Renate is fatsching yu

Früher hoben wir alte Zeitungen auf, um das vermaledeite Feuer anzubekommen, wenn die krustigen Zahnstocher partout kein Wölkchen von sich gaben. Oder um auszugleichen, dass wir uns keine Unterwäsche leisten konnten. So eine Schlagzeile über der Mutterbrust sorgte nicht selten für Lacher, wenn man auf Hippie-Partys klein Kurt nach dem milchigen Gesöff schnappen ließ wie ein Bullkarpfen nach der Mücke im Wind. Die Ecken pulten wir dann immer zwischen die Fettfalten, damit ja nichts abrutschte. Auf die Idee, daraus Gedichtchen zu formen wären wir niemals gekommen. Häkeln, Stopfen und Nähen war unser Beruf, liebe Gendertussen – wenn ihr mir diese moderne Höflichkeitsfloskel gestattet! Hatten wir keine Wolle, trennten wir eben alles wieder auf. Heute eine Socke, morgen ein Pullover, übermorgen Handschuhe. Dem gedruckten Zeug einen Hauch altertümlicher Handarbeit zu verpassen, erfreut mein in die Jahre gekommenes Kümmerherz so sehr, dass ich mir gleich einen Dornkat erlauben werde, um mein Glück ja niemanden spüren lassen zu müssen. Denkt immer daran, liebe Dichterlein: Renate is fatsching yu!

Der Gesundheit zuliebe

Der Gesundheit zuliebe habe ich alle Konserven runter zum Fluss gebracht. Ich hab sie da natürlich nicht reingeworfen, sondern am Ufer vergraben, vorher aber überall ein Loch reingemacht, damit das Ungeziefer besser ran kann. Die können ja scheinbar gut mit Giften, sonst würden sie ja viel öfter auch auf unseren Krankenstationen landen. Tun sie aber nicht. Ich weiß, das ist eine fürchterliche Beweiskette, aber ich hab ja auch nur eine einfache Schule besucht, und vom Maschen aufnehmen und fallen lassen versteht man keine höhere Mathematik.

Der Kurt hat seinen Quark erst nicht wollen, weil er ihm zu sehr nach Pampe ausgesehen hat. Er hats ja eh mit dem Magen und kennt Pampe daher ziemlich gut aus dem Bad. Mehr sag ich nicht, damit ihnen ihr Essen – völlig nutzlos – nicht mehr schmeckt.

Zu meiner Zeit war Fleisch das Größte, vielleicht noch ein paar Erdäpfel, damit der Teller nicht so leer wirkt, aber heute basteln wir das alles aus Gummistiefeln und Erbsen, was den Vorteil hat, dass wir uns nicht mehr mit dem Herz eines Serienkillers ausstatten müssen, um die Familie satt zu kriegen. Wenn meine Mutter mit dem Messer in die Scheune schlich, um zukünftige Würstchen vorzubereiten, fragte ich sie einmal: „Hast du deine Tage oder warum klebt überall Blut an dir“. Ich weiß noch, dass ich eine richtig fette Ohrfeige davontrug, so dass mein jugendliches Gebiss noch tagelang den Radetzky-Marsch klapperte, nur weil ich immer so neugierig war. Das konnte meine Mutter gar nicht gut leiden. Heute versuche ich es natürlich an Kurt auszulassen, er bietet sich ja als Ehemann auch so einfach an. Aber kleben kann ich ihm keine, da müsste ich schon auf einen Stuhl steigen. Dafür gibts jetzt ein paar Tage lang Quark, und ich überlege mir, ob ich den nicht auch ins Bad stelle, damit er mal sein Gesicht damit einreibt. Es heißt, große Poren würden dann zuckerzart verschwinden und die Haut einem Stück gegerbten Leder gleichen.

