
Innerhalb der heiligen Hallen der NWOBHM gibt es Kultbands, die im Sand der Zeit vergraben liegen und als großes Geheimnis gelten. Die britischen Ritual sind eines davon: Sie wurden 1973 gegründet, waren Zeitgenossen solcher Titanen wie AC/DC und Motörhead, spielten mit ihnen sogar schon 1975 im selben Pub (The Red Cow).
In jenen Jahren hatten es selbst Legenden wie AC/DC oder Motörhead schwer, in Bars zu spielen und sich bekannt zu machen, sie wurden schlecht bezahlt, wurden wegen der Musik, die sie spielten, von Radiostationen boykottiert; und trotz dieser Schwierigkeiten nahm die Geschichte der Rockmusik und des Metal ihren Lauf. Besagte Bands veränderten alles. Allerdings kann man das nicht von Ritual behaupten. Das lag vor allem daran, dass sie keinen revolutionären Sound wie ihre übrigen Kollegen im Gepäck hatten. Aber das ist nicht alles. Irgendein Unglück schien über der band zu schweben, das nicht mit herkömmlichen Pannen zu beschreiben ist. Zum Beispiel wurde auf ihrem Debüt nicht mal das Bandlogo abgedruckt, weshalb man glaubte, die Band hieße so wie ihr Album: Widow. Erst zehn Jahre nach Ihrer Gründung lag ihre erste Scheibe vor. Und die entstand unter prekären Bedingungen, so dass sie einen recht miesen Sound aufweist. Das einzige Glück, das Ritual beschieden war, ist die Tatsache, dass sie zu einer Kultband wurden.
Aber 1983 war es bereits zu spät. Die NWOBHM hatte bereits zu viele definitive Juwelen vorgelegt; die Szene bestand aus Iron Maiden, die bereits vier Meisterwerke auf den Schultern hatte, ihre Bargenossen Motörhead eroberten die Welt, andere Bands wie Saxon brachten Heavy Metal ins Radio, Witchfinder General brachte Doom Metal wieder auf die Tagesordnung und Bands wie Diamond Head oder Angel Witch revolutionierten den Underground wie nur wenige andere, und waren außerdem sehr einflussreich für die Entwicklung des Heavy Metal und seiner zukünftigen Derivate. Man könnte stundenlang Bands aufzählen, die wesentlich mehr als Ritual zum Geschehen beisteuerten. Sie hatten im Grunde alles, um durchzustarten, aber gleichzeitig hatten sie nichts.
Rituals “Widow” ist zunächst schwer einzuordnen, denn es gibt keine Band, die so klingt. Am ehesten ist die Band noch in einer Reihe mit Pagan Altar oder Witchfinder General zu stellen, denn eines ist “Widow” auf alle Fälle: ein NWOBHM/Doom-Album. Gemeinsam haben die genannten Bands Themen wie Hexerei oder andere unheimliche Geschehnisse. Da enden die Gemeinsamkeit mit Pagan Altar oder Witchfinder General aber auch schon wieder.
Man darf aber eben nicht vergessen, dass es die Band bereits seit 1973 gab und es ist nicht sicher, ob sie bereits ein Jahrzehnt vorher so klangen. Was auch immer sie aufgehalten hat, sie kamen sehr spät auf die Bühne und einige Bands hatten bereits das gleiche mit durchaus guten Ergebnissen getan. Es wird für immer ein Geheimnis bleiben, ob sie nicht vielleicht doch die ersten waren, die so klangen.
“Widow” ist ein mysteriöses Album, das mit dunklen und kalten Doom-Vibes gespickt ist. Das Niveau der Songs bewegt sich von Anfang bis Ende auf dem gleichen Level, es scheint sich in seiner Melancholie zu vergraben, und es ist klar, dass man mit dieser Haltung keinen Ruhm erntet.
Was gerade besonders erwähnt werden muss, ist, wie unglaublich düster sich die Platte anfühlt; es ist selten, dass man eine Platte so kalt und beunruhigend findet. Die Band spielt mit einer gewissen zarten Zurückhaltung, um ein konstant düsteres Gefühl zu erreichen. Der Bass ist im Mix lauter als die Gitarre und der Bassist spielt oft diese langsamen, galoppierenden Linien, die sich die ganze Zeit an nur ein oder zwei Noten halten, während die Gitarre mit diesen ätherischen, unheimlichen Leads ihre Harmonien darüber webt. Der Sänger hat ebenfalls seinen eigenen Stil und ist am ehesten mit “Mike” von Full Moon zu vergleichen.
Das Tolle an diesem Album ist, wie es dieses eindringliche Gefühl so konsequent während der ganzen 35 Minuten beibehält. Es macht süchtig, je öfter man es auflegt.
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