herumgeführt wurden. In den folgenden Wochen, so berichten die Chroniken, hörten die meisten von ihnen mit ihren wilden Bewegungen auf. Die Epidemie hatte ein Ende gefunden.

Dieses seltsame Kapitel der Menschheitsgeschichte wirft viele schwer zu beantwortende Fragen auf. Warum verschrieben die Bürger mehr Tanzen als Behandlung für verkochte Gehirne? Warum mussten die Tänzerinnen und Tänzer rote Schuhe tragen? Und wie viele Menschen starben? (Ein Schriftsteller, der in der Nähe der Stadt lebte, schätzte, dass es zumindest eine Zeit lang 15 pro Tag waren, aber das wurde nicht bestätigt).

Eine Zeit lang im 20. Jahrhundert hielt man Mutterkorn für einen guten Anwärter. Diese Krankheit entsteht durch den Verzehr von Lebensmitteln, die mit einer Schimmelpilzart kontaminiert sind, die auf feuchtem Roggen wächst und einen LSD-ähnlichen Stoff produziert. Sie kann zu schrecklichen Halluzinationen und heftigen Zuckungen führen. Diese Theorie ist jedoch sehr umstritten, da Mutterkorn extrem giftig ist und eher tödlich wirkt als einen Tanzwahn auszulösen. Genauso unwahrscheinlich ist die Behauptung, dass die Tänzer religiöse Außenseiter waren. Für Beobachter war klar, dass sie nicht tanzen wollten.

In den vorangegangenen Jahrhunderten hatte es mehrere andere Ausbrüche von Tänzen gegeben, an denen Hunderte oder nur wenige Menschen beteiligt waren, fast alle in Städten in der Nähe des Rheins. Mit den Kaufleuten, Pilgern und Soldaten, die auf diesen Gewässern unterwegs waren, reisten auch Nachrichten und Glaubensvorstellungen. Eine bestimmte Vorstellung scheint sich im kulturellen Bewusstsein der Region festgesetzt zu haben: dass der Heilige Veit die Sünder bestrafte, indem er sie tanzen ließ. Ein Gemälde im Kölner Dom, mehr als 200 Kilometer flussabwärts von Straßburg, stellt den Fluch dramatisch dar: Unter einem Bild des heiligen Veit tanzen drei Männer fröhlich vor sich hin, ihre Gesichter tragen die realitätsfremden Züge von Wahnsinnigen.

Der Glaube an eine übernatürliche Macht kann dramatische Auswirkungen auf das Verhalten der Menschen haben. Ein klassischer Fall ist die “Geisterbesessenheit”, bei der Menschen sich so gebärden, als ob ihre Seele von einem Geist oder einer Gottheit übernommen worden wäre.

Das Aufwachsen in einem “Glaubensumfeld”, in dem Geisterbesessenheit ernst genommen wird, kann die Menschen in einen dissoziativen Geisteszustand versetzen, in dem das normale Bewusstsein ausgeschaltet ist. Sie handeln dann nach den kulturell vorgegebenen Vorstellungen, wie sich Besessene zu verhalten haben. Dies geschah in europäischen Klöstern vor dem frühen 17. Jahrhundert, als sich die Nonnen krümmten, zuckten, Schaum vor dem Mund hatten, obszöne Gesten und Andeutungen machten, auf Bäume kletterten und wie Katzen miauten.

Ihr Verhalten erschien seltsam, aber die Nonnen lebten in Gemeinschaften, die sie dazu ermutigten, von der Sünde besessen zu sein, und die von einem mystischen Übernatürlichkeitsdenken durchdrungen waren. Diejenigen, die davon überzeugt waren, dass Dämonen in ihre Seelen eingedrungen waren, neigten dazu, in dissoziative Zustände zu fallen, in denen sie genau das taten, was Theologen und Exorzisten den teuflisch Besessenen nachsagten. In solchen Fällen griff die Besessenheitstrance auch auf Zeugen über, die dieselben theologischen Ängste teilten.

Der Fluch des heiligen Veit ist genau die Art von übernatürlichem Glauben, der die beeinflussbaren Personen in dissoziative Zustände treiben kann. Die Chroniken stimmen darin überein, dass die meisten Menschen schnell davon ausgingen, dass ein wütender Heiliger die Krankheit verursacht hatte. Es genügte also, dass einige der frommen und emotional schwachen Menschen glaubten, der heilige Veit habe sie im Visier, um in einen Trancezustand zu geraten, in dem sie sich tagelang zum Tanzen gezwungen fühlten.

