Gewöhnlich wird recht wenig Aufsehen wegen einer Jugendbuchserie gemacht, wenn man einmal von Harry Potter absieht, was allerdings ein einmaliges Phänomen war, das sich nur mit mit der Sherlock-Holmes-Manie vergleichen lässt, was allerdings, nun … KEIN Jugendbuch war.
Enola Holmes mag aufgrund der Netflix-Verfilmung noch etwas berühmter sein als Myrtle Hardcastle; man darf allerdings nicht vergessen, dass allein schon der große Name Holmes dafür ausreicht, einiges an Aufmerksamkeit zu bekommen. Elizabeth C. Bunce hat ihre zwölfjährige Detektivin selbst ersonnen, wobei sie keineswegs einen Hehl daraus macht, dass sie selbst als Jugendliche besessen von Trixie Belden war, die aber von fast allen gegenwärtigen weiblichen Jungdetektivinnen weit übertroffen wird.
Die Geschichte von Arkham Horror beginnt eigentlich schon 1981, als das Rollenspiel Call of Cthulhu erschien, das natürlich nach H.P. Lovecrafts gleichnamiger Story benannt ist. Das Spiel wurde bis 2014 immer wieder neu aufgelegt und verbessert. 1987 wurde auf dieser Basis das Brettspiel “Arkham Horror” veröffentlicht und als bestes Fantasy-Spiel des Jahres ausgezeichnet. Es hatte sich mühelos gegen eine Menge anderer Lovecraft-Basierter Spiele durchgesetzt, die es nicht mal zur Veröffentlichung gebracht haben. Und auch dieses Spiel wird ständig erweitert und verbessert. Um eine Spielwelt noch lebendiger werden zu lassen, liegt es natürlich nahe, Romane und Geschichten in Buchform zu veröffentlichen, so dass sich die Spieler alles noch besser vorstellen können. Im günstigsten Fall interessieren sich auch Leser für die Bücher, die sich ohnehin gern in Lovecrafts Kosmos bewegen.
Der Roman ist eine unterhaltsame, blutige Fahrt mit einigen wirklich interessanten Wendungen, die dafür sorgen, dass nur wenige Protagonisten glücklich (oder lebendig) herauskommen. Ryans Erzählweise ist ausgezeichnet und kommt ohne die modern gewordenen Bocksprünge aus, die Komplexität vortäuschen, aber oft nur auf wenig Talent hinweisen.
Auch wenn mir nicht alles gefallen muss, was bei Klett-Cotta und der Hobbit-Presse erscheint, bin ich doch immer wieder angetan von den meist geschmackvollen Aufmachungen des Verlags. Leider haben wir hier in Deutschland in den wenigsten Fällen Hardcover im Fantasy-Bereich, oft geht es um das schnelle Geld, und die Verlage werfen auf den Markt, was gerade dem Hype entspricht. Bei der Hobbit-Presse muss man sich nur mal die liebevollen und geschmackvollen Aufmachungen ihres Kerngeschäfts, die Werke von J.R.R. Tolkien, ansehen, um den Unterschied zu erkennen.
Anthony Ryans “Lied des Blutes” kommt also im Hardcover (und natürlich im Paperback); es stellt den Auftakt zu einer großartigen Geschichte, die zwar zu Beginn kein Spektakel abfeuert, dafür aber herausragend erzählt ist. Die Serie hat noch einen weiteren Ableger, einen Zweiteiler, der “Rabenklinge” genannt wird und der ebenfalls bereits vollständig in der Hobbit-Presse vorliegt.
Tatsächlich ist es so, dass hier in Ryans Debüt allgemein bekannte Zutaten miteinander vermischt werden, ein Preis an Innovation ist hier also nicht zu erwarten. Dennoch sind diese bekannten Rezepte hier so gut umgesetzt, dass dies eigentlich keine Rolle spielt und sogar über die zahlreichen angestrengten Versuche, Dinge auf Biegen und Brechen anders zu machen, triumphiert. Eine gute Geschichte ist eine gute Geschichte. Das war früher so und das ist heute so. Und morgen wird es genauso sein. Es kommt nicht darauf an, ob man auf bekannte Muster zurückgreift, sondern wie man das macht.
Derer in England lebende Schotte Anthony Ryan kam sprichwörtlich aus dem Nichts, veröffentlichte 2012 Blood Song zunächst noch im Selbstverlag und ist damit einer der wenigen, die in dieser Szene durch Qualität auffielen, bevor Penguin ihm einen Vertrag über drei Bücher anbot. Dass er einen Abschluss in mittelalterlicher Geschichte hat, merkt man besonders seinen Kampfszenen an, die akribisch ausgearbeitet sind. Seine erzählerische Finesse aber ist wohl angeboren.
Der erste Kniff, den er anwendet, ist der einer Binnengeschichte, denn der Erzähler hier ist ein Schreiber und Historiker, der das notiert, was Vaelin ihm als Gefangener zu berichten hat. Er wird über das Meer gebracht, um sich für seine Verbrechen zu verantworten. Ein Duell auf Leben und Tod ist das einzige Ende, das Vaelin al Sorna, auch bekannt als “Hoffnungstöter”, noch bleibt. Noch rätselhafter ist die Tatsache, dass alle ihn trotz seiner Ketten mit Respekt und Ehrerbietung zu behandeln scheinen.
