Kult!

Monat: Januar 2025 (Seite 2 von 3)

The Tigress of Cachtice

German

In the evening light, the vaguely recognizable building curved into the distance. The foggy estate itself was lost in the nothingness of the Carpathian Mountains. The horizon was dominated by a looming, ponderous mass of indeterminate shapes, barely penetrated by a futile sun. Millions of years old, the mountains bit into the soft, pale flesh of the sky, forming a lump of concentrated malevolence.

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Vichtel

Der Gesang der Vögel ist die klandestine Musik des Waldes,
Der mit seinen Silberbächen einen Grundzauber entfacht,
Über den die Stimmen wachen. Fortgeschrittene Lockungen,
Seit Ewigkeiten wartend, gedulden sich noch ein Weilchen,
Bis einst ein Wanderer des Weges schreitet und
Wahrnimmt, was ihm offenbart. Es ist kein Leichtes,
Die Geheimnisse zu lesen, wenn die Gedanken nicht an Ort und
Stelle weilen, wenn sie an die verlassene Welt sich klammern,
Die wie ein Feind den Rattengürtel enger zieht,
Zum Todesbiss den Rachen aufsperrt und umwälzt,
Was seit Tausend Jahren die Schönheit bewacht.
Wir werden verloren sein im Schmutz, der uns umgibt,
Wenn auch die letzten Sagen sich als falsch erweisen.

Kein Kontakt

Die Zeit wird knapp, in aller Welt werden Bunker geschaufelt. Was aber hat das zu bedeuten? Der Brei der Massen vegetiert in aller Dummheit vor sich hin. Nie war die Welt uninformierter wie jetzt, was selbstverständlich ein Paradox ist, das wir uns selbst zuzuschreiben haben. Ich selbst bin mir noch nicht einig mit mir selbst, was ich von alldem zu halten habe. Natürlich ist es mir ein striktes Anliegen, keine persönlichen Kontakte zu pflegen. Keine. Gar keine. Die Gesellschaft in ihrem Primatendasein stört mich. Aber sie weiß nichts von mir, und das ist ein Segen. Dennoch suche ich die Anderen, und ich höre ihnen zu, so weit sie auch entfernt sein mögen (und sie sind tatsächlich weit entfernt). Aber wir werden uns nie begegnen, so wie ich den Toten nie begegnen werde, deren Bücher ich lese. Nun, ich lese auch manche, die noch am Leben sind, aber nur, um mich mit den Toten über sie zu unterhalten. Sie finden das witzig, wie ich selbst. Aus einer selbstgewählten Isolation heraus darf man hingreifen, wohin man möchte. Alles ist Zeichen, die Werte unterschiedlich. Weder oben noch unten.

No Contact

Time is running out, bunkers are being dug all over the world. But what does it mean? The masses are vegetating in stupidity. The world has never been as uninformed as it is now, which is of course a paradox that we have only ourselves to blame. I myself am not yet sure what to make of all this. Of course, I’m very careful not to cultivate any personal contacts. None. None at all. Society in its primacy bothers me. But it knows nothing about me, and that is a blessing. Nevertheless, I look for others and I listen to them, however far away they may be (and they are indeed far away). But we will never meet, just as I will never meet the dead whose books I read. Well, I read some who are still alive, but only to talk about them with the dead. They find it funny, as I do. From a self-imposed isolation you can go wherever you want. Everything is a sign, the values are different. Neither above nor below.

Kurzformen. Babylon, Borges, Buenos Aires / Ricardo Piglia

Ricardo Piglias Essay „Kurzformen. Babylon, Borges, Buenos Aires“ – im Original Formas Breves -, ist ein Schlüsseltext, der die Kraft und den Reiz der Kurzform in der Literatur untersucht. Piglia, einer der bedeutendsten Schriftsteller der lateinamerikanischen Literatur, beherrscht die Kunst, komplexe Gefühle und Botschaften auf engstem Raum zu verdichten. Seine Analyse konzentriert sich auf die literarischen Techniken, die in Kurzgeschichten, Mikrogeschichten und Essays zum Einsatz kommen, und zeigt, wie diese Formen ein reichhaltiges und tiefgründiges literarisches Werk ermöglichen.