Wenn es sich bei der Tanzmanie tatsächlich um eine psychogene Massenerkrankung handelte, ist auch klar, warum sie so viele Menschen erfasste: Nur wenige Handlungen waren für die Auslösung einer regelrechten psychischen Epidemie geeigneter als die Entscheidung des Stadtrats, die Tänzer an den öffentlichsten Orten der Stadt zu versammeln. Die Sichtbarkeit der Tänzerinnen und Tänzer sorgte dafür, dass andere Stadtbewohner anfällig wurden, da sie sich mit ihren eigenen Sünden und der Möglichkeit, dass sie die nächsten sein könnten, auseinandersetzten.

Das Leben in Straßburg zu Beginn des 15. Jahrhunderts erfüllte eine weitere Grundvoraussetzung für den Ausbruch psychogener Krankheiten: Die Chroniken berichten viel über die Not, die eine erhöhte Empfänglichkeit hervorruft. Soziale und religiöse Konflikte, furchterregende neue Krankheiten, Missernten und steigende Weizenpreise verursachten weit verbreitetes Elend. Ein Chronist beschrieb das Jahr 1517 in ergreifender Kürze als ein “schlechtes Jahr”. Im darauffolgenden Sommer waren die Waisenhäuser, Hospitäler und Notunterkünfte überfüllt mit verzweifelten Menschen. Dies waren ideale Bedingungen für einige der Bedürftigen in der Stadt, sich vorzustellen, dass Gott auf sie zornig sei und der Heilige Veit in ihren Straßen herumspuken würde.

Die Tanzwut von 1518 bleibt dennoch ein Rätsel, umhüllt von Geheimnissen und Vermutungen. Trotz jahrhundertelanger Spekulationen und Forschungen ist die wahre Ursache dieses unerklärlichen Phänomens nach wie vor unklar. Ob es nun durch eine giftige Substanz, Aberglauben oder den kollektiven Stress der damaligen Zeit ausgelöst wurde, die Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen sind unbestreitbar. Die Tanzpest von 1518 ist ein Zeugnis der seltsamen und komplexen Funktionsweise des menschlichen Geistes und eine Erinnerung daran, dass selbst die rationalsten Individuen von der Flut unerklärlichen Verhaltens mitgerissen werden können.

Von der Existenz des Teufels

Vom christlichen Satan über den islamischen Iblis und den hinduistischen Ravana bis hin zum zoroastrischen Angra Mainyu taucht die Idee eines singulären Wesens, das das Böse repräsentiert, immer wieder auf. Diese kulturelle Allgegenwart lässt auf einen universellen Archetyp schließen, der in einer gemeinsamen psychologischen oder metaphysischen Realitäten verwurzelt ist, eine gegnerische Kraft, die sich im Kontext bestimmter Traditionen und Gesellschaften auf einzigartige Weise manifestiert.

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Die Louisiana-Legende vom Grunch: Die halbmenschliche Bestie des Bayou

Es ist nicht verwunderlich, dass es in Louisiana wahrscheinlich mehr urbane Legenden gibt als in jedem anderen Bundesstaat der USA. Die Landschaft Louisianas ist voll von dichten, dunklen Bayous, die unzählige Geheimnisse bergen können. Die Mischung aus kreolischen und Voodoo-Einflüssen auf die Kultur Louisianas hat dem Staat und seinen Bewohnern einen ganz eigenen Charakter verliehen. Wenn es einen Staat in den Vereinigten Staaten gibt, der magisch ist, dann ist es Louisiana. Wer einmal die berühmte Stadt New Orleans besuchen will, der sollte unbedingt an einer Geistertour teilnehmen.

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Sherlock Holmes (Das erste Fandom der Geschichte)

Sherlock Holmes ist neben Dracula die am häufigsten adaptierte und inszenierte Kunstfigur der Popkultur. Dass der Detektiv weltweit bekannt ist, liegt jedoch nicht an den genialen Originalgeschichten, sondern an den unzähligen Filmen, Theaterstücken, Musicals und Comics. Fast alle Symbole und Phrasen, die aus den vielen Fernseh-, Film-, Theater- und anderen grafischen Reproduktionen stammen und heute scheinbar zum Kanon gehören – wie etwa der Deerstalker-Hut – kommen in den Texten überhaupt nicht vor. Doch während diese mit der Mode gehen, scheinen die Originalgeschichten von Sir Arthur Conan Doyle, die immer wieder adaptiert werden, wie nichts zuvor oder danach in unserem kollektiven Bewusstsein verankert zu sein.

