Im Grunde gibt es zwei popkulturelle Phänomene, die ihren Ursprung in Amerika haben, aber erst in Deutschland so richtig zur Geltung gekommen sind. Es scheint so, als hätten sie den amerikanischen Anstoß gebraucht, aber mehr auch nicht, denn ihr eigentliches Zuhause war hier bei uns. Man könnte natürlich noch ein drittes Phänomen hinzufügen, und das sind die Edgar-Wallace-Filme, die eine Aneignung des englischen Kriminalromans betreffen, aber das ist eine ganz andere Geschichte.
Bei den beiden genannten Phänomenen handelt es sich zum einen um Donald Duck, gezeichnet von Carl Barks und übersetzt von Erika Fuchs, und natürlich um die drei Fragezeichen, um die es heute gehen soll.
Wer den Podcast anhört, dem wird auffallen, dass hier ein Intro eingespielt wird, in dem noch auf den eingestellten Phantastikon-Podcast verwiesen wird. Das wird immer mal wieder der Fall sein, weil tatsächlich über 200 Sendungen teilweise vorproduziert wurden.
Die Kassettenkinder
Es gibt wohl kaum einen Hörer oder Leser, der die drei Fragezeichen nicht kennt. Vor allem die heute schon etwas älteren „Kassettenkinder“ sind den berühmten Hörspielen aus Europa, die seit 1979 ausgestrahlt werden, sehr treu. Natürlich ist es nicht so, dass die Serie nur bei uns bekannt wäre, aber irgendwie scheint es, dass Robert Arthur sie vor allem für uns erfunden hat, aber das wusste er natürlich nicht; und er hätte es auch nie erfahren, denn er starb 1969. Zu diesem Zeitpunkt hatte er 10 Bücher der Serie geschrieben und Dennis Lynds, der unter dem Pseudonym William Arden insgesamt 14 Bände beisteuerte, zwei weitere.
Obwohl Robert Arthur Hunderte von Kurzgeschichten für viele der in den 30er, 40er und 50er Jahren florierenden Pulp-Magazine verfasst hatte, ist er vor allem für seine drei jugendlichen Detektive bekannt.
In den 1940er und frühen 1950er Jahren arbeitete Arthur hauptsächlich für den Rundfunk und schrieb Hunderte von Drehbüchern. Im Jahr 1959 ging er nach Hollywood, um sich als Drehbuchautor für Fernsehsendungen wie „Alfred Hitchcock Presents“ und Boris Karloffs „Thriller“ zu versuchen. Seine Verbindung zu Alfred Hitchcock führte zu einer Zusammenarbeit mit Random House bei den verschiedenen Anthologien mit Kurzgeschichten von Alfred Hitchcock für Erwachsene und Jugendliche, die Arthur herausgab oder als Ghost Editor betreute, und schließlich zur Gründung der Alfred Hitchcock and the Three Investigators Mystery Series.
Die Hardy Boys bekommen Konkurrenz
Seit 1927 gab es vor allem eine Jugendbuchserie, die über allen stand: die Hardy Boys.
In Zusammenarbeit mit dem Verleger Walter Retan von Random House schuf und entwickelte Robert Arthur eine Serie, die in mancher Hinsicht den Hardy Boys ähnelte. Der Unterschied bestand darin, dass die Qualität des Schreibens und der Charakterisierung im Allgemeinen höher war als in den meisten Serienbüchern, unabhängig davon, ob sie für Jugendliche bestimmt waren oder nicht.
Die phänomenale Cover- und Innengestaltung durch Harry Kane und Ed Vebell war ein weiterer entscheidender Faktor für den Erfolg, und es schadete auch nicht, dass der berühmte und hoch angesehene Filmregisseur Alfred Hitchcock in den Büchern eine Rolle spielte. Später, als es mit seiner Gesundheit bergab ging, beauftragte Robert Arthur Dennis Lynds mit der Fortsetzung der Serie. Damit war ein renommierter Krimiautor geboren, der vielleicht am besten unter dem Namen Michael Collins bekannt ist.
Jupiter Jones, Peter Crenshaw und Bob Andrews heißen die drei Detektive im Original, bei uns ist nur Bob Andrews beibehalten worden, aus Jupiter wurde Justus Jonas und aus Peter Crenshaw Peter Shaw. In den Hörspielen wird nur Justus Jonas falsch ausgesprochen. In Wirklichkeit müsste man Tschastes Tschones zu ihm sagen, was natürlich Blödsinn ist.
