Kult!

Monat: Juli 2024 (Seite 4 von 4)

Irisierend die Pforte

Wenn man wirklich wüsste, was man zu sagen hat,
Wenn die Augen sich öffnen und zu galoppieren beginnen,
Eine Rutschbahn voller Eisperlen, an den Planken gefrorene Hände,
Luftschiffe im April mit gewetzten Messern als Krallen.
Die Motoren jaulen wie verbrannte Leichen, ihre Seele
In den Seitentaschen verstaut unter Münzen, Schnipp-Gummis,
Abgelaufene Eintrittskarten für das Spektakel 'Yesterday'.

Das alles in den Augen zu sehen, die im Bett liegen,
Ganz friedlich die Stimmung ändern, um an ein weit
Entferntes Frühstück zu gelangen, ist dem Mondschein
Vorbehalten, der etwas damit anzufangen weiß, aber nie
Darüber spricht. das Rauschen der Spülung
Schließlich, das Schaben an den angetrockneten Wänden,
Kann denjenigen verrückt machen, der nichts davon versteht.

Kalibrierte Nettigkeiten

Nichts an uns war maßgeschneidert, die Lumpen besaßen ihr Eigenleben. So
kam es vor, dass sich die Nahten selbständig machten, wenn sie an Ort
und Stelle gebraucht wurden, um jene Teile zusammenzuhalten, die ebenfalls
entschlossen waren, eine ganz andere Party zu feiern. Niemand kümmerte
sich in jenen Tagen um die Reste der Nacht, die auf den Fensterbrettern lagen
und bereits damit begannen, sich in den Urmorast zu verwandeln. Es wäre ein
seltsamer Anblick gewesen, verkleinerte Darstellungen geschuppter Reptilien
über den Teppich laufen zu sehen, denn es spukte ohnehin in all den Köpfen.
Es wäre durchaus möglich gewesen, verschiedene Tassen umzudrehen, um Eindringlinge davon abzuhalten ihren Tee daraus zu trinken, aber wir fanden die Schlüssel nicht, die eine andere Welt aufsperrten, also beließen wir es bei der bloßen Hoffnung, es möge etwas geschehen, das mit uns rein gar nichts zu tun hatte.

Ortswechsel

Ich betrachtete gerade eine neue Situation, als wir auch schon fliehen mussten. So war es schon immer gewesen, die gemachten Betten zerwühlt von kreidebleichen Gesichtern, aber mit Gefühl in der schimmernden Brust. Man könnte leicht auf die Idee verfallen, es gäbe nur Mehlspeisen, die sich unter der besonderen Bläue des Tages zu einer neuen Form aufraffen. Die Steintreppen hinab gerann der Luftzug an den Wangen, einzelne Hinweise lagen verstreut an den Rändern der Gassen oder lehnten für einen kurzen Augenblick an den wankelmütigen Gebäuden. Es wäre uns recht gewesen, wenn zumindest irgendwo irgendjemand am Fenster gestanden hätte, aber die Uhrzeit war noch nicht reif.

Gespenster und Umzugsmöglichkeiten

für Manfred M.

Er wollte noch den Baum zurückrufen
und einspreizen und die Tür war offen,
zeigend auf den Atomtod. Ihm hatte das
Frühstück nachträglich gut geschmeckt,
was für eine Frage, hoffte, dass er seinen

Hund, der vor ein paar Millionen Jahren gelebt,
wieder treffen werde, schließlich kannte
er noch alle Bedienungen an der Tankstelle.
Hat die Wissenschaft sich so potenzieren
können, dass ein paar davonkamen? Ein Ge

räusch wie das Krümeln von Keksen. Die
Flutwelle, die er nicht sah, setzte mit
Überschallgeschwindigkeit auf; es tat einen
furchtbaren Wasserschlag. Erneut ließ er
die Tür auf, lehnte sich an einen Baum, der

sonst umgefallen wäre. Der Rhythmus, mit dem
gesprochen wird, richtet sich gegen das Hören.
Ein Erguss von Einzelheiten, Farbe färbt sich
rot. Wir sprechen so miteinander, als
hätten wir eine Fremdsprache wiederbelebt. Die

