Kult!

Monat: Juli 2022

Colin Dexter: Der letzte Bus nach Woodstock (Inspector Morse #1)

Der 2017 verstorbene Norman Colin Dexter formte einen der beliebtesten und berühmtesten Detektive sehr nach seinem eigenen Vorbild. Auch Dexter war ein Liebhaber englischer Kreuzworträtsel (nicht zu verwechseln mit den unsrigen) mit einem blitzschnellen Verstand, ein von Diabetes geplagter Biertrinker und ein Kenner klassischer Musik. Bis zum Schluss kannten die Leser weder den Vornamen des Autors noch den von Morse. Erst später stellte letzterer sich als Endeavour heraus.

Um sich eine Pause von seinen launischen Kindern zu gönnen, begann Dexter 1972, die ersten Absätze eines Kriminalromans zu notieren. Zunächst war es sein einziges Ziel, sich etwas Zerstreuung zu gönnen. Daraus wurden 13 Romane und die beliebteste britische Fernsehserie aller Zeiten mit John Thaw als Inspektor Morse, die bald ein Prequel und ein Sequel bekam. Der letzte Roman der Morse-Reihe wurde 1999 veröffentlicht und beschließt einen Zeitraum von 25 Jahren. Auf der Liste der besten Detektive aller Zeiten rangiert er auf Platz 7, hinter Sam Spade, aber vor Father Brown.

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Robert Galbraith: Der Ruf des Kuckucks (Cormoran Strike #1)

Der Ruf des Kuckucks
Blanvalet

Als “Der Ruf des Kuckucks” im April 2013 erschien, wurden nur 1500 Exemplare verkauft, was für einen völlig unbekannten Autor dennoch gar kein so schlechtes Ergebnis ist. Als die Sunday Times im Juli des Jahres jedoch verlauten ließ, dass es Hinweise darauf gebe, dass hinter dem neuen Namen Robert Galbraith J. K. Rowling ihr Krimidebüt gegeben hatte, geriet die Welt in einen Kaufrausch und das Buch kletterte ohne Umschweife auf Platz 1 der Amazon-Bestsellerliste.

Natürlich werden da viele Leser, die mit Harry Potter aufgewachsen sind, allein schon aus einer Gewissen Hoffnung auf einen Nostalgie-Effekt zugegriffen haben, auch wenn sie – wie sie schnell bemerkt haben dürften – mit der Krimi-Rowling dann doch nicht besonders warm geworden sind. Das ist keine pure Behauptung; man lese sich nur zum Vergnügen gerne einige negativ bewertete Aussagen zum Buch durch. Da trifft man reihenweise auf enttäuschte Potterheads.

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Zorro (Der mexikanische Robin Hood)

Zorro, “der Fuchs”, wurde 1919 von dem Schriftsteller Johnston McCulley für seine Pulp-Serie “The Curse of Capistrano” erschaffen. Diese ungemein erfolgreiche Geschichte war die erste von 65, in denen der romantische Held im spanischen Reina de Los Angeles in Kalifornien gegen Ungerechtigkeiten aller Art kämpfte.

Zorro

McCulley war ein ehemaliger Zeitungsmann und schrieb von Krimis bis Western alles. Er stellte Zorro am 9. August 1919 in der Zeitschrift Argosy‘s All-Story Weekly vor. The Curse of Capistrano endete nach der fünften wöchentlichen Folge mit der Enthüllung seines Helden. Das gesamte Dorf wusste von da an, dass Zorro Don Diego de la Vega war. Und das Publikum verlangte noch mehr Zorro-Geschichten, nachdem es Douglas Fairbanks Stummfilmadaption gesehen hatte. The Further Adventures of Zorro wurde 1922 veröffentlicht und McCulley schrieb die Zorro-Geschichten bis zu seinem Tod im Jahre 1958.

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Das wahre Motiv / Uta Seeburg

Es steht ohne Zweifel fest, dass das ausgehende neunzehnte Jahrhundert eine Zeit der Innovationen und des Wandels war. Kein Wunder, dass es dort für Autoren aller Art ein Fest der Erzählkunst zu feiern gibt, sobald man seine Figuren und seine Geschichte gefunden hat. Auf Uta Seeburg trifft das zu. Auch ihr zweiter Roman um den “falschen Preußen” Wilhelm von Gryszinski ist ein sprachliches Fest, gleichzeitig vergnüglich, spannend und historisch mit allen bunten Farben versehen, die eine vergangene Epoche lebendig und authentisch erblühen lässt.