Vaelin erzählt also seine Geschichte, die davon handelt, wie er als kleiner Junge an den kriegerischen Sechsten Orden übergeben wurde, um zu einer Waffe zur Verteidigung des Glaubens geschmiedet zu werden. Vaelin schließt dabei Freundschaft mit anderen Jungs, die das gleiche Schicksal teilen und so zu Brüdern zusammenwachsen. Sie stehen einer harten Prüfung nach der anderen gegenüber, bis zu jener Prüfung des Schwertes, bei der Vaelin zum ersten Mal wirklich entdeckt, was es bedeutet, wenn seine Ideale verraten werden. Diese Coming-of-Age-Phase nimmt den Großteil des ersten Bandes ein, und tatsächlich sind nicht gerade wenige gestandene Autoren an diesem Tropus schon gescheitert, denn hier trennt sich die Spreu sehr leicht vom Weizen. Viele Details müssen gleichzeitig im Auge behalten werden; Ryan schiebt sich durch diese Passagen wie ein heißes Messer durch Butter.
In der zweiten Hälfte führen Vaelins Heldentaten und sein Idealismus ihn zu einem Pakt mit König Janus. Hier beginnt es richtig interessant zu werden. Obwohl Janus keine große Rolle in der Geschichte spielt, ist er die Spinne, die jenes Netz der Intrigen spinnt, das der Handlung politische Tiefe verleiht. Er ist derjenige, der Vaelin für seine eigenen Zwecke benutzt und stets versucht, sein Vermächtnis zu stärken. Es ist Janus, der Vaelin in den Krieg schickt und damit sicherstellt, dass der Mann ein Held des Volkes ist, dem das Reich folgen wird, um die Handelsrouten des benachbarten Imperiums zu erobern, und es ist Janus, der Vaelin schließlich opfert, um seinen eigenen Sohn zu retten.
Der Roman ist eine unterhaltsame, blutige Fahrt mit einigen wirklich interessanten Wendungen, die dafür sorgen, dass nur wenige Protagonisten glücklich (oder lebendig) herauskommen. Ryans Erzählweise ist ausgezeichnet und kommt ohne die modern gewordenen Bocksprünge aus, die Komplexität vortäuschen, aber oft nur auf wenig Talent hinweisen. Die Welt, in der wir uns hier wiederfinden ist reich an allem, begonnen von geheimen Sekten über bösartige Sklavenhunde bis zu einem Königreich, das die Fähigkeit besitzt, den Boden mit dem Land, in dem unser Held sitzt, aufzuwischen.
Der Weltenbau steht hier nicht im Vordergrund, aber er genügt, um eine vielschichte Landschaft anzudeuten, die sich hinter der Geschichte verbirgt. Ryan versteht es, den richtigen Ton für seine Geschichte zu finden und die Worte perlen nahezu makellos dahin. Besonders herauszuheben sind die Kampfszenen, die nicht weniger fantastisch sind die die Joe Abercrombies. Ryan sorgt dafür, dass der Konflikt klar und verständlich, aber dennoch fesselnd und dramatisch dargestellt wird. Wenn ein Buch so sehr von Actionszenen abhängt wie dieses, ist die Fähigkeit des Autors, sie zu schreiben, von größter Bedeutung für das Lesevergnügen des Romans. Und Ryan macht das absolut perfekt.
Das magische System, um das es hier auch geht, ist natürlich das Lied des Blutes selbst. Es ist interessant zu sehen, wie es funktioniert, und Ryan erklärt es nicht zur Zufriedenheit jener, die auf “Hard Fantasy” stehen. Doch in Wirklichkeit sind mir die Rätsel darüber, wie magische Systeme funktionieren, lieber als pseudowissenschaftliche Erklärungen, die zwar in sich schlüssig sein mögen, aber unterm Strich den Zauber oder die Faszination vernichten. Auffällig ist, dass dieser Band sehr gut für sich allein stehen kann, auch wenn natürlich nicht alle Fragen geklärt werden, und somit auch all jenen Vergnügen bereiten wird, die sich nicht auf eine lange Serie einlassen wollen.
Denjenigen, denen – umgekehrt – einige Informationen fehlen, sei, bevor sie zum zweiten Band -“Der Herr des Turmes” – greifen, der Band “Das Duell der Bösen” empfohlen und dort vor allem die Geschichte “Der Lord Collector”. Ryan hat sie nach eigener Aussage geschrieben, weil er die Figuren, die in den beiden Fortsetzungen der Trilogie auftauchen, genauer kennen lernen wollte. Diese Geschichte spielt etwa in der Mitte der Zeitlinie, die im Lied des Blutes beschrieben wird, zu einer Zeit, in der König Janus mit seiner typischen Rücksichtslosigkeit dabei ist, seinen Einfluss auf das Vereinte Reich vollständig zu festigen.