Früher hatte man noch Namen

Emma, gib‘ Mamas Handy her! Emma! – Gott, was für ein Gekreische, das da von den heute typisch ungeschminkt blasswangigen Weleda-Gesichtern durch das Wartezimmer der Praxis meines Gynäkologen galoppiert. Weleda? Das war doch ein Wischmopp, nach dem alle Hausfrauen der 90er Jahre gegriffen haben, weil die Werbung ihnen versprach, sich nach dem Lappen nicht mehr bücken zu müssen. Alles sauber aus dem Stand!

Und so soll’s wohl heute modern sein, sich abgeschminkt zu zeigen, und sein zopfiges Balg, dem man im Fettzwergenalter, in dem man noch mehr schwankt als selbstbewusst von A nach B sein Dasein fortzusetzen, offenbar affige Haarlänge zugesteht, während man sich selbst mit Ende Zwanzig alle zwei Wochen zur Schur begibt, weil Frau sich heute kurzhaarsportlich an den Mann und Arbeitgeber bringt. Statt der Zeitung die Faszienrolle unter’m Arm. Und die habe ich mir, als ich mal wieder Lust hatte im Sanitätshaus nach atmungsaktiven ledernen Damenschuhen zu schnuppern, gleich einmal zeigen und erklären lassen. Das ist eine Art Yoga-Indien-Brahma-Kautschuk-Rolle, mit der man sich die verkleisterte Muskulatur wieder glattwalzen kann. Nur das man selbst das Nudelholz ist, das man über die Rolle ziehen muss.

Unsereins brauchte früher nichts anderes als Merz Spezial Dragees, eine kleine Pulle Rotbäckchen in der Handtasche und ein nach Zitrone duftendes Erfrischungstuch. Ach ja, und früher, da hatte man ja noch Namen. Da hie? man Hedwig, Berthamaria-Lilli oder eben Renate. Aus dem Lateinischen stammend (Moment, ich muss erst voller Stolz Atem holen): Renata, die Wiedergeborene! Man hat ja schließlich als Kluge Hausfrau der 4buchstabigen Teufelsbrut durch die Jahrhunderte einen Exorzismus entgegenzusetzen. Nomen est Omen. (Ich frage mich ohnehin, warum man die kleinen Dinger nicht einfach ABCD ruft). Man gönnt seinen Kindern ja heute Alles und Nichts.

Emma heißt ja nix. Na gut, nix stimmt jetzt auch nicht. Ich habe mal nachgeschaut, es bedeutet allumfassend (ich stell mir da die plautzigen Hände von meinem Männchen vor) und soll ein eigenständiger Name sein. Ja nun.

Aber – um dem Teufel mal aus dem Bett zu kraulen – wenn wir Weiber das Ganze rückwärts lesen, schiebt doch glatt die AMME ihr Schnäuzen aus dem Namen hervor, mit Zitzen wie eine birnenförmige Apfelsine. Von welcher Eigenständigkeit sprechen wir denn da? Und allumfassend? Meiner Seel! Das entspricht ja nur dem Entschluss, sich schon elterlicherseits für gar nichts entschieden zu haben. Was soll dann aus dem Kinde werden? Vielleicht braucht es auch schon eine Faszienrolle.

Ich sag nur: Á la belle poule! Die Damen im 17 Jh. haben sich, als das mit der Hygiene nicht so en vogue war, weil man noch keine Runst empfand, dem auf den Pelz zu schauen, was da inkognito keimte, sogar Flaggschiffe in ihre aufgetürmten Haarhauben setzen lassen, um die Nackenmuskulatur zu stärken.

Tee anstatt Insektengift

Seit die Erde rotiert und durch eine dunkle Kartonage schlingert, dreht sich alles um dieses Insektengift, das auf jedem Altweibertisch vor sich hin dampft, schwarz wie ein Sumpfloch, saubitter und mulchig wie ein Maul voller Blumenerde, kurz bevor der April die Rentner in den Garten lockt. Selbstverständlich kann man sich Kaffee auch auf die Haut schmieren, wenn die vor lauter Allergie aussieht wie eine billige Pizza, und muss nicht nur fette Schnecken von den noch fetteren Erdbeeren? abhalten. Man will, so dünkt es mir, gar nicht an die eigentliche schwarze Brühe ran, sondern an das, was drin ist, im Kaffee also das Koffein, bei dem die Basedowschen Kranken zwar mit Pulsbeschleunigung, Herzklopfen und folgender Gedankenflucht, Nervosität, und quälender Schlaflosigkeit reagieren, das gesellschaftliche Leben aber nahezu still stehend würde.