Umbrüche – Spurenlese – Bratensemmel

Wenn die Autorin ihr erstes Buch auf die drei Worte “Umbrüche – Spurenlesen – Bratensemmel” eindampft, trifft sie den Kern zwar haargenau, stapelt aber auch etwas tief, denn sie achtet auf jedes Detail, als wäre sie eine Augenzeugin der Zeit und des Ortes, die sie beschreibt. Auch auf “Das wahre Motiv” trifft diese Dreifaltigkeit zu, aber eines wird sofort klar: München war nie lebendiger als in den Geschichten der gebürtigen Berlinerin, die neben Komparatistik auch in Kunstgeschichte promovierte.

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Der Opiummörder / David Morrell

David Morrell hat in seinen drei De Quincey-Romanen den historischen Kriminalroman unendlich bereichert. Nicht nur, dass sie zum besten zählen, was es auf dem Sektor des viktorianischen London zu lesen gibt, es ist auch eine Meisterleistung der Recherche. Vater und Tochter De Quincey werden im Grunde nur von Sherlock Holmes selbst übertroffen, mit dem einen Unterschied, dass es De Quincey wirklich gab.

Mord als große Kunst
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Höllenjazz in New Orleans / Ray Celestin

New Orleans, Mai 1919. Ein mysteriöser Mörder geht um, den man den Axeman nennt. Ähnlich wie im Fall Jack the Ripper gibt es einen Spottbrief, den er an die ansässige Zeitung schickt (beim Ripper war es die Polizei selbst, an die die Briefe adressiert waren), und ähnlich wie Jack the Ripper gab es den Axeman wirklich, auch er wurde nie gefasst, die Morde hörten einfach auf.

Bei seinen brutal verstümmelten Opfern hinterlässt er stets eine Tarotkarte.

Die Ermittlungen werden von drei unterschiedlichen Seiten aufgezogen. Da sind Detective Lieutenant Michael Talbot, der ehemalige Polizist und Mafioso Luca D’Andrea, der frisch aus dem Gefängnis entlassen wurde, und Ida Davis, eine Sekretärin der örtlichen Zweigstelle der Detektei Pinkerton, die unabhängig voneinander die Morde untersuchen.

Ray Celestins Debütroman führt uns zurück in die Zeit, in ein New Orleans nach dem ersten Weltkrieg. Die Erzählung wechselt zwischen den drei Hauptfiguren, die alle einen anderen Ansatz haben, und sie nimmt uns mit, um eine Reihe historischer Verbrechen zu untersuchen. Dabei sehen wir interessanterweise nicht nur drei Möglichkeiten, sich einem Verbrechen zu nähern, wir erleben auch die Stadt aus drei unterschiedlichen Perspektiven, die sich im Laufe der letzten hundert Jahren kaum verändert hat, glaubt man den Stimmen, die sich damit auskennen. Tatsächlich gilt New Orleans als die große Ausnahme unter den Städten dieser Welt, eine regelrechte Besonderheit in jeder Hinsicht, und das sickert aus nahezu jeder Zeile des Romans hervor.

Michael Talbot ist Ire der zweiten Generation, ein Mitglied der Polizei, und er hat es schwer mit seinen Kollegen. Vor einigen Jahren musste er gegen seinen damaligen Chef Luca D’Andrea aussagen, was diesen für fünf Jahre ins berüchtigte Gefängnis “Angola” brachte.

D’Andrea selbst ist ein italienischer Mafioso, der sich innerhalb der Polizei hochgearbeitet hatte. Nach fünf Jahren wieder auf freiem Fuß, ist sein einziger Wunsch nun, in seine Heimat Sizilien zurückzukehren und seine Tage dort zu beenden, wo er hingehört. Doch Carlos Matranga, der Kopf der ansässigen Mafia, hat noch eine letzte Aufgabe für ihn, bevor er ihn gehen lassen wird: die Identität des Axeman zu ermitteln, der bisher ausschließlich italienische Lebensmittelhändler und ihre Familien getötet hat.