Kurzformen in der Literatur sind ein wirkungsvolles Mittel, um auf knappem Raum intensive emotionale und intellektuelle Eindrücke zu erzeugen. Piglia sieht in diesen Formen nicht nur ein Instrument der Verdichtung, sondern auch ein Medium, um komplexe Themen wie Identität, Erinnerung und Politik zu erforschen. Seine Kurzgeschichten und Essays bieten dem Leser literarische und kulturelle Bezüge, die trotz ihrer Tiefe zugänglich und spannungsgeladen bleiben.

Piglia argumentiert, dass große Kurzgeschichten immer zwei Geschichten enthalten: eine sichtbare und eine verborgene, die erst durch die Interpretation des Lesers zum Vorschein kommt. Diese narrative Struktur macht die Kurzgeschichte zu einem idealen Medium, um dichte Bedeutungsschichten zu erzeugen, wie es auch Jorge Luis Borges meisterhaft demonstriert hat.

Dabei handelt es sich bei der Theorie der “zwei Geschichten” um ein zentrales Konzept, um die narrative Struktur zu beschrieben, bei der zwei Geschichten gleichzeitig erzählt werden:

a. Die sichtbare Geschichte

Die erste Geschichte liegt an der Oberfläche der Erzählung. Sie ist direkt wahrnehmbar, weil sie explizit erzählt wird. Diese sichtbare Geschichte dient oft als eine Art Rahmen oder Kulisse, die den Leser in die Erzählung hineinzieht. Sie ist in der Regel einfach, handlungsorientiert und leicht verständlich.

Beispiel: In einer klassischen Detektivgeschichte könnte die sichtbare Geschichte die Suche eines Detektivs nach dem Täter sein. Sie gibt der Erzählung eine klare Struktur und vermittelt einen offensichtlichen Handlungsverlauf.

b. Die verdeckte Geschichte

Die zweite Geschichte ist subtiler und liegt unter der Oberfläche. Sie wird nicht direkt erzählt, sondern entsteht durch Anspielungen, Symbole und Leerstellen im Text. Diese verborgene Geschichte erfordert die aktive Beteiligung des Lesers, der die verschiedenen Hinweise zusammensetzen muss, um die tiefere Bedeutung oder den subversiven Inhalt der Erzählung zu entschlüsseln.

Beispiel: In derselben Detektivgeschichte könnte die versteckte Geschichte Fragen über Gerechtigkeit, Macht oder die subjektive Natur der Wahrheit aufwerfen. Während der Ermittler den Fall löst, könnte die Erzählung gleichzeitig die gesellschaftlichen Strukturen kritisieren, die solche Verbrechen ermöglichen.

c. Das Zusammenspiel der beiden Geschichten

Piglia argumentiert, dass große Kurzgeschichten von diesem Spannungsverhältnis zwischen sichtbarer und verborgener Geschichte leben. Die sichtbare Geschichte erfüllt eine funktionale Rolle: Sie sorgt für den äußeren Fluss der Handlung und macht die Geschichte für den Leser greifbar. Die verborgene Geschichte hingegen öffnet den Raum für Interpretationen und spiegelt tiefere Themen oder Botschaften wider.

Dieses Konzept lässt sich gut in den Werken von Jorge Luis Borges nachvollziehen. Ein Beispiel ist die Erzählung Das Haus des Asterion (La casa de Asterión), die auf den ersten Blick die Geschichte eines einsamen Wesens erzählt, das durch ein Labyrinth irrt. Erst am Ende wird enthüllt, dass es sich um den Minotaurus handelt – und damit entfaltet sich die verborgene Geschichte, die philosophische Fragen über Isolation, Opferbereitschaft und die Perspektive von Monstern aufwirft.

