Pendelnichts

Die Vergangenheit entgleitet mir mehr und mehr, und das ist gut für die Bewegung außerhalb des Zentrums, das nun überall sein kann, so wie wir es von Foucault her kennen. Nichts ist quasi das, was wir haben. Ich bin frei in meiner Auswahl der Stoffe, also schaue ich mir gerne das Verlixteste an, das ich kenne. Eine undenkbare Welt spiegelt sich im Innern, darin findet sich nur immer das Symbol eines weiteren Symbols; ich glaube, die wahre Befriedigung ist die Ohnmacht, eine Rückkehr zur vertrauten Nabelschnur. Das ist anscheinend mit Paradies gemeint, der Apfel ist demnach die Geburt. „Lass den Apfel hängen, wo er ist, Eva!“ Wie würden wir uns denn dann in unserer kleinen Kammer einrichten, mit einer Mutter, die wie ein Wal auf den sieben Meeren treibt?

Mich fasziniert die zunehmende Distanz zu einer Welt, die einst war. Sobald die Momente in die Vergangenheit gleiten, werden sie rein fiktional. Jede Erinnerung, jede Beschreibung… Dieser eine Punkt, den wir zu greifen suchen, ist wieder einmal nur nichts, ein Pendel mit einem Radius, dessen Aufhängung wir nicht begreifen.

Fragen an die Maus

Wie viele Bücher könnte man mit allen ersten Sätzen füllen, die je geschrieben wurden?
Schmeckte der Apfel im Paradies nach Oxford?
Wie kann ich an einem Kreuzweg wissen, in welche Richtung ich muss?

Wieviel Klopapier-Tissues kann ich essen, bis ich Verstopfung bekomme?

Wie groß war Karl der Große und wie lautet der Quotient gegenüber den Schlümpfen?

Säufer und Sonnenkönig

Die letzte Woche war eine der Dunkelheit, ein Herstellen von Gedankenweite. Die Karfunkel-Zeitungen wahrscheinlich ungeeignet, aber einen Säufer und den Sonnenkönig ausgerupft. Was gäbe es auch schöne Kommentare zur Syphilis, wenn sie nur in Bildern sprächen. Die Technik völlig aus den Augen zu verlieren könnte ein Trost sein.

Es ist erstaunlich, was Altpapier kostet, früher am Straßenrand keines Blickes gewürdigt, nicht ein Gedanke ging zum Kunstwerk, das im sumpfigen Papiermatsch auf seine Erweckung lauert. Wie alles Ästhetische ist kein Tiefenschauplatz je von heute. In seiner Zeitlosigkeit ist er allerdings auch nicht von gestern.

LiveBook/Lorebuch-Kooperation

Das LiveBook greift selbstverständlich auch aus den visuell gestalteten Seiten hinaus und manifestiert sich in weiteren Texten, die nicht unbedingt einen Weg ins fertige Werk finden müssen. So geschehen (unter der heutigen Arbeitsatmosphäre) beim Gespann ENDLICH SCHULD / SCHWEREMUT, wobei letzter Text in die Sammlung LOREBUCH aufgenommen werden wird.

Die kleine Schattenkunde


Warum nicht noch einmal einen Podcast versuchen. Es wird sich wieder um einen handeln, der sich nicht dadurch auszeichnen wird, viel gehört zu werden (wenn überhaupt). Da ich allerdings seit Jahrzehnten mit der Audioperspektive arbeite (begonnenen 2005 mit der Sammlung „Ouroboros Stratum“) und die vielen Versuche mich bis heute unkommodiert zurück lassen, müsste ich die nächste Stufe vorbereiten.

Als mein Weblog 2006 in Die Veranda umbenannt wurde, lief er ein ganzes Jahr unter dem Namen „work in progress“ – eine Reminiszenz an den Ulysses von James Joyce, aber völlig passend für meine Literatur des ewigen Tanzes, der ewigen Veränderung, aus der Fertiges nur herausgeklaubt wird, um es in Druck zu geben. Es wäre von innerer Ignoranz zu sprechen, würde ich nicht zugeben, dass ich nicht verschiedene Bücher schreibe, sondern immer wieder denselben inneren Raum zu betrete, auch wenn dieser Raum mit seinen vielen Spiegeln und Masken die Unendlichkeit markiert.

Es sind dieselben Fragen, Symbole, Motive, Obsessionen – und jede Veröffentlichung ist nur ein weiteres Fenster zu diesem inneren Kontinent, ein geschlossenes Imaginarium mit wiederkehrenden Orten, Bildern, Mustern, oft metaphysisch, traumhaft oder existenziell. Das eigentliche Buch entsteht nie ganz; es nähert sich nur an. Ich bin dem asymptotischen Schreiben verfallen.

Es fühlt sich an, als schreibe ich nicht Texte, sondern ein Bewusstsein, das sich ein Leben lang erforscht. Hier ist das Bild das ich benutzen werde:

Das Original stammt von Petrus van Schendel, ein niederländisch-belgischer Genremaler der Romantik, der sich auf nächtliche Szenen spezialisiert hatte, die durch künstliches Licht wie Kerzenlicht, Lampen oder offenes Feuer beleuchtet wurden, und heißt dann auch – wie sollte es anders sein – „Lektüre bei Kerzenlicht“.