Die dritte Erzählung folgt der jungen Ida Davis, die als Sekretärin im örtliche Büro der Pinkertons arbeitet, ein Kompromiss, den sie einging, um ihren Fuß auf die erste Sprosse der Karriereleiter zu setzen, die sie letztendlich zu einer eigenständigen Detektivin machen wird. Ihr Boss, ein fauler Cajun, könnte durchaus in der Hand der Mafia liegen, die man “Die Familie” oder “Die schwarze Hand” nennt. Also muss sie ihre Ermittlungen heimlich und mithilfe ihres jungen Musikerfreundes Louis “Little Lewis” Armstrong durchführen.

In Celestins Wahl der Protagonisten steckt viel von der Persönlichkeit der Stadt selbst: New Orleans war schon immer so etwas wie ein kultureller Schmelztiegel, und die Tatsache, dass nur einer der drei Protagonisten ein echter Orleanese ist, spiegelt dies wider. Celestin schenkt der Stadt große Aufmerksamkeit, so dass sie eine wichtige Rolle in der Erzählung übernimmt, und bemüht sich sehr darum, dass der Leser die Hitze spüren, die Gerüche riechen und die Geräusche hören kann, die diese Stadt so einzigartig machen. Mehr als jeder andere Autor seit James Lee Burke macht Celestin diese Stadt lebendig und versetzt den Leser mitten hinein.

Diese Schmelztiegel-Kultur strotzt vor religiösen, rassischen und politischen Spannungen, und es ist diese Spannung, die den gebrochenen Erzählstil der Handlung bestimmt. Talbot ermittelt, weil es seine Aufgabe ist, dies zu tun; D’Andrea ermittelt wegen der italienischen Verbindung und weil die Schwarze Hand dabei beobachtet werden will, wie sie die Dinge selbst in die Hand nimmt; Ida hat ihrem Chef etwas zu beweisen, möchte aber auch sicherstellen, dass Gerechtigkeit geübt wird und die Verbrechen nicht, wie die in der ganzen Stadt vorherrschende Theorie besagt, bequem dem nächsten Schwarzen in die Schuhe geschoben werden.

Das Rätsel selbst ist ein wenig prosaisch und soll nicht unbedingt vom Leser gelöst werden können. Was “Höllenjazz” lesenswert macht, sind die Figuren, der Schauplatz und die clevere Konstruktion, die dafür sorgt, dass diese drei Ermittlungs-Stränge während der gesamten Romandauer parallel laufen, selten dieselben Hinweise aufgreifen und niemals Informationen von einem zum anderen streuen. Am Ende des Romans ist es interessant zu sehen, wie jeder der Ermittler zum richtigen Schluss kommt, aber die Schönheit des Romans liegt in der Tatsache, dass am Ende die einzige Person, die die ganze Geschichte kennt, der Leser ist, der die Informationen aus den drei verschiedenen Abenteuern zusammenfügt.

Als Liebhaber einer solchen Mischung aus historischen Fakten und Fiktion bin ich etwas spät auf dieses Buch aufmerksam geworden, es erschien nämlich bereits 2018. Die Tatsache, dass New Orleans einer meiner Lieblingsorte auf dem Planeten ist – und die Tatsache, dass Celesetin diesen Ort so hervorragend dargestellt hat, ist schon allein ein Grund, das Buch all jenen zu empfehlen, die etwas mit dem frühen Jazz und dem Schauplatz anzufangen wissen. Eine der interessantesten Figuren ist natürlich Louis Armstrong, dem wir an einem Punkt in seinem Leben begegnen, wo er noch nicht die Sensation des ganzen Südens der USA ist.

In diesem Debüt geht es also vor allem um Charakterzeichnung und die Lebendigkeit eines Ortes. Es ist die punktgenaue Wiedergabe eines einzigartigen Zeitpunkts und eines einzigartigen Ortes auf der Erde, und der Roman hat genug Spannung, um sicherzustellen, dass der Leser während der ganzen Zeit beschäftigt bleibt. Celestin zeichnet sich durch Detailgenauigkeit aus – sowohl in Bezug auf die Geschichte als auch auf den Schauplatz – aber niemals um den Preis, die Geschichte zu vernachlässigen. “Höllenjazz in New Orleans” ist ein ausgezeichneter Erstling, die perfekte Einführung einer hochtalentierten neuen Stimme, die mittlerweile bereits zwei neue Romane vorgelegt hat. Der letzte – “Gangsterswing in New York” – erschien 2020, und da die ganze Reihe mit City Blues Quartett betitelt ist, wird es natürlich noch einen Roman aus dem Topf Stadt – Musik – Verbrechen geben. Und es bleibt vor allem historisch.