Borges als Prototyp der Kurzformen

Jorge Luis Borges nimmt in Piglias Essays eine zentrale Stellung ein, denn für Piglia ist er ein Pionier der literarischen Verdichtung, der mit minimalistischen Mitteln universelle Themen wie Unendlichkeit, Zeit und Wissen verhandelt. Werke wie Die Bibliothek von Babel oder Das Aleph sind hierfür Paradebeispiele für Kurzformen, die auf engstem Raum eine immense Bedeutungsfülle entfalten. Die Verbindung von Piglia und Borges ist in Piglias Werken überhaupt ziemlich prominent, was unter anderem auch an Buenos Aires liegt, jene Stadt also, die für Piglia selbst eine wichtige Inspirationsquelle darstellt. Die urbane Komplexität und kulturelle Hybridität der Stadt ist für beide Autoren ein Ort, an der das Lokale und das Universelle miteinander verschmelzen wie in Europa eventuell Paris.

Buenos Aires und die literarische Tradition

Die Stadt Buenos Aires wird von Piglia folgerichtig als literarischer Schmelztiegel und als Metapher für die Erzählkunst selbst beschrieben. Buenos Aires ist für ihn eine Art modernes Babylon, in dem Geschichten, Sprachen und Kulturen aufeinanderprallen und neue Erzählformen hervorbringen. In diesem Zusammenhang hebt Piglia an verschiedenen Stellen die Werke exzentrischer Autoren wie Roberto Arlt und Macedonio Fernández hervor, und sogar den polnische Schriftsteller Witold Gombrowicz, deren unkonventionelle Texte die literarische Landschaft Argentiniens geprägt haben.

Piglia geht es aber nicht nur um Borges oder andere Dichter, sondern um die grundlegenden Strukturen und Funktionen der Literatur. Seine Analysen zeigen eine tiefe Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der kurzen Form, die er als eine Art „Mikroskop der Literatur“ betrachtet: Sie fokussiert die Essenz von Geschichten, destilliert Bedeutungen und schafft Raum für Reflexion.

Seine Fähigkeit, eine Vielzahl von Themen auf wenigen Seiten zu verdichten, ist ein Kennzeichen seines Stils. Seine Kurzformen laden den Leser ein, die Lücken selbst zu füllen, Bedeutungen zu entschlüsseln und Zusammenhänge herzustellen. Dabei setzt Piglia stets auf einen intertextuellen Ansatz, in dem seine Texte auf ein weites Netz literarischer und kultureller Bezüge zurückgreifen.

Die deutsche Ausgabe von Formas Breves, übersetzt von Elke Wehr, erschien im Jahr 2006 bei Berenberg.

Crimson Lake / Candice Fox

Ted Conkaffey war ein angesehener Polizist, bis sein Leben plötzlich und unwiderruflich aus den Fugen geriet. Er wurde fälschlicherweise des abscheulichen Verbrechens beschuldigt, ein 13-jähriges Mädchen entführt, vergewaltigt und beinahe getötet zu haben. Obwohl es keine handfesten Beweise gegen ihn gibt, sprechen die Umstände eine so deutliche Sprache, dass die Öffentlichkeit und die Medien ihn längst verurteilt haben. Seine Ehe ist zerbrochen, er darf seine Tochter nicht mehr sehen und sein Ruf ist für immer ruiniert. Voller Verzweiflung flieht Ted in die Abgeschiedenheit von Crimson Lake, einer tropischen Oase nahe Cairns im Norden Australiens, um dort irgendwie ein neues Leben zu beginnen.

Aber auch hier bleibt Ted nicht unentdeckt. Die feuchtheiße Luft, das Knurren der Krokodile und die dichten Wälder mögen ihn vor neugierigen Blicken verbergen, doch die Realität holt ihn schnell ein. Eine Reporterin wittert eine Sensationsstory, zwei korrupte Polizisten hoffen, ihn auf frischer Tat zu ertappen, und die Bürgerwehr von Crimson Lake macht unmissverständlich klar, dass Ted hier nicht willkommen ist.