Unmöglichen mussten wir kopieren durch Humor.
Sie hatte mich auf die wesentlichen
Zusammenhänge so oft hingewiesen, in meinem
vorigen Leben, dass ich der geeignetste
Kandidat schien. Rüttelprinzip Nr. 2. Untergage,

Übertage, auf dem Berg, mit ausgebauten Städten.
Flora und Fauna waren vor sich selber so
erschrocken, dass sie nicht mehr weitersprechen
konnten. Er wollte seine Knochen in die richtige
Überlebensstellung schieben. Es war wie Fasching

und Weltuntergang. Ich möchte zu Bett
gehen (ich weiß nicht, ob das möglich ist),
aber die Gummistiefel anbehalten, weil
sie mir so gut tun.

Der Club 27

Jim Morrison, Janis Joplin, Jimi Hendrix und Brian Jones, ein frühes Mitglied der Rolling Stones, starben alle im Alter von 27 Jahren innerhalb von zwei Jahren, zwischen 1969 und 1971. Diese berühmten Todesfälle waren zu ihrer Zeit bemerkenswert, aber der Club 27 erhielt seinen Namen erst, als Kurt Cobain im April 1994 im Alter von 27 Jahren Selbstmord beging. Die ausführliche Berichterstattung über seinen tragischen Selbstmord wurde mit dem Tod von Jim Morrison, Janis Joplin, Jimi Hendrix und Brian Jones in Verbindung gebracht, und plötzlich erinnerte man sich an 1969, als der Tod von Brain Jones Schlagzeilen machte.

Club 27
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Fantasy: Eine Blaupause für die Welt

Die Fantasy hat ihre symbolischen Krallen in uns alle geschlagen. Ihre Ursprünge sind uralt, sie wurzeln in der isländischen Edda und in altenglischen Dichtungen wie Beowulf. Sie ist Shakespeare verpflichtet, den Abenteuererzählungen des 18. Jahrhunderts, der Gotik, der Romantik, dem Mittelalter der Präraffaeliten und dem Fin de siècle. Als eigenständiges Genre trat sie jedoch erst in Erscheinung, als Autoren wie George Macdonald (1824-1905), William Morris (1834-1896) und Lord Dunsany (1878-1957) die phantastische Erzählung populär machten. Zusammen mit einigen anderen Autoren legten sie den Grundstein für die Konzepte der Fantasy, die später von J.R.R. Tolkien zur Epic Fantasy zusammengefügt wurden.

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Easy Dater

Ein Film der Angst lag auf meinem Körper. Wie ein X – ich war wie ein X an diesem gusseisernen Bett befestigt, mein Mund ohne Speichel. Ein bitterer Geschmack, dort, wo die Zunge beginnt. Die Schläfrigkeit dämpfte das Bedürfnis, aufzuschreien. Aus dem Nebenzimmer hörte ich Geräusche durch die angelehnte Tür, Stimmen, die darüber berieten, was mit mir zu tun sei. Ich durchlebte es bereits; die Scham, vor allem die Scham – die lag zuoberst. Ich war freiwillig hier, war mitgetrottet, ein braves Weibchen.

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Der Axtmörder von New Orleans

Laissez les bons temps rouler! Wo seid ihr? Fröhlichen Karneval für euch alle! New Orleans hat den Ruf einer Partystadt. Die Geschäfte, Schulen und einige Unternehmen schließen für den Mardi Gras, wenn Tausende von Touristen in die Stadt kommen, um mit Perlen zu werfen, zu trinken, an den Paraden teilzunehmen und sich einfach auszutoben, bevor sie am Aschermittwoch Buße tun. Der Alkohol fließt in Strömen, es wird viel gelacht, die Hemmungen fallen und die Musik dröhnt.

So war es nicht verwunderlich, dass am Abend des 18. März 1919 bis tief in die Nacht und bis in den frühen Morgen hinein Jazzmusik durch die Luft schwebte. Die samtene Nacht schien von der Energie der Trompeten durchdrungen zu sein, doch unter den Noten hallte eine unheimliche Atmosphäre von den Stadtmauern wider.

Ein Mörder terrorisierte die Öffentlichkeit. Er schlich sich in Häuser und ermordete die Opfer mit einem Rasiermesser und einer Axt. In der Nacht des 18. März ertönte in den Tanzsälen und Salons von New Orleans Jazz, um das Monster in Schach zu halten.