Erschienen sind die Bände bei Piper.

Die 20 besten Vampir-Bücher aller Zeiten

Es gibt eine wahre Schwemme an Vampirbüchern da draußen. Um ehrlich zu sein, taugen die meisten nicht viel, auch wenn sie zu Bestsellern wurden. Doch wenn man an das richtige Buch gerät, macht der Vampirmythos wieder Spaß. Wir haben 20 nennenswerte Bücher über  Blutsauger (die manchmal auch Teil einer Serie sind) herausgesucht, die unserer Meinung nach zur Spitze der Vampirliteratur gehören. Auf eine Platzierung wird verzichtet, weil die Zeitspanne der Entstehungsgeschichten zu weit auseinander liegt, um sie sinnvoll gegeneinander abzuwägen. In diesem Sinne ist diese Liste als Aufzählung zu verstehen.

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Stephen King – Der amerikanische Meister

Die Kontroverse um den literarischen Wert von Stephen King muss hier nicht wiederholt werden (obwohl wir dies im Laufe der Besprechungen seiner Werke tun müssen), der Autor hat sich von Anfang an selbst in die Falle manövriert: Wer sein eigenes Werk als das literarische Äquivalent eines Burgers mit Pommes bezeichnet, wird von einem leichtgläubigen Publikum schließlich auch so wahrgenommen. Das Problem an der Sache: Es stimmt nicht. Zwar ist es nicht falsch, King nicht zu mögen oder nicht lesen zu wollen (man pflegt seine Abneigungen, ob begründet oder nicht), aber eine echte Kritik kann nur entstehen, wenn man eine Ahnung hat, wovon man spricht.

Natürlich habe ich immer auch King gelesen, einen Meister der Erzählkunst und in der Tat einen der begabtesten Autoren, die Amerika je hervorgebracht hat. Denis Scheck, einer der wenigen deutschen Kritiker, die nicht von der Ignoranz geblendet werden, hat King einmal den Charles Dickens unserer Zeit genannt. Nun muss man natürlich wissen, dass auch Dickens wegen seiner Popularität angeklagt wurde, was heute niemanden mehr interessiert. Und wie Dickens wird auch King in ein paar hundert Jahren gelesen werden (falls unsere substanzlose Rasse so weit kommt), was auf manche Lieblinge der Gralshüter sicher nicht zutreffen wird, weil sie tatsächlich nichts Ewiges zu verkünden haben.

Stephen King hat oft genug die Geschichte erzählt, wie ein Fan ihn erkannte und sagte: “Du bist Stephen King! Ich liebe all deine Filme!” Anfangs musste King den Leuten noch erklären, dass er Schriftsteller ist und die Filme auf seinen Büchern basieren. Diese kleine Anekdote mag übertrieben klingen, aber sie zeigt die Tendenz, Literatur nicht mehr als solche wahrzunehmen, sondern von vornherein zu entscheiden, ob ein Buch als Vorlage für einen Film geeignet ist oder nicht. Da King der am häufigsten verfilmte Autor überhaupt ist, ergibt sich hier das eigentliche Dilemma. Die überwältigende Mehrheit dieser Filme ist künstlerischer Schrott – und das verweist in der öffentlichen Wahrnehmung auf Stephen King. So schweben Kings Ideen frei im Raum, und weniger begabte Künstler stürzen sich auf seine Stoffe, adaptieren sie und zerstören damit eigentlich ein erstaunliches literarisches Erbe.

Von Anfang an haben Kings düstere Parabeln die Ängste des ausgehenden 20. Als stellvertretender Erzähler in “Der Nebel” erklärt King seine Mission:

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Stephen King Re-Read: The Stand

Das letzte Gefecht (The Stand) war ein Meilenstein für Stephen King, und das nicht nur, weil die Größe und das Gewicht des Buches einem tatsächlichen Meilenstein in nichts nachsteht. Es war das letzte Buch für den Verlag Doubleday und brachte ihm seinen ersten Agenten ein, der Stephen King von einem reichen Autor zu einem sehr, sehr reichen Autor machte. In schreibspezifischer Hinsicht gibt es jedoch einen anderen Punkt, der das letzte Gefecht über alles stellt, was der Autor bis dahin geschrieben hatte: es ist lang. Sehr lang. Und das ist wichtiger als man zunächst annehmen mag.

