[Eigentlich: Drunten im Hermelin war‘s. Wir kneipten fröhlich, naschten von den rossigen Lippen, tätschelten das feiste Arschfleisch, tranken immer noch was mehr. War‘s noch, daß die Mägdlein lachten und sich auf die Hose setzten für ein Weil der Energie. Da wollt‘ kein Licht Gesichter reißen aus den Schatten in der Luft, kerzenflammend teinted jedwed fremd Entzücken über=All, Musik schwoll aus dem Gläserrücken, Bierverschütten, Händekramen. Gesang marscht aus dem Zähneblecken, Augengecken: nassem Wort; auch ein Kuß auf nackten Arsch. Und später, wenn man’s treiben wollt‘, fiel man betrunken heimwärts.]
[Dann: Da wollt‘ kein Licht Gesichter reißen aus den Schatten in der Luft, kerzenflammend teinted jedwed fremd Entzücken über=all, Musik schwoll aus dem Gläserrücken, Bier verschütten, Händekramen. Gesang marschiert aus Zähneblecken, Augengecken: nasses Wort; auch ein Kuß auf nackten Arsch. Und später, wenn man’s treiben will, fällt man betrunken heimwärts.]
Sie wollte da hin, kleine Zofe am Rande der Welt (in Walldürn, um es auszusprechen), doch sie sah die Nacht nur an, sie ahnte nichts in ihr, sie erkannte nichts darin, blickte nicht in ihr Herzstück von jener Sorte, die das schwarze Licht für eine lilafarbene Funzel hielten.
»Der Venusberg scheint mir keinen geringen Einfluss zu haben.« Darüber wollte ich zur Stunde nicht auskunften. »Das erzähle ich später Mal. Nach dem essen möchte ich lieber heikle Themen wälzen. Ich befinde mich in einer gewissen ‚bösartigen Stimmung‘, weil das Blut im Magen hockt.
Verständlich wollen es doch nur die Un=Poeten, die glauben, Klarheit wäre die größte Pracht. Die sind es: reißen der Holdesten noch die letzte Decke fort und gaffen zwischen ihre Schenkel. Selbst wenn ein Engel scheißt, wollen sie’s sehen. Keiner Märchenfigur lassen sie den Zaubertrank (oder verlangen freche Steuer), schütten ihn gleich ins Labor und sagen einmündig – wenn’s dann nur Bluna ist – ‚Beweis! – Der Sprudel macht kein Herzerl heil!‘ – Sagt ihnen dann noch ein Kritiker ihrer ausgespachtelten Newton=Welt, der Zaubersaft hab‘ sich verwandelt, um sich vor den ‚Steinernen‘ zu schützen, dann lachen sie ihn aus, kündigen ihm die Wohnung, foltern ihn mit ‚Büchern der Wahrheit‘ – und am Ende mit sich selbst. – »In jedem Weibe schwirrt ein Raun.« Patrizia, geschunden: »Das hat er mir aber noch nie gesagt!« (Ja; selbst in dir!) So fortfuhr ich (fühlte mich teigig, d.h. unreif angesehen): »Intelligenz hat stets etwas Verdorbenes, das heißt ‚Natürliches‘. Kompost ist aller Welten lauf, das Organische.« Sie nickte betäubt. Obszön, wie Marion rauchte. Als bliese sie ein neues Universum aus. »Das Romantische birgt auch Höllenhunde. Es ist dort nicht alles Mond und Blumenteppich.« »Nie gesagt! Ich gewinne das Unheimliche gerade aus der Geschichte.
»Wahrlich ein gefundenes Fressen für Bram Stoker; allerdings: demnach war der erste Vampir eine Frau!« Marion und das Zungenschnalzen, der Rest rührte sich nicht; sie räusperte in die Luft, die Elevin schwitzte unverständlich, Patrizia häkelte unangenehmt ihre Finger. »Der erste Vampir war tatsächlich eine Frau. Literarisch.« »Hat sich nicht Lawrence Durell in ‚Pursewarden’s Erzählungen‘ schwärmerisch ausgelassen über ein Rendezvous mit einem Vampir?« »Noch weit zuvor! Philostratos erzählt bereits die Geschichte einer untoten Empuse, die nach allen Regeln der Kunst einen schönen Jüngling verführt. Aber erst die Romantiker ließen die erotischen Vamps zur Metapher erblühen.« »Die Romantiker! Wieder!« – »Ja. Wieder. Aber es ist ja auch kein Wunder. Man mußte sich gegen den Rationalismus zur Wehr setzen. Da geht man weit. Die sinnlichste Vampirin aller Zeiten – Erzsebeth Bathory gehört ja nun nicht zu diesem Schlag – wurde von Thêophile Gautier ersonnen: Die Kurtisane Clarimonde, die den jungen Priester Romuald in Liebesraserei versetzt. ‚Ich habe geliebt wie kein Sterblicher je geliebt hat!‘ gesteht der Geistliche, dem Clarimonde mit einem Stich ihrer goldenen Haarnadel die Adern öffnet. Behende stürzt sie sich auf die Wunde, die sie mit dem Ausdruck unbeschreiblicher Wollust auszusaugen begann. Tja, und da wäre noch die Carmilla des Iren Le Fanu zu nennen, die zwar nur an Damen herumsaugt – aber wenn wir schon der Historie unter die Arme greifen…« »Byron!« fiel ihr ein. »Christabel. Ja. Im Grunde aber verarbeitet der Dichter nichts anderes als das tödliche Spiel der Liebe. Der profane Mord hat nicht die Kraft, uns zu erhöhen, den Thanatos jedoch mit Eros einhergehen zu lassen – das rührt am Sein. Man muß sich ja ständig fragen, ob sich hier unsere Sterblichkeit nicht verschönt und das Liebesspiel nicht kampflos als die Klimax akzeptiert. Unbewußt, versteht sich. Das Meer in uns. Dunkler Ozean, ausgelegte Schlingen.«
»In Kellern also? Wie kam es dazu?« »Nicht jeder wählt die Oberfläche. Im Untergrund warten Geheimnisse, Schachteln in Schachteln. Man wird nicht gesehen, ist der schattigste Psychonaut. In sieben Kellern träumen unterirdische Kathedralen der Sehnsucht.« »Darüber ließe sich schreiben.« »Ließe sich. Liegt mir aber nicht. Kein Mensch wird lesen, wie ich zu schreiben habe.«
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