Der Reichenbach-Schock

Sherlock Holmes
Holmes

Im Jahr 1893 ließ der Schriftsteller Sir Arthur Conan Doyle den Detektiv Sherlock Holmes von einer Klippe stürzen. Die Klippe liegt in der Schweiz. Darunter rauschen die berühmten Reichenbachfälle. Aber Conan Doyle war gar nicht vor Ort, er erledigte die Drecksarbeit von seinem Londoner Haus aus, wo er schrieb.

“Mit schwerem Herzen nehme ich die Feder in die Hand, um diese letzten Worte zu schreiben, mit denen ich die einzigartigen Gaben festhalten werde, mit denen mein Freund Sherlock Holmes gesegnet wurde”,

sagt der Erzähler Dr. John Watson in Conan Doyles Geschichte Das letzte Problem, die im Dezember 1893 im Magazin “The Strand” erschien.

Sherlock Holmes

Conan Doyle selbst war etwas weniger emotional. “Ich habe Holmes getötet”, schrieb er in sein Tagebuch. Man kann sich Conan Doyle vorstellen, wie sein glattes Haar im Kerzenschein schimmert, wie er seinen üppigen Schnurrbart vor Vergnügen zwirbelt. Später sagte er über seine berühmte Figur: “Ich hatte eine solche Überdosis von ihm, dass ich mich bei ihm fühlte wie bei einer Leberpastete, von der ich einmal zu viel gegessen hatte, so dass mir allein bei seinem Namen noch heute übel wird.

Conan Doyle mag damals geglaubt haben, sich seiner Figur entledigt zu haben, doch er unterschätzte die Fans. Die öffentliche Reaktion auf Holmes’ Tod war anders als alles, was die Welt der Fiktion zuvor erlebt hatte. Mehr als 20.000 Strand-Leser kündigten aus Empörung über Holmes’ frühen Tod ihr Abonnement. Das Magazin überlebte kaum. Selbst die Mitarbeiter bezeichneten Holmes’ Tod als “absolut schreckliches Ereignis”.

Der Legende nach trugen junge Männer in ganz London schwarzen Trauerflor. Leser schrieben wütende Briefe an die Redaktion, Clubs wurden gegründet, um Holmes’ Leben zu retten.

Das erste Fandom

Und Conan Doyle war schockiert über das Verhalten der Fans. So etwas hatte es noch nie gegeben. (Damals nannte man sie noch nicht einmal “Fans”. Der Begriff – eine Kurzform für “Fanatiker” – wurde erst in jüngerer Zeit für die amerikanischen Baseball-Fans verwendet). In der Regel akzeptierten die Leser, was in ihren Büchern geschah. Jetzt begannen sie, ihre Lektüre persönlich zu nehmen, und erwarteten, dass ihre Lieblingswerke bestimmte Erwartungen erfüllten.

Sherlock Holmes

Die begeisterten Leser von Sherlock Holmes haben das moderne Fandom ins Leben gerufen. Interessanterweise hält die große Fangemeinde von Holmes bis heute an und hat zu unzähligen Innovationen geführt, wie z. B. der US-Serie Elementary und der BBC-Serie Sherlock. (Es sei darauf hingewiesen, dass das berühmte Zitat “Elementar, mein lieber Watson!”, nach dem die Serie Elementary benannt ist, in den Originaltexten gar nicht vorkommt.)

1887 erschien der erste Roman mit dem Detektiv: Eine Studie in Scharlachrot. Von Anfang an war er so populär, dass Conan Doyle schon bald bereute, ihn überhaupt geschaffen zu haben. Denn diese Geschichten stellten alles in den Schatten, was Doyle für sein “ernsthaftes Werk” hielt, etwa seine historischen Romane.

An den Erscheinungstagen standen die Leser an den Kiosken Schlange, sobald eine neue Holmes-Geschichte in The Strand erschien. Dank Holmes war Conan Doyle, wie ein Historiker schrieb, “so bekannt wie Königin Victoria”.

Sherlock Holmes

Die Nachfrage nach Holmes-Geschichten schien endlos. Doch obwohl The Strand Conan Doyle für seine Geschichten gut bezahlte, hatte dieser nicht vor, den Rest seines Lebens mit Sherlock Holmes zu verbringen. Mit 34 Jahren hatte er genug. Er ließ Professor Moriarty Holmes die Wasserfälle hinunterstoßen. Acht lange Jahre hielt Conan Doyle dem Druck stand, doch mit der Zeit wurde der so groß, dass er 1901 eine neue Geschichte schrieb: Der Hund von Baskerville. Doch an diesem Fall arbeitete Holmes schon vor seinem verhängnisvollen Absturz. Erst 1903, in Das leere Haus, ließ er Sherlock Holmes wieder auferstehen, indem er behauptete, nur Moriarty sei in jenem Herbst gestorben, während Holmes seinen Tod nur vorgetäuscht habe. Die Fans waren zufrieden.