Nachdem King seinen Roman Shining beendet hatte, dauerte es einen Monat, bis er mit seinem nächsten Buch begann: The House on Value Street. Darin sollte es um die Entführung der Verleger-Tochter Patty Hearst gehen. King war der Meinung, dass diese Entführung nur für einen Romancier Sinn ergeben könnte. Doch nach sechs Wochen Arbeit schaffte er nur ein paar Zeilen. Was aber noch schlimmer ins Gewicht fiel für einen charakterbasierten Schriftsteller wie King: seine Figuren fühlten sich leblos an und aus anderen Büchern entlehnt. So saß er vor seiner toten Schreibmaschine, umgeben von Recherchematerial und dachte an den Dugway-Vorfall von 1968. In diesem Dugway-Areal kam es zu einem Unfall: die Army hatte bei einem Nervengas-Test zufällig 3000 Schafe getötet. Er dachte auch über George R. Stewards Buch Leben ohne Ende nach, in dem eine Pandemie fast die ganze Menschheit auslöscht. Außerdem erinnerte er sich an etwas, das er vor kurzem bei einem christlichen Radiosender gehört hatte: “Einmal in jeder Generation wird die Plage über sie kommen.”

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Das Lorebuch

Jemand trat aus der Wand, und ihm war es nicht anzusehen. Wäre es
nicht möglich, dass die Lichtfelder, die uns beständig umkreisen,
aus den Schalen kleiner Flusskrebse gewonnen werden? Das Inventar
wird zu jeder vollen Stunde geflutet, die verstreuten Symbole
nehmen wir beim Verlassen des Raumes vorsorglich mit uns, der Eintritt
in den Tag ist frei; das Geländer entlang, aufrecht in Etappen –
wenn du auf das Wasser deutest, beruhigt sich nicht nur das Bild
von all den eingezäunten Stränden, auch die Hiebe
gegen den Türstock werden leiser, denn jetzt kann man
durch alle Hindernisse schreiten, für den heimlichen
Besuch haben wir nur Wein eingekauft.

Für wen sind all die Gruben nützlich, von schwarzgrauen Blumen
berankt an der Südseite einer Schneise hangend, barfüßige Gräfinnen
zogen dort ihre nimmermüden Kreise, Ausschau haltend nach den Dingen,
die vom Tal zu ihnen hinaufwehten und in einem Korbgeflecht gesammelt
an die hiesigen Gräser verfüttert werden konnten, solange
die Schlappen im Gartenhaus an der Grenze zum Nichtmehrsein verblieben.
Andersherum wäre das Ärgernis verströmter Nächte untragbar geworden.
Die Lüfte eigneten sich kaum dazu, mit ihnen eine Unterhaltung zu beginnen,
eingesackt und versunken änderten sie ihre Lebensansichten
mit einer Unvorhersehbarkeit und einem Takt, der nicht zu tanzen war.

Wie immer auch die Giraffe in den siebten Stock befördert wurde,
konnten wir nicht erkennen. Von außen erschien das Gebäude wie
aus Regen gezimmert und mit Schiffsplanken verblendet, was allerdings
später geschehen sein musste. Die Zeitfolge versprach uns
eine Beobachtung sonderer Güte, doch als wir ankamen, stolzierten bereits
behütete kleine Zauberer auf dem Boulevard und kein Geld dieser Welt
hätte ausgereicht, die prachtvolle Straße zu überqueren. Die Aussichtspunkte
wurden bewacht von hohen Tonnen, bewaffnet mit je einem Arm
aus der Werkstätte des großen Doktor Faust. Hinter den Türen
standen Mäuse, die sich im Vogelsang übten, und unsere Ohren waren
nicht vorbereitet auf das Gezeter dieser anscheinend so filigranen Entourage.

Die Aufzählung einiger Banalitäten versandete, während
der Druck der imaginierten Leitungen dem ein oder anderen zu Kopf stieg.
Sorglosigkeit hatte es sich mit weiten Ärmeln bequem gemacht
und nur die Verschwiegenheit der Wolken gewährleistete eine Ansicht von oben. Dennoch trieben die Baumstämme in diesem abgenagten Fluss
und erkletterten das Land, sobald man sie brauchte, um einen neuen Wald zu geben.