In der Nacht des 23. Mai 1918 wurden Joseph und Catherine Maggio brutal überfallen, als sie schliefen. Der Mörder schlitzte ihnen mit einem Rasiermesser die Kehle auf und zerstückelte sie anschließend mit einer Axt. Joseph überlebte den Angriff und starb nur wenige Minuten, nachdem seine Brüder ihn gefunden hatten. Der Mörder war so dreist, dass er sich sogar in der Wohnung des Paares umzog und die blutverschmierten Kleider zurückließ. Das Rasiermesser wurde auf einer benachbarten Wiese gefunden.

Während die Polizei ihre Ermittlungen fortsetzte, schlug der Axtmann erneut zu. Diesmal traf es Harriet Lowe und ihren Liebhaber Louis Besumer am 27. Juni 1918 im hinteren Teil von Louis’ Lebensmittelladen. Besumer wurde mit einer kleinen Axt erschlagen. Lowe wurde bis über ihrem linken Ohr aufgeschlitzt. Beide überlebten.

Das nächste Opfer war die schwangere Anna Schneider, die in der Nacht, als sie im Bett lag. Als sie aufwachte, sah sie eine dunkle Gestalt über sich stehen und wurde dann ins Gesicht geschlagen. Sie überlebte und konnte ein kleines Mädchen zur Welt bringen.

Am 10. August 1918 wurde das Haus der Schwestern Pauline und Mary Bruno getroffen. Die Schwestern erwachten durch ein lautes Geräusch im Zimmer ihres älteren Onkels. Sie eilten hinein und sahen einen dunkelhäutigen, schwergewichtigen Mann, der vom Tatort floh. Ihr Onkel, Joseph Romano, lag mit einem bösen Schlag auf den Kopf da. Die Frauen halfen ihm dabei, zum Krankenwagen zu gehen, aber leider verstarb er zwei Tage später an seinen schweren Kopfverletzungen. Die Polizei fand im Hinterhof eine blutige Axt und stellte fest, dass eine Platte an der Hintertür weggestemmt worden war.

Die Stadt war in Aufruhr. Die Polizei erhielt Berichte über einen Axtmörder, der sich in der Nachbarschaft herumtrieb, und über Äxte, die in den Höfen lagen. Unterdessen gingen die Ermittlungen weiter.

Der Blutdurst des Mörders war noch nicht gestillt. Am 10. März 1919 hörte man Schreie aus dem Haus von Charles Cortimiglia. Der Nachbar auf der anderen Straßenseite eilte herbei und fand eine grausige Szene vor. Rosie Cortimiglia stand in der Tür, blutüberströmt von einer Platzwunde am Kopf, und umklammerte den Körper ihrer kleinen Tochter. Charles lag auf dem Boden und blutete heftig. Das Paar wurde ins Krankenhaus gebracht, wo man bei ihnen Schädelbrüche feststellte. Die Polizei stellte fest, dass die Platte an der Hintertür weggestemmt worden war. Die blutige Axt wurde auf der hinteren Veranda des Hauses gefunden.

Charles und Rosie überlebten. Nachdem Rosie das Bewusstsein wiedererlangt hatte, beschuldigte sie jedoch fälschlicherweise ihre Nachbarn, die Jordanos, des schrecklichen Verbrechens. Eine Anschuldigung, die ihr Mann vehement bestritt. Dennoch wurden die Jordanos verhaftet und festgehalten, bis Rosie einige Zeit später ihre Anschuldigung widerrief.

In der Zwischenzeit fanden die Anschläge weiter statt. Der Axtmann musste ziemlich klein sein, um durch die Löcher zu passen, die er in die Hintertüren meißelte. Wer könnte es gewesen sein?

Am 10. August 1919 wurde der Lebensmittelhändler Steve Boca angegriffen, als er in seinem Haus schlief. Boca wachte auf, als er eine dunkle Gestalt über sich stehen sah, und dann wurde er niedergeschlagen. Als er aufwachte, stolperte er auf die Straße und suchte nach dem Angreifer. Zu diesem Zeitpunkt war er längst verschwunden und Boca hatte eine blutende Kopfwunde. Leider konnte er sich nicht an Einzelheiten zur Identität des Angreifers erinnern.