Ja, ich schwadronierte einst über unsere steinbrüchig gewordene Kaffeekultur, und bin noch immer davon überzeugt, dass manche Mauken wieder nach frisch geschleuderter Butter duften, wenn man das, was vom Weiberkranz übrig geblieben ist, in ein Fußbecken quirlt.

Als Höllenweib gesunder Praxis beobachte ich natürlich sehr genau, was sich im Land der Dichter, von denen ich bestochen werde, so tut – und, was soll ich sagen: da zeichnet sich eindeutig ein Trend nach englischem Vorbild ab. Theophyllin bringt, wie alle Welt bezeugen kann, ein langes Leben in jede echte Queen hinein. Und wer möchte nicht, gebückt und runzlig, gewandet in bunte Farben und steinalt, noch so eine rüstige Fotografie abgeben?

Ob im Palast auch wirklich Twinings of London auf den schicken Tischen in den noch schickeren Kesseln zieht, vermag ich nicht zu sagen, obwohl ich gerade bemerke und mich frage, warum ich dort noch nie geladen war; gesagt aber werden kann, dass es hier in Dichters Grüften solch ein Getränk – von mir höchstselbst bereitet – zu jeder Tag und Nachtzeit gibt. God save Tee-in.

Vom Brot

Da tanzen sie im Rhythmus ihrer Negermusik durch die Küche, als ob sie das Brot höchstselbst erfunden hätten. Dass sie den Sauerteig nicht gleich mit ins Bett nehmen, um sich regelmäßig der nassen Pfütze in ihrer Mitte gewahr zu werden, sollte einer nachts aufwachen und Furcht vor geträumtem Psychoballast bekommen, verwundert mich dann doch bei derartigem Enthusiasmus. Nur weil ihnen mal etwas geglückt zu sein scheint.

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Wo die Wissenschaft versagt hat

Bis zum heutigen Tag hat uns die Wissenschaft noch nicht mitgeteilt, wie viel Gummischnuller nötig sind, um einen Körper von 90 Kilo damit an einer Gardinenstange zu befestigen, und wie lange es dauert, bis der Körper dann voraussichtlich doch runter kommt, weil so ein Schnuller ja schneller ermüdet als ein Pfund Hack, das man in ein Kopfkissen stopft, denn da ist ja noch der Bezug außen rum. Bevor jetzt jemand sagt: Gute Renate, warum sollte so ein verrücktes Zeug denn jemand tun?, dann will ich in meiner Instanz als kluge Hausfrau darauf hinweisen, dass es ja möglich sein könnte, dass man sein Federkissen irgendwo verloren hat. So ein Pfund Hack hat man aber doch wohl immer parat, oder etwa nicht? Und wenn Sie sich scheuen, ihr Fleisch ins Bett zu tragen, denken Sie daran, dass Sie das im Grunde täglich tun, nur fressen Sie’s nachher nicht auf, weil Sie dann ja immer weniger würden, während so ein Schweinchen immer nachzuwachsen scheint, was den lieben Bauern zu verdanken ist, die die Tierchen mit Schlamm und Scheiße begießen, auf dass sie sich so freudig vermehren.

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Gefahr in der Nachbarschaft

Der Mensch, der da in unserer Nachbarschaft haust, fiel mir zuerst auf, weil er das Fernsehprogramm nachsprach. Ich kam gerade heim, vollbepackt mit Tüten, weil ich mein Roll-Dingens vergessen hatte, und lief unter seinem Fenster vorbei, wo er, gekleidet wie eine Schaufensterpuppe, der man die Klamotten falsch rum angezogen hatte, vor seinem Apparat hampelte und versuchte, die jeweiligen Stimmlagen zu treffen. Sie werden verstehen, dass sich sofort die Kundalini-Schlange der Angst meinen Buckel hinauf schob. Man hört ja oft, dass das bereits die Vorstufe zum Massaker sein könnte. Jetzt ist der, hab ich erfahren, ein Buchhalter.