Es war kein weiteres Gedeck nötig, denn sie wussten, was alle wussten:
Der Tagtraum zog nach Norden, von wo er einst gekommen war. Man erzählte sich, dass der große Abgrund mit seinen erhabenen Metaphern
nicht mehr so schön anzusehen war wie in ihren Kindertagen; eine Vermutung,
die den Anwesenden viel Leid ersparte, aber nicht,
wenn man alles wissen wollte und dazu bereit war, all das zu erwähnen.

Die Lebkuchen gaben ihre angestammte Position auf, verließen
die senkrechte Seite des Hauses und kullerten auf den Steg, an dem
die unförmigen Objekte festgetaut auf Nachzügler warteten. Sollte
der Zeitpunkt gekommen sein, würden sie erneut hier stehen und
Ausschau halten nach dem Glück, einst heimisch in ihren ausgelaugten
Taschen. Es gab ein Gesetz, das Wanderschaft verbot, und wer sich daran
hielt, bekam statt welker Blumen eine neue Disziplin zugeteilt. Die
Körper wurden straff durch fein gemahlenen Marmor, die Rezepte standen
in hölzernen Lettern unter den Dielen, graviert mit ungehöriger Tiefe;
oft fing sich das Wasser darin und versuchte,
noch vor dem Morgengrauen zu entkommen.

Von der Geschichte geht der originelle Trick aus, so zu tun,
als wäre sie nicht das Paradebeispiel des Fiktiven; als Zeuge
ist sie vielleicht hinfällig, ihr Argument liegt jedoch darin,
überall dort aufzutauchen, wo man Doughnuts im Zehnerpack für einige
wenige Groschen ergattern kann. Die Fahrt dorthin wird unterbrochen
durch sanfte Flugangst, die sich mit musikalischer Unterstützung
steigern lässt. Wer die Erfindung der Momente einfriert, wird
wissen, wohin er sich zu wenden hat, wenn das angereicherte
Material zur Debatte steht. Mit einem Verrat kann immer dann
gerechnet werden, wenn sich die Summe aus wenigen Teilen
zusammensetzt, die sich in Nähkästchen verstecken lassen.

Beim Gehen verlor sie einen Schuh, der sich silber glitzernd
von ihrem Fußschiff löste und augenblicklich erhob, um auf
ein gesprenkeltes Hausdach zu schweben. Obwohl ihr Gang jetzt
etwas läppischer war als zuvor, erreichte sie die anvisierte
Kreuzung noch vor der Zeit, die ihr zur Verfügung stand, drehte
sich mehrmals im Kreis und löste sich dann in ihre Bestandteile auf.
Aus geöffneten Fenstern entwichen die Gerüche einiger Kochkünste
und versammelten sich an Ort und Stelle. Der Tumult hatte längst
auch die geheimen Nischen erreicht, ob sie nun überdacht waren oder
nicht. Das Pulver, das daraus entstand, genügte den hier lebenden
Nasen für ein weiteres Jahr ihrer Effizienz. Ihrer Beschleunigung
war es zu verdanken, dass die Kassen gefüllt und das Trapez
mit dicken Schnüren gespannt blieb.

Die Art und Weise wie eine Wand zurückstarrt, sollte in nocturnen
Untersuchungen festgehalten werden. Zunächst mag die Freude
ungetrübt sein, die Wand vor unliebsamen Zusammenkünften schützen;
man gibt sich eifersüchtig, wenn sie sich ihren freien Tag nimmt,
um einmal in der Woche den Tango der Argentinier einzustudieren.
Doch dann beginnt das Unwohlsein wie ein verkannter Spruch tief in
den Eingeweiden zu rumoren. Man möchte sich erheben und einen
Schürhaken schwingen, um der peinlichen Stille gebührend zu begegnen.
Was man dann jedoch zustande bringt, ist kein nennenswerter
Gesichtsausdruck, kein plötzliches Schluchzen oder Innehalten, man
marschiert im Zimmer auf und ab und wirft verstohlene Blicke zur Vitrine.

Wer die Gefahr kommen sieht, kann durchaus noch die Hand ausstrecken,
um das Seil, das zur Glocke führt, zu ziehen. Ein neues Zeitalter
einzuläuten, sagst du, ist der richtige Zeitvertreib nach einer
langen Nacht der Wunder. Doch das Gebirge, das sich nähert, das in all
seinen Formen unnachgiebig danach trachtet, den Schlund zu verstopfen,
wird nicht verstehen, warum deine Hand sich zurückzieht, um im Sumpf
nach Machtmonopolen zu graben. Ein Schritt mag genügen, um über
schönere Exemplare sprechen zu können. Du müsstest nur einmal
da gewesen sein und zugesehen haben, wie das Schiff in schlüpfrigen
Reimen davon sang, gegebenenfalls entkommen zu wollen. Die Melodie
einzelner Takte verkommt auch hier zu einer reinen Schneelandschaft.