Am 3. September 1919 wurde ein junges Mädchen namens Sarah Laumann mit einer Axt angegriffen, während sie in ihrem verschlossenen und verriegelten Haus schlief. Als Nachbarn nach der allein lebenden jungen Frau sahen, fanden sie sie bewusstlos auf ihrem Bett liegend, mit einer schweren Kopfverletzung und mehreren fehlenden Zähnen. Obwohl sie eine Gehirnerschütterung erlitt, erholte sie sich. Auf dem Rasen vor dem Haus wurde erneut eine blutige Axt gefunden.

Wieder einmal war New Orleans in einem Zustand der Hysterie. Doch fast zwei Monate lang hörte man nichts mehr vom Axtmann. Der letzte Angriff erfolgte am 27. Oktober 1919, als der Lebensmittelhändler Mike Pepitone erschlagen wurde. In dieser Nacht hörte seine Frau ein Geräusch und kam gerade zur Tür des Schlafzimmers, als ein großer, axtschwingender Mann vom Tatort floh. Pepitone hatte einen Schlag auf den Kopf erhalten und war mit seinem eigenen Blut bedeckt. Der Ermordete ließ seine Frau und seine sechs Kinder zurück. Mrs. Pepitone konnte keine Merkmale des Mörders beschreiben. Es waren die üblichen Spuren hinterlassen worden.

Am 13. März 1919 wurde in den Zeitungen ein Brief veröffentlicht, der angeblich vom Axtmann stammte und in dem es hieß, dass er in der Nacht des 19. März um 15 Minuten nach Mitternacht erneut töten würde. Verschonen würde er aber all die Bewohner von Häusern, in denen eine Jazzband spielte. Nach New-Orleans-Manier veranstalteten alle eine Party. Die Jazzmusiker waren fest gebucht. In ganz New Orleans ertönte Jazzmusik, und in dieser Nacht gab es tatsächlich keine Morde.

Um genau zu sein, werde ich am kommenden Dienstag um 12:15 Uhr (irdische Zeit) über New Orleans hinwegziehen. In meiner unendlichen Barmherzigkeit werde ich euch einen kleinen Vorschlag unterbreiten. Hier ist er: Ich mag Jazzmusik sehr, und ich schwöre bei allen Teufeln in den unteren Regionen, dass jeder Mensch verschont wird, in dessen Haus zur erwähnten Zeit eine Jazzband in vollem Gange ist. Wenn jeder eine Jazzband hat, dann umso besser für euch. Eines ist sicher: Einige von euch, die an diesem Dienstagabend nicht jazzen (wenn es denn welche gibt), werden unter die Räder kommen.

Der Axtmann

Der Axtmörder wurde nie gefasst, und die schrecklichen Verbrechen wurden zu einer Legende, die New Orleans nie vergessen wird.

Black Sabbath

Zwei Finger, um die Welt zu verändern

Die Vorgeschichte des Riff-Meisters Tony Iommi, sein Aufstieg zur Legende und sein Einfluss auf die New Wave of Heavy Metal sind in den Annalen der modernen Gitarrengeschichte gut dokumentiert, und wir wissen, dass wahrscheinlich alles anders gekommen wäre, wenn Tony nicht zwei Fingerkuppen an Mittel- und Ringfinger verloren hätte. Für mich ist das immer noch eine der größten Geschichten überhaupt, dass Tonys Arbeit in einer Metallwerkstatt zu einer Musik geführt hat, die zwar schon in den Kinderschuhen steckte, aber erst hier ihren Durchbruch erlebte. Ich habe schon viel darüber erzählt und gerade heute wird oft und gerne bestritten, dass Black Sabbath die erste Heavy Metal Band war. Es kommt immer auf den Blickwinkel an. Aber grundsätzlich kann man drei oder sogar vier Wellen unterscheiden. Die erste ist der sogenannte Proto-Metal, also all jene, die versuchen, so laut und hart wie möglich zu spielen, aber ohne technischen Fortschritt. Dann haben wir die erste Welle mit Black Sabbath, Deep Purple, Uriah Heep oder Led Zeppelin. Die zweite Welle begann Mitte der 70er Jahre mit Bands wie Judas Priest, Budgie, Rainbow oder Riot, und die dritte Welle schließlich ist das, was wir als NWOBHM kennen. Was wir heute haben, könnte also nichts weniger als eine fünfte Welle sein, aber bisher hat sich noch nichts Wesentliches getan, deshalb sage ich das unter Vorbehalt.