Ich bin mir natürlich bewusst, dass diese Privatdinge auch Privatdinge bleiben; es gibt schlicht keinen Grund, irgendetwas zu tun, außer die Notdurft zu akzeptieren, gegen die man ohnehin kaum einen Kampf gewinnt. Ricardo Piglia hat es in seinem Roman MUNK so dargestellt

„Sie wissen, dass sich dort draußen kein Mensch für Literatur interessiert und sie die letzten verbliebenen Hüter einer glorreichen, in die Krise geratenen Tradition sind.“

Ich werde an entsprechender Stelle darauf zurückkommen.

Im Grunde gab es in meiner Arbeit drei wichtige Annäherungen. Die poetische Sprache sollte auch in Prosa möglich sein; ein Tagebucheintrag sollte davon nicht ausgenommen werden; wie kann man das, was man erlebt, jemals in Worte fassen.

Ein Audiokunstwerk ist im Grunde kein Podcast, das dürfte niemand bestreiten. Ich glaube, man hat auch von Radiokunst gesprochen – und wenn man das Wort Radio heute noch so benutzen würde, wäre es mir recht. Also: Strahlenkunst. Noch früher sicher: Speichenkunst.

Auch nur ein Hund – Vorbereitung zur Lektüre

Seltsame Paarungsrufe bekommt man nicht selten als Enkel zu hören. Eine Anekdote, wie sie Anverwandte gerne zwischen zwei Schnäpsen erzählen. Meine Großmutter väterlicherseits – die dunkle Linie also – erzählte eines Tages, wie mein Großvater sich mutwillig einen Knopf von der Strickjacke riss und dachte: Hoppalla | sich unbeobachtet wähnte und doch gesehen wurde von seiner zukünftigen Braut, die ihm den Knopf dennoch annähte, denn sie wollte ja geehelicht werden.

„Und eine Frau, die keinen Knopf annähen kann, heirate ich nicht.“ Ein Satz wie aus alten Fallstricken zusammengeleimt. Interessanterweise fiel mir dieser Satz wieder ein, als ich am Cornelius Schlehenfeuer saß, also ohnehin in den satten Sprachfarben des romantischen Zeitalters fläzte. Ich neige zur Kürze, zu den Augenblicken eines Bildes, einer Szene oder die eines versponnenen Gedankens. Das ist mir mehr wert als eine Erzählung, die erläuternd begleitet wird.

Käsemilben

In all der Zeit hatte ich DIE VERANDA nicht so in Betrieb wie es in long terms sinnvoll gewesen wäre, um sich wie eine Käsemilbe durch Raum und Zeit zu drücken. Die Schwächen überwiegen, auch wenn man sich einbildet, nicht zu kriechen, sondern zu schreiten. Da wir eine verdammte Spezies sind, schreitet hier niemand mehr. Ich kann mich der Sache des Flusses nicht erwehren, der Belanglosigkeit menschlichen Daseins nicht entkommen, jetzt, wo wir keine Deutungshoheit über einen Wahrheitsgehalt mehr haben. Nun, er stand uns zu keiner Zeit zu. Das Spiel ist ein hochprozentiges, denn wir müssen uns diese Kavernen selbst schaffen, in denen wir blind wuseln und nach einem Lichtchen suchen, das nur durch unsere brennenden Gestalten installiert werden kann.

Nichtsdestotrotz ist die Beschäftigung mit Tälern und Bergen das vorherrschende Streben. Gruppen, die sich für Wölfe in ihrem Gebiet halten dürfen an sich bedauert werden, Kleinkinder im platschenden Wasser plantschen mit feuchten Ärmchen um ihr kleines Leben.

Im Hintergrund: Thelonious Monk. Underground.

13.31

In Form gebrachte Gedanken. Ich nutze ein weites Spektrum des Geheimnisvollen ganz im romantischen Stil. Aber eben in einer Welt, in der das neuerdings unbekannt ist, weil CERN ja erst vor ein paar glimmenden Jahren die Realität verändert haben soll.

Sterblichkeit ist keine Option im Hier und Jetzt der Jugendfrische, den schwarzen Krauser dick und locker gedreht. Die Geschehnisse des Lebens bekommen ihre Bedeutung posthum. Das Passende wird installiert – eine literarische Technik, die entweder nicht auf die Ereignisse referiert oder an seiner statt einen Bedeutungshof einberuft, der die ganze Erzählung zu einem Konzept werden lässt: das der verlorenen Freunde, das der eigensinnigen Wahrnehmung, d.h. unbenommen einer gemeinschaftlichen Schein-Wahrnehmung. Das Leben ist ein Mischereignis und besteht meist aus Luft. Rauch, Fetzen musikalischer Untermalung – oder zumindest sich kumulierender Geräusche. Ohne den, der erzählt, wird aus den kleinen Ereignissen nichts; natürlich gibt es die oft zitierte „Alltäglichkeit“ nicht, sie ist nur ein Maschinengeist. Manche Autoren wollen diskutieren, der Dichter aber will es nicht.

Frau Nochntee

Die Geschichte der Broteforderin Nochntee, von ihr selbst erzählt: „Stampf!“ (Geräusch des rechten oder wahlweise linken Fußes beim Auftreffen auf einen – ebenfalls beliebigen – Untergrund.