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Pörkölt

Um ein Gulyás zu kochen, wäre es unbedingt erforderlich gewesen, ausschließlich Rindfleisch zu verwenden, und so wurde es bei uns heute nur ein Pörkölt, das aus verschiedenen Fleischarten besteht; was aber nimmt man, wenn man kein Schaf zur Hand hat und der Metzger sich nicht vom Fleck rührt, sobald man ihn auffordert, augenblicklich eines zu zerlegen, man bräuchte kleine magere Stücke, und die Wolle für den Überzieher nähme man auch gleich mit? Man schielt zur Sau, man denkt an die Sau, man nimmt die Sau und verdrängt das Gulyás für dieses eine Mal, weil das Rindfleisch zusammen mit dem Schwein heute günstiger angeboten wird. Außerdem flattert draußen ein Wenigelchen Schnee in der Luft herum und man denkt, das sei ein guter Tag für Pörkölt. Man nimmt noch einen ganzen Sack Zwiebeln, weil man davon ebenso viel braucht wie vom Fleisch, und besteigt seinen Schlitten, der, weil dieses verdammt seltene weiße Zeug nicht mehr liegen bleibt in unseren Breiten, seine Kufen bereits nach den ersten Hundert Metern völlig aufgebraucht hat. Das war dann wohl das Zahnfleisch des Transportmittels. Kurt, nimm mir mal den Sack da von dem Schlittern, Kurt, hörst du nicht? – Ah, da kommter!
„Den Sack, Kurt!“
„Was gibts denn, Renchen?“
„Pörkölt!“
Wenn er jetzt noch lange so kuckt, lange ich ihm eine.

Vorbereiten auf den Winter

Wenn der Winter kommt, wird es kühl. Obwohl es auch manchmal kühl ist, wenn der Winter nicht vor der Tür steht, ist die kühle Luft doch eines der Markenzeichen des Winters, vorausgesetzt, es handelt sich nicht um einen milden Winter, der dem vorzeitigen Frühling ähnelt. Dann mag es durchaus ebenfalls kühl sein, man spricht dann aber doch besser von Milde. In der Milde strickt man Pullover, die man in der Kühle trägt. Die Frage, die uns hier beschäftigen soll, ist diese: Wann wäscht man diese Dinger? Der Sommer würde sich am Besten dafür eignen, denn da strickt man nicht und trägt auch nicht. Nun kann man aber nicht den ganzen Sommer lang Pullover waschen, und sie im Winter dann tragen. Es müsste mehr Abwechslung zwischen den Momenten des Waschens und des Tragens geben. Ich habe herausgefunden, dass sich ein zweites Exemplar als Lösung anbietet.

Von der Bergung des Konfekts

Konfekt besteht in erster Linie aus seinem eigenen Namen und unterscheidet sich von der Herrenschokolade nicht zuletzt durch Süße. In diesem Sinne bedeutet es freilich „Zuckerwerk“, „Werk des Zuckers“, „Zuckertagebau“, „Zuckerbergwerk“ – und besteht aus Zucker, der von Zwergenhänden aus finsteren, süßen Stollen geborgen wird. Diese Hände stammen aus der Region des Chururu-Flusses, denn nur dort entwickeln sie sich putzig und nicht prankenhaft wie im Rest der Welt. Behaarte Hände würden steckenbleiben, sobald sie die erste Kurve passieren müssten, die aber stets vor der zweiten zu nehmen ist. Diese Hände aber sind rosa, nackt und geschlechtslos, was dabei hilft, den Geruch des späteren Konfekts auf ein Minimum zu reduzieren. Gerochen werden kann es dennoch, allerdings ist hierzu eine Nasenlupe zu benutzen, die es kaum in einer haushaltsüblichen Auflösung gibt. Und wer will schon ständig das Observatorium besuchen?