Black Sabbath Boris Karloff
Sicher, es war eine Idee, die aus dem gleichnamigen Boris-Karloff-Film stammte, aber es war eine großartige Idee.
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Egon Brunswik: Die Villa

Er stand auf der heruntergekommenen Plattform seiner Veranda und rauchte, während er in die Nacht hinaus blickte. Sein Blick fing keine noch so geringe Bewegung ein, es war windstill. Und es war spät. Hinter ihm tanzten die Rauchwolken durch die geöffnete Glastür und bauten sich hinter ihm auf, bevor sie sich mit der Nacht verbanden und den Anschein erweckten, als wären sie Teile des Nebels, der hinter den Brombeerbüschen den Fluss bedeckte. Egon Brunswik rauchte gerade in den Nächten zu viel, wenn er gerade aufgeschreckt war, einem neuerlichen Albtraum entkommen und mit einem dünnen Schweißfilm überzogen, den er stets in der kühlen Nachtluft trocknen ließ.

Heute waren es die Mägen im Innern der Erde, die ihm den Schlaf geraubt hatten, grüngelbe Seen voller zersetzender Säure und darin eingetauchtes Fleisch, das sich zappelnd wehrte.

All das musste so bald wie möglich aufhören, auch wenn er mittlerweile einen Umgang mit den nächtlichen surrealen Landschaften seines Unterbewusstseins gefunden hatte. Er brachte ihnen Interesse entgegen. Er bot ihnen an, die Werkstatt ihrer ausufernden Kreativität zu sein, wenn sie ihn nur schlafen ließen, wohlwissend, dass es sich bei seinem Vorschlag um einen Interessenkonflikt handelte. Er durchpflügte die Dunkelheit mit seinen Augen und dachte daran, dass auch dort draußen das Ungewisse lauerte. Er konnte es zwar gerade nicht sehen, aber wenn er hinaus ginge, würde er in einen Mahlstromm stürzen und möglicherwese genau dort landen, wovon er geträumt hatte. Es konnte zu jeder Zeit alles geschehen und sich dann wieder zurückziehen. Träume hinterließen keine sichtbaren Spuren, aber die Welt um ihn herum tat dies um so mehr. Hier gab es so viele Spuren, die sich kreuzten, widersprachen, in ihrer Fülle unbegreiflich waren, dass es jenen, die diese Spuren nicht lesen konnten, so schien, als wären überhaupt keine Spuren vorhanden.

Doch Egon benötigte die Albträume auch. Sie waren seine Verbindung zur Vergangenheit; andere Spuren, die zwar flüchtiger waren als Fußabdrücke, Briefe, Scherben oder andere Hinterlassenschaften, dafür aber die Verbindungen zwischen den Dingen besser demonstrierten.

Und dennoch hatte sein Weg von einer Niederlage zur nächsten geführt. Er stand immer nur da und erfühlte die Atmosphäre, in der sich viele Jahrhunderte kulminierten, wo er doch den Ort untersuchen solte, um durch Beweise einen Ablauf rekonstruieren zu können.

Die Villa hinter ihm ächzte. Dass es sich bei ihr um ein Spukhaus handelte, erleichterte die Sache in vielerlei Hinsicht. Niemand würde ihn freiwillig hier aufsuchen. Die meisten Nachbarn wussten gar nicht, dass sie existierte. Einmal wurde er gefragt, woher er käme und er sagte: “Aus der alten Villa”.

“Ich dachte, die hätte man schon länsgt abgerissen”, war die Antwort, die stellvertretend für andere stand. Und vielleicht hatten sie recht. Es gab keine Villa für sie. Er war der einzige, der sich hier aufhalten konnte, hier in der Vergangenheit, einer ruhigen Zone in den Falten der Zeit. Und die Albträume sagten ihm, wohin er als nächstes gehen musste.