Arthur hat sich als Bob Andrews in die Serie eingeschrieben, zumindest hat er einige Attribute von sich auf Bob übertragen. Das fängt beim Vornamen an – Robert – und geht mit dem Journalismus weiter. Bob Andrews‘ Vater ist Reporter bei einer Zeitung in Rocky Beach und Arthur hat einen Master in Journalismus. Beide sind dünn und unsportlich.
Fledermausliebhaber
Man darf nicht vergessen, dass Hörspiele, so beliebt sie auch sein mögen, eigentlich immer nur eine Kopie der Bücher sind. Es liegt in der Natur der Sache, dass viel umgeschrieben und weggelassen werden muss. Ein Beispiel dafür ist „Das Gespensterschloss“, das erste Buch der Drei Fragezeichen, das 1964 unter dem Titel „The Secret of Terror Castle“ erschien und bei uns 1968 veröffentlicht wurde. Abgesehen davon, dass es in der Hörspielserie erst an elfter Stelle steht, gibt es im Buch eine Szene, in der Justus und Pete sich nachts zum ersten Mal dem Schloss nähern und plötzlich etwas über ihre Köpfe hinwegfliegt.
Pete duckt sich und schreit, dass es eine Fledermaus sei, und Justus antwortet: „Fledermäuse fressen nur Insekten, niemals Menschen“. Für die Handlung ist das nicht wichtig, aber hier liegt der Schlüssel zur ganzen Serie, denn Robert Arthur hatte eine Vorliebe für Fledermäuse. Die meisten Menschen wussten damals noch nicht, wie wichtig Fledermäuse für das Gleichgewicht eines jeden Ökosystems sind, und Arthur sah es als seine persönliche Mission an, sie aufzuklären.
In dem Haus, das er zehn Jahre lang in Yorktown Heights, New York, bewohnte – ein Haus in den Wäldern am Croton Reservoir – lebte auf dem Dachboden eine große Fledermauskolonie. Arthur nahm seine kleine Tochter regelmäßig tagsüber, wenn die Fledermäuse schliefen, mit nach oben, damit sie sie bewundern und die Zuneigung ihres Vaters für sie teilen konnte. In dem Haus in Yorktown Heights, das aus drei Stockwerken, einem Dachboden und einem Keller bestand, befand sich Arthurs Arbeitszimmer im dritten Stock, und es kam vor, dass die Fledermäuse nachts verwirrt waren und nicht durch die Dachschindeln nach draußen flogen, sondern durch die Tür vom Dachboden hinunter in den dritten Stock. Da Arthur oft nachts arbeitete, pflegte er den Leuten zu sagen, dass es nichts Besseres gäbe, als einen Krimi oder eine Geistergeschichte zu schreiben, während ein paar Fledermäuse gesellig um den Kopf schwirrten.
Sicherlich wäre die Serie auch ohne diesen markanten Ort entstanden, aber vielleicht wäre das Gespensterschloss nicht der erste Fall der drei Detektive geworden.
Harry Kane und Aiga Rasch
Auch für „Die flüsternde Mumie“, den dritten Fall im Original von 1965, ließ sich Arthur von seinem Umfeld inspirieren, hier nämlich von seiner Frau Joan, die von 1935 bis 1940 in Ägypten lebte.
Joan war die Tochter von Louis Vaczek, einem ungarischen Diplomaten, der 1935, als Joan an der McGill University studierte, von Montreal nach Ägypten versetzt wurde. Sie veröffentlichte auch eine Reihe von Kurzgeschichten, die in Ägypten spielen. Als Robert Arthur und Joan Vaczek heirateten, teilte sie mit ihm ihr Interesse an der Ägyptologie.
Ich selbst bin ein Fan der amerikanischen Harry-Kane-Cover (von dem wir noch einige Illustrationen sehen werde, sobald ich die entsprechenden Bücher gelesen habe), aber ich verstehe natürlich, dass diese in unseren Breitengraden wahrscheinlich nicht so gut funktioniert hätten wie die von Aiga Rasch. Heute sind die drei Fragezeichen weit von ihrem Ursprung entfernt, unendlich modernisiert und längst nicht mehr so originell wie in ihren Anfängen. Aber sie funktionieren, vor allem durch die Hörspiele, und sind, quasi eingedeutscht, zu einem festen Bestandteil der deutschen Popkultur geworden.
Entdecke mehr von Die Veranda
Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.