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Im Café der verlorenen Jugend / Patrick Modiano

In Modianos Roman aus dem Jahr 2007 schwebt eine rätselhafte junge Frau namens Jaqueline durch den Text, die von den meisten nur “Louki” genannt wird. Als wir ihr zum ersten Mal begegnen, heißt es, an ihr sei nichts Gewöhnliches. Tatsächlich geistert sie durch die Erzählung wie ein Geist oder eine missgebildete Präsenz, die darauf wartet, in die Handlung einzugreifen, aber aus irgendeinem Grund nicht in der Lage ist, die anderen Figuren voll in die Handlung einzubeziehen.

Aber das zentrale Thema des Romans ist nicht wirklich Louki und ihre Beziehung zu den verschiedenen Erzählern, sondern das Konzept der “Fixpunkte” bzw. das Fehlen solcher Fixpunkte in ihrem Leben. Fixpunkte halten uns in unserer jeweiligen Realität fest, aber wie Patrick Modiano in seinem gesamten Werk gezeigt hat, werden im Nachkriegsmilieu alle Bezugspunkte verdächtig, vor allem jene, die wir in der Erinnerung verorten. So wird das Leben seiner Figuren immer wieder neu durchdacht und im Geflecht seiner Erzählungen neu fixiert.

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Borges out of print

Mit einigen Schrecken habe ich festgestellt, dass die Werke von Jorge Luis Borges, also mitunter die wichtigsten Bücher, die die Menschheit besitzt, weder bei Hanser (Hardcover) noch bei Fischer (Taschenbücher) weiterhin erhältlich sind. Das wäre weiter nicht schlimm, wenn es nicht selbst unmöglich wäre, diese Bücher – bis auf einzeln verstreute – antiquarisch zu erwerben. Das ist eines der beängstigendsten Dinge der letzten Jahre. Sicher, wir befinden uns seit vielen Jahren im kulturellen Verfall, allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass es bereits auf eine Vernichtung des Denkens hinausläuft.

Der kreischende Wald

Stellt euch vor, ihr betretet einen Wald, in dem unheimliche Schreie und Flüstern so alltäglich sind wie das Rauschen der Blätter. Willkommen in den Screaming Woods, einem Wald in Pluckley, Kent, der oft als das spukigste Dorf Großbritanniens bezeichnet wird. Dieses Waldgebiet war bereits Gegenstand zahlreicher Untersuchungen, die alle darauf abzielten, das Geheimnis der unheimlichen Geräusche zu lüften, die dem Wald seinen Namen gegeben haben.

Pluckley selbst hat eine lange Geschichte von Spuk und übernatürlichen Aktivitäten. Vom Geistermönch bis zur Roten Dame sollen viele Geister im Dorf ihr Unwesen treiben, aber die Screaming Woods haben ihren ganz eigenen Ruf. Legenden erzählen von Reisenden, die sich in dem labyrinthartigen Wald verirrten und schließlich ein grausames Schicksal erlitten. Nun sollen sie durch den Wald irren und ihre verzweifelten Schreie durch die Bäume hallen.

Liste der Soukphänomene
Liste der Spuk-Phänomene um Pluckley
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Das Lied der Krähen / Leigh Bardugo

Heist Fantasy ist relativ selten. Und wenn man es mit ihr zu tun bekommt, dann fällt einem als erstes Locke Lamora ein, die kongeniale Diebesschöpfung von Scott Lynch. Aber auch Artemis Fowl gehört dazu.