Sherlock – Ein Leben nach dem Tode

Aber seitdem sind die Fans noch viel obsessiver geworden. Der einzige Unterschied zu damals ist, dass wir uns an ein starkes Fandom gewöhnt haben. Die BBC-Serie Sherlock, die von 2010 bis 2017 in 180 Ländern ausgestrahlt wurde, hat zu dieser Leidenschaft beigetragen. Darin spielt Benedict Cumberbatch in einer atemberaubenden Performance den modernen, aber besten Holmes, den man je gesehen hat, begleitet von Martin Freeman als Watson. Seitdem pilgern unvorstellbare Menschenmassen in die von Holmes und Watson bevorzugten Londoner Sandwichläden oder in Speedy’s Café.

Während der Produktion der Serie kam es sogar zu Problemen, weil sich Tausende Fans am Set tummelten, die dann in die Baker Street weiter zogen, die in Wirklichkeit die Gower Street ist.

Bemerkenswert ist, dass sich die Fans von Sherlock Holmes seit mehr als 120 Jahren intensiv mit dem fiktiven Detektiv beschäftigen, unabhängig davon, in welches Medium er übertragen wurde (es dürfte kein einziges fehlen).

Holmes und Watson
Holmes und Watson

Mark Gatiss, Miterfinder der Sherlock-Serie, hat darauf hingewiesen, dass Holmes einer der ersten fiktiven Detektive war – die meisten anderen, die später geschaffen wurden, waren Kopien oder eine direkte Reaktion auf ihn:

“Alles in allem ziehen die Leute eine Linie unter Sherlock und Watson. Agatha Christie kann ihren Poirot nur klein und rundlich machen – im Gegensatz zu groß und schlank. Er braucht auch einen Watson, also erfindet sie Captain Hastings. Wenn man sich umschaut, ist es immer das gleiche Modell. Es ist unverwüstlich.”

 Nun, selbst Sherlock Holmes hatte einen Vorgänger, und der stammt aus der Feder von Edgar Allan Poe. Dessen Auguste Dupin trat erstmals 1841 in der Erzählung Der Doppelmord in der Rue Morgue und dann in zwei weiteren Erzählungen auf. Conan Doyle hat ihm Referenz erwiesen, indem er ihn in Eine Studie in Scharlachrot auftreten lässt. Dass er sich bei Poe bediente, bedeutet aber nicht, dass sich Sherlock Holmes nicht in eine völlig eigene Richtung entwickelte. Hier wurde der Detektiv in eine definitive Form gegossen.

Sherlock-Mitgestalter Steven Moffat sollte nun das Schlusswort haben:

“Sherlock Holmes ist ein Genie, deshalb ist er ein bisschen seltsam. Ich weiß nicht, wie oft das im wirklichen Leben vorkommt, aber in der Fiktion kommt es doch oft vor. Und das haben wir Sherlock zu verdanken.”

Zur Bibliothek

Um die besonderen Bücher zu finden, insofern man sie nicht bereits in seiner Sammlung hat, ist es unabdingbar, immer weiter den Spuren zu folgen. Früher war es so, dass man dem Literaturverzeichnis folgte und sich die nächsten Stationen heraus schrieb. Des weiteren fand man – gerade in Taschenbüchern – am Ende ein reichhaltiges Register oder sogar Werbung für ähnliche Werke wie dieses, das man gerade in Hände hielt. Das bedeutet nicht, dass es heute nicht ähnlich funktioniert, aber die Trefferquote ist doch längst nicht mehr so hoch wie zu Beginn eines Leselebens, aber die Spurensuche funktioniert weiterhin überragend bei Sachbüchern, die sich sozusagen per definitionem aus angegebenen Quellen speisen.

Überlegt man sich, wie eine ausgewachsene und nennenswerte Bibliothek überhaupt zustande kommt, dann wird man zugeben müssen, dass – abgesehen vom Grundstock, den jede Bibliothek pflegen sollte, unabhängig davon, in welchen Zweig hinein sie sich später entwickelt – ein Großteil der Anschaffungen zunächst ungelesen eingeordnet wird. Man beginnt ein vielversprechendes Werk und legt es enttäuscht zur Seite, um zum nächsten Buch zu greifen. Manchmal kommt es sogar vor, das im gesamten Pulk nicht das zu finden ist, nach dem man gerade dürstet und schon mit der nächsten Bestellung zugange ist. Selbstverständlich hat man immer etwas zu lesen, es ist ganz und gar unmöglich, leer zu laufen, aber ich spreche hier von besonderen Büchern, von jenen, die sofort in den persönlichen Kanon wandern. Um so mehr Bücher auf den Markt geworfen werden, desto geringer werden die Meisterwerke, desto höher aber auch die Sichtungen, die dann den Umfang der Bibliothek merklich erhöhen.