*

So viele Räume, die er sich noch nicht angesehen hatte, weil er keine Zeit dafür erübrigen konnte, in fremnde Vergangenheiten einzudringen, die er nicht selbst zu wählen imstande war. Manchmal war er neugierig auf das, was ihm dort begegnen könnte, meistens kannte er die dunklen und schlammbespritzten Seelenhaine jedoch schon längst und er wollte nicht entdeckt werden. Je länger die Geister nichts von seinem Aufenthalt in diesem gebäude wussten, desto weniger bestand die Gefahr, sich ein neues Versteck suchen zu müssen.

Mit seinen Fingern zeichnete er etwas in den wallenden Zigarettenrauch. Die Worte würden einige Tage dort stehen bleiben, dann langsam verblassen und schließlich im Mauerwerk verschwinden. Da sie nur als Gedächtnisstütze dienten, reichte die Zeit aus. natürlich wusste Egon, dass es fahrlässig war, auch nur Teile seiner Gedanken in den Ziegeln archiviert zu wissen, aber so weit er das durchschauen konnte, legten sich seine Worte anonym zu den anderen, die schon seit Jahrhunderten dort verweilten, und niemand fragte je nach ihrer Herkunft.

Er schrieb: “Es gibt noch einen zweiten Keller. Sieh’ doch bitte mal nach, wohin der führt.”
Vor ihm tanzten die Schwaden, die nicht gebraucht wurden, einen langsamen Walzer, der sich bei genauerem Hinsehen als Ländler entpuppte, er könnte also noch viel mehr schreiben, aber an den Rest konnte er sich auch so erinnern. Den zweiten Keller vergaß er nur deshalb ein jedes Mal, weil er im ersten stets vor dem Weinregal einschlief. Er gestattete sich, die Etiketten auf den unzähligen Flaschen so lange zu studieren, bis ihm die Augen zufielen, denn natürlich wollte er wissen, was er da trank. Was ihn wirklich ermüdete war nicht etwa der Suff, sondern der Werdegang einer jeden Traube, die ihm davon erzählte, was sie aufregendes in den Weinbergen erlebt hatte. das war meist nicht viel, aber einmal hatte ihm gleich eine ganze Flasche von einem heimtückischen Mord an einem geheimnisvollen Mädchen erzählt. Den Wein selbst konnte man nicht mehr trinken, aber er hörte bis zum Morgengrauen zu. Und als er einschlief, blieben seine Albträume aus. Das war der Grund, warum er den Fall, der 25 Jahre zurück lag, nicht lösen konnte.

Am nächsten Tag nahm er die Flasche mit nach oben, rief mit seinem blauen Telefon im Präsidium an und sagte: “Ich habe hier eine Zeugin zu Gast, die vor 25 Jahren einen Mord an einer Iva Kaminski beobachtet hat.”

“Ich notiere mir gerade den Namen. Die Zeugin solltest du allerdings so schnell wie möglich mitbringen; mich wundert, dass du vorher anrufst.”

“Das hat einen Grund”, sagte Brunswik, zögerte aber nicht, Frank, der Forelle auch sogleich besagtes Manko zu schildern: “Das Problem ist, dass es sich bei dieser Zeugin um eine Weinflasche handelt.”

*

“Einst ging die junge Iva durch den Berg, man sah sie vorn und hinten mit Haube, mit Bluse, mit Mieder, mit Rock und Schürze, mit Halsband, ohne Schuhe und Krug. Wo sie nicht war, sah man sie freilich nie.”

Die Trauben sprachen von einer kalten Nacht mit Glitzerfrost auf Gräsern und Gesträuch. Der Mond warf jenes Silber, das er zu viel hatte, gönnerhaft nach unten. Möge sich jemand am Licht gütlich tun, möge sich jemand weniger verirren.

“Sie war dem Bacchus angetraut und hielt’s wohl für einen Spaß, den man macht, um das Dasein unterm Strich erträglicher zu halten. da ist sie eingestellt wie wir, die wir kugelrund aus den Reben drängeln, um nachher schön auszusehen, wenn der ganze Strauch im Abendgolde glänzt.”

