Sie sah mich an. Anderen war sie versprochen. Anderen. Und weil in mir alle sind, kann sie mit mir allein nicht ihr großes Haus bewohnen. Ich erinnere mich an eine Geschichte. Wieder ist es eine Liebesgeschichte – vielleicht ist es sogar eine moralische Geschichte, aber das war mir zum Zeitpunkt der Lektüre noch nicht klar:…
Autor: M.E.P.
Der schwarze Punkt
Die im roten Kleid. Die hätte mir auch gefallen. Ein rotes Kleid ist etwas ungemein Bizarres; auf der Leinwand steht es scheinbar still, jedoch hier vor meinen Augen flattert es umher, wirft sich in nicht ganz ernst zu nehmende Falten – und schwebt in den anliegenden Raum davon, das exakte Ebenbild von diesem. Gab es…
Sprache und Nichtsein
Es ist mir die Sprache das einzige Transportmittel, um in Regionen vorzustoßen, um die man kaum mehr zu kreisen wagt. Dazu aber muss eine bloße Erzählhaltung aufgegeben werden, die so sehr unsere Sinne beeinflusst und in den meisten Fällen auch einengt, wie alles, was man Gegenwart nennt. Nun ist Gegenwart nichts Endgültiges, man kann sie…
Der Mann mit der Axt
Die Stunde vierteilt sich, der Mann mit der Axt, nackter Teint, die Warzen: übergroß das Instrument, der Richter.Nicht in den Mantelsack der Nymphen fällt der Kopf, nicht aus dem Blute entspringt der Pegasus, der dünne Ölfilm einer Pfütze wirft das Bildnis einer Laterne zurück, immer wieder die Axt, auch die Laterne.Er hatte keinen Schlüssel, er…
Nyctanthes
Die Freiheit, die man gerne leugnet, besteht darin, sich in jeder Sekunde entscheiden zu können, was man als nächstes tut, ja, dass man bei einer Entscheidung oftmals ganz ohne Gedanken auskommt. Es mag uns scheinen, als dränge etwas wie ein Vulkan zur Eruption. Nur die Intensität markiert den Unterschied. Doch von Freiheit zu sprechen, wenn…
Von Hirsch- und Bäckerhefe
Die Vererbung ist ein Speicher für alle Erfolge, die das Leben jemals errungen hat. Die Niederlagen werden vergessen. Kein Fehler bleibt im genetischen Code bewahrt. Durch diese Perseveranz lernt die Natur aus ihren Fehlern nicht und wiederholt sie andauernd. Ein albinotischer Hirsch ist durch seine Auffälligkeit unterprivilegiert. Im Mythos – weg von der Natur, hin…
Lit-Life
Mein Tag hat 24 Stunden. Ich muss davon abziehen die Zeit, die ich zum schlafen, zum kacken und für die Ernährung benötige. Warum ich dennoch nicht mehr Output habe: Ich pflanze die Worte, ich schreibe sie nicht. Natürlich wird das in erster Linie in der Lyrik offenbar; wie das im Roman ausschaut, wird man im…
Stille im Universum
Die Natur spuckte aus, es war Stille im Universum. Nur die Steine sprachen miteinander. Fünfzehn Stufen lagen vor mir, und die erste fand ich hell erleuchtet. Nebel, die Stufen aus Knochenmark geformt, in der Mitte schwielig, braun zurückgelassener Fußabdrücke, Dornenstaub darüber, Gestalt des Wahnsinns.
Der Tod des Sardanapal
Das verabscheuungswürdige Gemälde über den Tod des Sardanapal, das heute im Louvre zu sehen ist, hat Eugéne Delacroix für eine Ausstellung im Jahre 1827 gemalt. Er hatte dabei nicht bedacht, dass jedes Gemälde auch die Gefahr des Einfrierens eines gewissen Augenblicks birgt, eines rätselhaften Momentes, der die gewesenen Dinge verstärkt und die zukünftigen erfindet.
Ich kenne eine Stadt
Ich kenne eine Stadt, älter als Tell Brak, Jericho, Uruk und Çatal Hüyük, die man weder ausgraben noch beweisen kann, die manchmal am Horizont auftaucht wie eine Fata Morgana, ganz gleich, wo auf der Welt man sich befindet. Straßenlos ging man über die Dächer, glitt durch eine Luke ins Haus, begrub die Toten unter dem…