Wäscheboden

Manchmal setze ich mich auf dem Dachboden in den Sessel, der in der Wohnung seinen Platz für ein freies Teppichfeld räumen musste. Die Geruchsmischung aus altem Gebälk, weichgespülter Wäsche und der gewaltigen Enzyklopädie mit vergoldeten Schnittkanten, die ebenfalls vorerst aus meinem Arbeitszimmer verschwunden ist, weil sie einen ungemein bibliothekaren Duft verströmt, oder besser und wahrer gesprochen, weil ich in diesem Zimmer sonst nicht mehr treten kann, verleitet mich dann dazu, eine Pfeife anzustecken. Ich sitze da und betrachte die vertraute Wäsche. Wie wäre es, wenn ich unter dem Dach leben würde? Das ginge nicht ohne Hut. Ich gehe also hinunter in die Wohnung und wähle einen, den ich selten trage, schließlich sitze ich auch selten unter der Wäsche; wieder oben angekommen, finde ich das Tableau, das ich mit mir darin selbst nicht sehen kann, perfekt vor. Vielleicht aber habe ich die falschen Schuhe an, weil man das, was ich anhabe, nicht Schuhe nennen kann. Morgen aber, wenn ich die Wäsche abnehme, werden es die richtigen sein.

Alles Geisterhafte war mir von Anfang an vertraut

Alles Geisterhafte war mir von Anfang an vertraut. Kein Ort, an dem ich jemals war, der nicht von einem Spuk heimgesucht worden wäre, auch wenn ich längst und viele Jahre schon mein eigener Dämon bin. Doch es könnte sein, dass Geister auch mit der Jugend verschwinden; sie verschwinden vor allem dann, wenn man sie nicht mehr sucht, weil man ein Teil von ihnen geworden ist. Dadurch kehrt eine äußerliche Ruhe ein.

Im Gefüge herumkratzen. Es ist wie einen Körper betrachten. Es hat einen Grund, warum wir ausgerechnet diese Gestalt haben und keine andere. Wir sind immer und zu jeder Zeit, wer wir sein wollen. Und das Schöne ist: Nichts existiert wirklich, alles wird nur von Gedanken aufrecht erhalten, von unseren Beschreibungen und Erzählungen. Die aber wirken, weben also Welt.

Wenn die Recherche Angst macht

Das Schreiben eines Buches über einen Mord war für mich ein Akt der Angst. Ich hatte Alpträume und kaufte zusätzliche Schlösser für mein Haus. Für die Recherchen besuchte ich Kriminologiekurse und studierte das Handbuch für Mordermittlungen für Polizeibeamte in Großbritannien. Meine Nachforschungen machten mich wütend, und das bin ich immer noch. Manchmal habe ich mich gefragt, warum ich mich nicht entschieden habe, ein Buch über Positano zu schreiben. Vielleicht über einen Koch in Positano. Dann hätte ich während der Recherche Risotto gekocht und Bellinis getrunken. Stattdessen habe ich stundenlang über der Murder Map gehockt. Das ist eine Karte von London. Auf der Karte sind Stecknadeln angebracht, jede Stecknadel steht für einen Mord. Auf der Website sind alle bekannten Morde in London verzeichnet. Man kann also zu einem bestimmten Stadtteil gehen – zum Beispiel Finsbury – und über die Menschen lesen, die dort ermordet wurden. Das mache ich schon sehr lange. Das Problem ist, dass es nie abgeschlossen ist; jede Woche ändert sich die Karte.

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Die Geschichte der Fantasy -2- Was ist eine erfundene Welt?

Lin Carter, der sich zusammen mit L. Sprague de Camp mit dem Nachdruck und der Sammlung alter Fantasy-Werke beschäftigte, beantwortete die Frage so: Der erste, der eine solche Geschichte schrieb, war William Morris, der Autor von “Die Quelle am Ende der Welt” und “Die Zauberin jenseits der Welt”. (Und auch die deutsche Übersetzung wirbt mit dem Etikett “Begründer der Fantasy”). Auf den ersten Blick wirken diese beiden Romane tatsächlich wie “High Fantasy”. Aber spielen sie wirklich in einer anderen Welt?

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