Meine Bitte war noch nicht zugestellt, als du die Dinge auf den Tisch
legtest. Für heute waren wir fertig und zeigten uns gegenseitig das
freudige Gefühl, das, gestaffelt, vor aller Augen einen glamourösen
Morgen band, der gar nicht so kalt war, wie wir es besprochen hatten.
Es stellte sich die Frage, was zu tun sei, wenn all das – diese
mikroskopischen Sinne und Fürsprachen – nicht mehr dort zu finden
wären, wo wir sie vermuteten. Gab es diesen latenten Kreis wirklich?
Oder waren wir alle nur Teufel, gefangen in einem nervösen Rinnsal,
das von aufgespannten Schuhen tropfte? Die Löcher waren bereits
groß genug, um nichts mehr damit anfangen zu können. Es waren
großartige Bilder, die hinter uns standen, aber ihre Sprache
war neunmalklug, also ließen wir das Ganze einfach sein.

Als lebten wir in der Spirale mörderischer Weihen, als tauchte
neues Leben in die blinden Statuetten, ausgefranst und mütterlich treu.
Es käme auf den Versuch an, hinwegzutauchen, das Gras in seiner vollen
Pracht auf den nächsten Sommer zu vertrösten, nur um zu erkennen,
dass wir keine Rösser sind. Der Sternentrunk am Mittag, in ausgespülten
Kelchen treibt eine neue Form der Reinheit ein Spiel mit unserer
Wohlgefälligkeit. Das Biest steht stramm, nichts welkt in einer leeren
Brust, erfindet stattdessen fremde Existenzen in rohen Augenblicken.
Die Klänge wandern den Flur entlang, hinter uns her schleifen
die Brocken abgehackter Stunden, denn sie wissen von unserem Schwur,
zu verweilen.

Was ich auf der Straße sehe, sind durchgehangene Tauben. Im Licht
eines unbekannten Spektrums leuchten sie, vom Knick ihrer Rollen
ausgehend, wie ein Diamant, der im rauschenden Wasserfall eines
Sauerbrunnens gefertigt, das Tarotbäumchen zur Demut zwingt. Ein
gelbes Fieber wandelt, durch unzählige Manöver geortet, über die
Schwierigkeiten einer losgelösten Schienenbahn, einst der stolze
Besitz immenser Beschleunigung. Das Entsetzen teilt Wege, aber an
oberster Stelle darf der Kronzeuge nicht fehlen, darf er kein Wort
von dem verlautet lassen, was wir hier wagen zu besprechen. Es
könnte sein, dass sonst die Stimmungen siegen und die feine Natur
der Atempausen chronisch abwinken. Wir können das nicht wollen.

Tarzan (Der Affenmensch)

Edgar Rice Burroughs’ “Tarzan of the Apes” erschien zuerst im All Story Magazine und wurde 1914 als Buch veröffentlicht, das sofort die Bestsellerlisten anführte. Für Ray Bradbury war es eines der besten Bücher, die er kannte.

Wir sind alle nur Tiere

Tarzan of the Apes
Gold Key Comics 1966

In den folgenden Jahren forderten die Leser etwa fünfundzwanzig Fortsetzungen von Burroughs. Die Statistiken sind erstaunlich: Bis 1970 gab es zum Beispiel mehr als sechsunddreißig Millionen Tarzan-Bücher in einunddreißig Sprachen; außerdem gab es mehr als fünfzig Tarzan-Filme (von den unzähligen Samstagsmatineen, in denen Johnny Weissmuller seinen berühmten Tarzan-Schrei ausgab, bis hin zu den jüngsten Inkarnationen wie “Greystoke” und “Legend of Tarzan”). Der Gelehrte Russel Nye hörte sich in der gesamten amerikanischen Kultur um und kam zu dem Schluss: “Tarzan bleibt die größte populäre Schöpfung aller Zeiten.” Die Strahlkraft mag in Europa nicht ganz so bedeutend sein (man träumt auf dem alten Kontinent anders), und dennoch bleibt Tarzan auch hier ein Phänomen.

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