Die Straße in den Schlund

Bevor ich mich heute niedersetzen konnte, um das Typoskript weiterzutreiben, tingelten wir über den Markt und in die hier durchaus zu findenden skurrilen Läden hinein, die an Nippes überreich, auch ausgesprochene Gourmetesken zu bieten haben. So zu nennen das Spezialhaus für Kaffee – Weber, in dem es galt, mir 100g frischen Guatemala aus dem Sack zu besorgen.

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Das Haar ist die Schere

Das Wasser ist der Seelenreiz, sein Fließen ist Gesetz. In den Tümpeln wartet das Wasser darauf, fließen zu können. Wer aber befreit es? Wer aber wäscht sich rein im stehen? Wer aber sieht das Wasser hinunter stürmen durch alle Schichten Gaias – Quarz und Feldspäte, da ich ihm folge wie ein Gedanke nur dem Magnesium folgt, der Aura also des Dings, das sendet, der klare Gedanke ist dann das Ding selbst, und nicht ich denke es sondern wir bedenken uns gegenseitig, der Stein, der mich sieht, das Wasser, das mich fließt, das Barbieren mit der Schere, das Haar ist die Schere

Balzacs Kaffee

„Sie müssen nicht so viel Kaffee trinken, Sie sind doch kein Balzac, der jeden Tag dreißig Tassen trank“, sagte er und ich wunderte mich.

„Sie lesen Balzac?“

„Nein, ich kenne ihn nur vom Hörensagen“, sagte er. „Ist es deshalb? „

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Ab Werk

Ferlingale hatte angeordnet, dass man alle Aufzeichnungen, die er jemals gemacht hatte, nach seinem Tode zu verbrennen habe. Die Poesie sollte nur sein Leben sein, darüber hinaus war sie nichts. Die Eitelkeit des Dichters reichte nicht aus, sich gefleddert zu wissen und bereits jetzt die Zukunft ob seines Namens zu lieben.

In der Totalen erinnert dieses Vorgehen an Kafka, in der Halbtotalen an Nabokovs Versuch, die Karteikarten zu Das Modell für Laura nicht erscheinen zu lassen. Das sind keine Einzelfälle – auch von Boccaccio wissen wir, dass er nach einer Krise selbst Hand an seine Arbeit legen wollte. Es mag eine Gerechtigkeit geben, die sich den literarischen Außenseitern annimmt, die ein Werk über einen gewissen Zeitraum, der zugegeben sehr lange währen kann, auf die Vorsprünge des Olymp legt. Es mag die Lesequalität ändern oder der verstaubte Text in die Hände eines Apologeten fallen, der eine Schlüsselrolle bekleidet. Wir kennen nur die glimpflichen Fälle (auch der Anton Reiser gehört dazu) und seufzen bei dem Gedanken, was uns verloren gegangen wäre, wenn die Katastrophe der Vergessenheit sich nicht dazu entschlossen hätte, eine kleine Lücke offen zu lassen. Für jene, die aufmerksam sind.

Mangel an klarem Weg

Sein Sie mir so gut und rächen mich. Sein Sie mir so gut und führen mich zu Ende. Oder aber, Sie tun so, als hätten Sie mich nicht gekannt. Mein Leben könnte ja entschieden nicht von mir gelebt worden sein. Und das entstandene Vakuum könnte etwas auslösen, das gar nicht absehbar ist, ich als gefallener Baustein des Universums. Und vor allem: wer sind Sie? Nach allen Mustern, die ich mir ansehen konnte, dürfte es Sie noch nicht geben. Gäbe es Sie, würde ich Sie nicht bemerken, noch weniger würde ich aber Ihnen auffallen, zu verwirrend sind meine Spuren. Mangel an klarem Weg.

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Andrè Breton

Breton in einigen wenigen Sätzen zu grundieren, ist ein unmögliches Unterfangen. Ob man ihn nun als den Begründer der einflussreichsten künstlerischen Bewegung, die es jemals gab, anerkennt, oder ihn zum letzten Vertreter der europäischer Intelligenz ausruft. Im Vordergrund steht kein literarisches Schaffen im herkömmlichen Sinn, was Breton sein wollte, war er ganz und gar. Es ist bezeichnend, dass der kontinentale Surrealismus durch ihn initiiert, verstörte und aufbegehrte, beinahe exaktamente mit seinem Ableben ebenfalls das Zeitliche segnete, während der Geist dieser Lebenshaltung – man kann sagen – nach Lateinamerika auswanderte, wo er nicht zuletzt durch Bretons Busenfreund Octavio Paz (aber auch durch Neruda) zu höchsten Weihen fand.

Auswahlbibliothek:

Die Manifeste des Surrealismus
Die magnetischen Felder
 (mit Soupault)
Nadja
L’amour Fou
 (in einer grottenschlechten Übersetzung bei Suhrkamp)

Sprache und Nichtsein

Es ist mir die Sprache das einzige Transportmittel, um in Regionen vorzustoßen, um die man kaum mehr zu kreisen wagt. Dazu aber muss eine bloße Erzählhaltung aufgegeben werden, die so sehr unsere Sinne beeinflusst und in den meisten Fällen auch einengt, wie alles, was man Gegenwart nennt. Nun ist Gegenwart nichts Endgültiges, man kann sie jederzeit verlassen, um sich außerhalb der Zeit zu positionieren, womit aber gleichzeitig auch die Schwierigkeit beginnt. Die Existenz ist ein Schreckenskabinett, und das war sie von Anfang an, und tatsächlich wäre es besser, nicht zu existieren, wie Silenos, der Erzieher des Dionysos es seinem Schützling gegenüber erwähnte. Drängt alles zum Leben hin, um gewesen zu sein? Oder wird das, was nicht ist, aus einem unbekannten Grunde dazu ermuntert, eines Tages zu sein, so dass alles irgendwann gewesen ist? Oder kann das Nichtsein nur daran gemessen werden, dass eines Tages einmal alles war? Diese Fragen sind der Sprache immanent.

Lit-Life

Anmerkung, März 2025: Auch wenn die Veranda ein Reboot erfahren hat, dachte ich mir, dass ich am ersten Eintrag im Jahre 2005 festhalten sollte, weil es doch ein Schlüsselmoment war. Es gibt einen weiteren im Jahre 2014, der zur Entstehung des Phantastikon-Magazins beitrug. Namentlich die Übersetzung eines Interviews, das Matt Cardin mit Thomas Ligotti geführt hatte. Seine freundliche Erlaubnis, diese Übersetzung anzufertigen, löste eine ganz neue Ära des Bloggens für mich aus, die zwar am Ende nirgendwo hinführte, mich aber eine Zeitlang gut beschäftigte.

Mein Tag hat 24 Stunden. Ich muss davon abziehen die Zeit, die ich zum schlafen, zum kacken und für die Ernährung benötige. Warum ich dennoch nicht mehr Output habe: Ich pflanze die Worte, ich schreibe sie nicht. Natürlich wird das in erster Linie in der Lyrik offenbar; wie das im Roman ausschaut, wird man im März überprüfen können.

Ich habe nichts anderes vor, als mich völlig und außerordentlich in die Literatur hineinzubegeben, zu lesen oder zu schreiben. Tatsächlich verlasse ich das Haus nur wenn der Hund pissen muß und wenn, dann nehme ich einen Notizblock mit. Keine Sekunde darf mir entweichen.

Das ist auch der Grund, warum ich keine Zeit für Geselligkeiten habe. Ich will alleine sein, damit meine Gedanken nicht gestört werden.