Tatsächlich kann „Das Lied der Krähen“ die lange Wartezeit (wahrscheinlich nie!) auf den nächsten Teil des Gentlemen-Ganoven überbrücken. Und bei aller Ähnlichkeit: Leigh Bardugo hat keineswegs abgeschrieben. Angesprochen auf die Ähnlichkeit mit Locke Lamora gab sie an, Scott Lynch erst nach der Fertigstellung ihrer „Crows“ gelesen zu haben. Das ist möglich, und wir wollen ihr glauben, vor allem, weil ihr Erfolg gar nicht davon abhing. Den hatte sie bereits mit ihrer „Grisha-Trilogie“, und in dieser Welt sind auch die beiden bisher erschienenen „Krähen-Bücher“ angesiedelt. Auch ist Kaz Bregger ein weniger sympathischer Zeitgenosse als Locke. Mehr noch als zu Lynch führen die Spuren wohl zu Ocean‘s Eleven, wobei es bei Bardugo „nur“ sechs sind, die sich für eine unmögliche Aufgabe zusammenschließen. Laut eigener Aussage kam ihr die Idee zu ihrem Roman, als sie in Los Angeles eine Plakatwand sah, die für den Film “Monuments Men” warb. George Clooney war darauf zu sehen, aber Bardugo erinnerte sich sofort an Ocean’s Eleven und hatte von da an nur noch ihre Fantasy-Heist-Story im Kopf.

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Der Hexham-Fluch

Die Geschichte der Hexham Heads ist eine Mischung aus archäologischem Rätsel, unheimlicher Folklore und persönlichen Erlebnissen, die die Menschen bis heute nicht vergessen haben. Seit ihrer Entdeckung im Jahr 1971 sorgen die beiden Steinköpfe nicht nur für wissenschaftliche Diskussionen, sondern auch für andauernde Spekulationen. Was als spielerische Ausgrabung zweier Kinder begann, entwickelte sich zu einem Rätsel, das Fragen aufwirft: Sind die Köpfe Relikte einer längst vergangenen Kultur und sogar Träger dunkler Energien?

Colin und Leslie; © Image Credit: The Urban Pre-Historian
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Bis in alle Endlichkeit / Jonathan Moore (als James Kestrel)

Bis in alle Endlichkeit

2022 gewann der Rechtsanwalt und Schriftsteller Jonathan Moore für seinen Roman “Five Decembers” (Fünf Winter”) den Edgar Award. Ja, er gewann auch den deutschen Krimipreis (International), von dem ich aber bis heute nicht weiß, was ich davon zu halten habe. Manchmal benötigt man zwei Leben, um seine literarischen Arbeiten unterzubringen, also haben wir es hier erneut mit James Kestrel zu tun (unter Moore haben wir leider bisher nur “Poison Artist” in Übersetzung vorliegen).

Der Privatdetektiv Leland Crowe lebt undercover in einem heruntergekommenen Hotel in San Franciscos Tenderloin. Eigentlich sammelt er Informationen über einen Kartellzeugen, als er eines Morgens Zeuge eines seltsamen Anblicks wird: Ein stark beschädigter Rolls Royce Wraith steht vor den Refugio Apartments, das Dach zerschmettert von der Leiche einer jungen, blonden Frau im schwarzen Cocktailkleid. Crowe macht ein paar Fotos und verkauft eines an ein Magazin. Die Tote wird als Claire Gravesend identifiziert, Tochter der einflussreichen und gefürchteten Olivia Gravesend. Während die Polizei von Selbstmord ausgeht, glaubt Olivia nicht an diese Erklärung und beauftragt Crowe, die Wahrheit herauszufinden.

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Das verlorene Land Lyonesse

Das verlorene Land Lyonesse wird in der britischen und kornischen Folklore häufig erwähnt. Es steht in einer Reihe mit anderen geheimnisvollen Orten wie Camelot und Avalon in den Legenden um König Artus.

Der Legende nach lag Lyonesse einst zwischen der Küste von Cornwall und den Scillies. Im 16. Jahrhundert befragte ein Antiquar namens William Camden viele Bewohner Cornwalls nach ihrem Volksglauben. Sie erwähnten oft die “Stadt der Löwen” und erzählten, dass sie manchmal die “Geisterglocken” läuten hörten. Nur ein Mann namens Trevelyan soll dem Untergang von Lyonesse auf einem Schimmel entkommen sein.

