Manchmal suche ich etwas in den alten Notaten

Nur um die Maschine zu wechseln war ich in den Keller hinabgestiegen, aber wie immer, wenn ich in den Katakomben aus Büchern und Notizen krame, nehme ich etwas mit nach oben. Diesmal war es neben der Maschine eine Tüte, in die ich vor langer Zeit an mich gerichtete Briefe und Karten gestopft hatte; außerdem einige Notizbücher aus den 1990er Jahren, vorrangig jene, die meine „Mexikanischen Impressionen“ von 1993 enthielten.

Sie scheinen mir heute genauso wenig wichtig zu sein wie die Dokumente, die ich während meiner zweiten Europareise 1996 unterwegs verfasste, und doch zieht mich das billige Papier – zumindest ästhetisch – an. Manchmal suche ich etwas in den alten Notaten, etwas, das ich vergessen haben könnte, zum Beispiel den Grund meiner Rastlosigkeit und des Aufbruchs. Aber ich finde meist nur ein längst vergangenes Leben und schlecht geschriebene Phrasen. Mir fällt auf, dass ich vor 2005 zwar viel geschrieben, aber nichts fabriziert hatte, dessen man sich nicht schämen müsste. Immerhin war ich 35 Jahre alt, als ich die ersten Sätze zu Papier brachte, denen ich auch heute noch Gültigkeit zuerkenne, alles was vor meinem Leben in der Schweiz lag, ist nahezu eine Katastrophe.


Ich lese, um etwas über das Leben herauszufinden (um ehrlich zu sein, ist mir das bis heute nicht gelungen), eine andere Möglichkeit hat sich mir nie erschlossen. Ich hatte das Glück, viele Drogen nehmen zu können, was ein dürftiger Ersatz ist, aber ein Ersatz – einerseits für die Lektüre, andererseits für das Träumen. Heute gelingt mir letzteres auch am Tag und ich benötige keine Drogen mehr. Der Schlaf aber ärgert mich mittlerweile, weil ich in diesem Zustand nicht lesen kann, und an meine Träume erinnere ich mich nicht, weil ich schreibe, was ich schreibe, also einen Ersatz dafür habe. Erst wenn ich etwas aufgeschrieben habe, weiß ich, was ich geträumt hätte.

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