Brunswik konnte in seinem Zustand keine Fragen stellen, er konnte weder einhaken, noch sich das Erzählte von vorn beginnen lassen. In der Traubenwelt fühlte er sich wie in Arkadien und schaute die fabelhafte Welt der Trunkenheit bizarrer Gestalten, die nichts anderes im Sinne hatten, als nach Abenteuern und Schäferstunden zu spechten. Er musste auf den richtigen Zeitpunkt warten und die Informationen so ordnen, dass er die gesuchte Stelle wieder fand, wenn er im Diesseits danach suchte. Die Unendlichkeit hinterließ Symbole an ihrer statt, so wie ein Ei den Vogel vermisst, und wenn es ein Vogel ist – das Ei.

Die Weinkönigin spazierte ziellos umher, als suche sie sich bereits ihr Grab, doch einer musste sie schließlich hineinstoßen, sonst wär’ das ganze Spiel ungültig, nichts wert.

Hätte er seine Albträume zur Verfügung gehabt, hätte er das grauselige Schauspiel verfolgen müssen, aber dadurch auch gewusst, wie sich die Tragödie zugetragen. Doch in Arkadien scherten ihn bald nur noch die Knochen Ivas, die zu finden alles war, was er sich wünschen konnte. Fleischlose Stecken. Wer würde ihm glauben, sobald er den Mund auftäte, um zu verkünden, der große Gott Pan selbst sei etwas zu grob zur Weinkönigin gewesen? Ihre Knochen hatten hingegen eifersüchtige Mänaden verschleppt, schick wie Rehlein, aber mörderisch wie Harpyen.

Tatsächlich fand er lediglich ihr Jochbein, es lag abgenagt in einem verlassenen Fuchsbau. Brunswik grübelte noch ein Weilchen, während Frank, die Forelle ihm beim Grübeln zusah, indem er seine Rasur auf der linken Wange fokussierte. Von Pan kam Brunswik sehr schnell ab, denn er erinnerte sich an das Säuseln einer ganz besonderen Traube und stufte den Mord dadurch als eine Tat aus Eifersucht ein.

“Ich mochte die zerronnenen Vetteln sehr gerne, auch wenn sie die Jugend ihrer Zofen zogen, um zumindest einen Teil des aufziehenden Gewitters von ihren Abgründen fern zu halten. Ihre Haut bestand aus kostbarsten Stoffen, die unter der Hand gehandelt wurden, aber zusammengerollt ein eigenes Schloss ergaben. In den Mund nahmen sie nichts weiter als fremden Lebenshauch. Wer sie “Hexen” nannte, bedurfte einer Tracht Prügel im Schnee vor dem Haus, denn die Erde, aus der sie bestanden, wurde von Vulkanen gereinigt. Der Stein ihrer Augen hielt ihre Sippe geschlossen. Sie stifteten die Vogelscheuchen den großen Parks der Stadt; und niemand soll sagen, dass je ein Vogel sich am Saatgut der Weinberge verging. Der es aber doch tat, sah die Fehler im teuflischen Licht.”

Jeder Spuk ein Manifest

Ich weiß nicht, ob es hier begann.
Denke ich darüber nach, gibt es
weder einen Anfang noch ein Ende,
nur die sichere Entropie. Jeder Spuk ist,
für sich genommen, ein Manifest
der Aufzeichnung gewaltiger Gefühlsregungen,
die im Augenblick des äußersten Schreckens
eine unauslöschliche Spur hinterlassen. Aber
auch die Zeugnisse, die nicht der Tragödie
oder dem Grauen entspringen, sind noch vorhanden.
Sie sind nur nicht dazu gedacht,
wahrgenommen zu werden, damit die
schwarzen Blüten selbst besser
zur Geltung kommen. Doch diese Spielart
der Ewigkeit ist nichts
im Vergleich zu jenen Vorkommnissen,
die keine andere Neigung zu haben scheinen,
als die Tore ins Chaos zu bilden – hinaus und hinein.
Diese Tore haben eine ähnliche Funktion wie
das Filtersystem, das unser Bewusstsein
vom Unterbewusstsein trennt. Es ist eine Sache,
über die Möglichkeiten der Materie zu sprechen,
aber es ist etwas völlig anderes, über
die Möglichkeiten des ganzen Universums zu sinnieren.
Möglichkeiten, die nirgendwo anders hinführen als in den Wahnsinn.

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