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Die Zeugen / Jaime Begazo

Auch wenn oft behauptet wird, Jorge Luis Borges sei ein Meister der Irreführung gewesen, verhält es sich vielmehr so, dass er seine Leser doch eher davon überzeugte, dass es keinen Unterschied zwischen “Realität” und Fiktion gibt. Dazu musste er nicht auf das Werkzeug einschlägiger Philosophen zurückgreifen; er begriff die bedeutende Rolle, die Sprache bei der Schaffung von Realität spielt und entwickelte das, was später die postanalytische Sprachwissenschaft dankbar aufnehmen sollte, durch sein literarischen Spiel.

Jorge Luis Borges wird völlig zurecht als der Inbegriff der Literatur gesehen. Damit löste er einst Kafka ab, wenn auch in gänzlich anderer Weise. Es ist für jeden an der Literatur interessierten wichtig, ihn so früh wie möglich zu studieren, aber nicht zu früh, weil eine gewisse Lebens- und Leseerfahrung vonnöten ist, dem großen Mann durch seine hermetischen Labyrinthe folgen zu können.

Spricht man über Borges, dann spricht man zu Eingeweihten, zu jenen, die einem geistigen Adel angehören, oder einer Gruppe von Intellektuellen, die den Templern ähnelt, man spricht über ein Geheimnis, in dessen Mitte unweigerlich Borges thront. Ähnlich verhält es sich damit, das Buch “Die Zeugen” von Jaime Begazo zu lesen, der im Grunde – auch wenn er seine eigene findige kleine Erzählung präsentiert – damit nichts anderes tut, als eine letzte Geschichte Borges’ zu Papier zu bringen, oder zumindest ein Geflecht vorzulegen, das auf das Literaturverständnis des großen Mannes rekurriert, inklusive des äußerst präzisen Stils.

In Borges’ Erzählung Emma Zunz taucht einmal kurz der Name Milton Sills auf, ein Schauspieler der Stummfilmzeit, der – außer der Erwähnung einer Daguerreotypie mit seinem Konterfei – keine andere Rolle spielt, als Inventar der Geschichte zu sein. Jaime Begazo stellt sich allerdings in diesem kleinen Kabinettstückchen ganz berechtigt die Frage, was es mit dieser Erwähnung auf sich hat, ausgehend von dem Wissen, dass bei Borges kein einziges Wort jemals bedeutungslos ist. Der Erzähler berichtet uns von seinem Besuch in Genf, wo er Borges 1986, kurz vor seinem Tod, die Frage nach Stills stellen kann. Und der große alte Mann erzählt die “wahre” Geschichte, die sich hinter Emma Zunz verbirgt. Das heißt, er betont die “Realität” dieser Geschichte. Wäre das, was Borges dem Erzähler berichtet, wahr, könnte das alles, was man über Borges weiß, ins Wanken bringen.

Die Sünden der Väter / Lawrence Block

Eine der wichtigsten Konstanten in Lawrence Blocks mehr als 30-jähriger Schriftstellerkarriere, die mehr als 50 Romane und zahlreiche Auszeichnungen – darunter den renommierten Grand Master of Mystery Writers of America – umfasst, ist der Privatdetektiv Matthew Scudder, der erstmals 1976 in “Die Sünden der Väter” auftaucht. Damit ist Scudder eine der beständigsten Schöpfungen Blocks und des gesamten Krimigenres. Als ehemaliger New Yorker Polizist, der zeitlebens mit Alkoholismus zu kämpfen hatte, tauchte Scudder bisher in 17 Romanen und einigen Kurzgeschichten auf.

Schon früher beschrieb er die Abgründe, in die junge Erwachsene Anfang der sechziger Jahre gerieten. Es ist eine Welt der Drogen, der Prostitution, der Verkommenheit und der blutigen Wohnungen.

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