Zweifellos ist die Geschichte von Peter Pan, der mit Wendy und ihren Brüdern Nimmerland erkundet, eine der populärsten der Welt. Die Geschichte, die dieser Geschichte vorausging und oft übersehen wird, heißt jedoch Peter Pan in Kensington Gardens. Dieser Roman erzählt die Ursprünge Peter Pans und wurde 1906 veröffentlicht, nur wenige Jahre bevor der Klassiker Peter and Wendy (1911) erschien.
Ein Buch von Natasha Pulley kann immer nur eines bedeuten: ein großartiges Leseerlebnis. Nachdem wir im letzten Jahr ihr Debüt “Der Uhrmacher in der Filigree Street” von 2015 endlich bekommen haben, ist bei Klett-Cotta jetzt ihr viertes Buch “Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit” auf uns gekommen. Richtig gehört – nach dem Debüt haben wir das vierte als zweites bekommen. Das wirft natürlich die Frage auf, ob man sich auch nur ein einziges Werk dieser phantastischen Autorin entgehen lassen darf. Ich vermute, die Antwort müsste Nein lauten.
Das alles hat nur bedingt etwas mit dem vorliegenden Roman zu tun, der im Original “The Kingdoms” heißt, und nicht weniger als ein Feuerwerk der Fabulierkunst ist. Ich habe gelesen, dass es sich um eine Mixtur aus alternativer Geschichtsschreibung, Zeitreise und Science Fiction handeln soll und kann das nicht verneinen, aber genauso gut könnte man sagen, ein Satz bestehe aus Buchstaben. Aber ich muss die Kollegen in Schutz nehmen; wie soll man einem solchen Werk denn gerecht werden, ohne gelegentlich in Gemeinplätze abzudriften? Oder anders ausgedrückt: Wie schnell geht man über das Besondere hinweg, weil man es gar nicht mehr wahrnimmt?
Im Juli 2022 erschien das erste Buch eines bisher bei uns völlig ignorierten Autors, und das, obwohl die “Ghosts of Gotham Saga” bereits die vierte Serie aus der Feder von Craig Schaefer ist. “Die Geister von New York” erschien bei Heyne, und als erstes fällt auf, dass in der Übersetzung “Gotham” gegen “New York” ausgetauscht wurde, was ganz leicht dadurch zu erklären ist, dass der Großteil des Buches in New York spielt und deutsche Leser vielleicht verwirrt gewesen wären, wenn sie versucht hätten, herauszufinden, was das ganze mit Gotham zu tun haben könnte. Popkulturell sind wir hier also nicht ganz auf der Höhe und so beugen manche Verlage lieber vor und korrigieren den Autor, damit er unsere Leser nicht überfordert. Übersetzt wurde das Buch von Michael Siefener, und er hat es geschafft, nur zweimal das in Mode gekommene Wörtchen “halt” zu verwenden, was zugegeben nicht jeder schafft. Deutschlehrer warnen zwar davor, obwohl es nicht falsch ist, aber es ist “halt” schlechter Stil, kann aber nicht dem Autor angekreidet werden.
Der vierte Roman der norwegischen Munch-Reihe, der mit “Wolf” übersetzt werden kann, bei uns aber “Dunkelschnee” genannt wird, ist eigentlich ein Prequel zu den laufenden drei Romanen, oder besser: es ist der Roman, der erzählt, wie Mia Krüger zum Team von Holger Munch stieß, und damit eigentlich der erste Band der Reihe.
Der 2015 veröffentlichte und bei uns 2018 erschienene Debüt-Thriller “Engelskalt” von Samuel Bjørk (ein Pseudonym für Frode Sander Øien), war ein sofortiger Erfolg und markierte seinen internationalen Durchbruch als Autor, nachdem er als Musiker mehrere Alben veröffentlich hatte.
Inzwischen ist die laufende Serie in mehr als 20 Ländern erschienen und wird gegenwärtig auch verfilmt.
Raymond Chandler sagte einmal, er sei der erste gewesen, der auf realistische Weise über Los Angeles geschrieben habe. Um über einen Ort zu schreiben, sagte er, müsse man ihn lieben oder hassen, oder beides, abwechselnd, so wie man eine Frau liebt. Leere und Langeweile waren zwecklos. L. A. hat ihn nie gelangweilt. Er fand es vielleicht banal, aber niemals leer. Er liebte es (als er 1912 ankam) und hasste es (als er 1946 abreiste), bis es schließlich, wie er sagte, für ihn eine müde alte Hure geworden war. Er hat diese Stadt besser als jeder andere verstanden, ihren Rhythmus und ihre Grobheit, ihre Tankstellen, die verschwenderisch mit Licht gefüllt sind, die Häuser in den Schluchten, die in der Schwärze hängen, den Geruch der Luft, das Gefühl der Winde, den Puls des Ortes, weshalb seine Romane zu keiner Zeit veraltet wirken: Er hat die Essenz der Stadt eingefangen, nicht nur ihre zeitliche Oberfläche.
Das uns allen vertraute Genre des Thrillers zeichnet sich durch seine Ungewissheit und die ständige Erregung der Sinne aus, die zusammen ein gemischtes Gefühl von Beklemmung und Verwunderung erzeugen, durchsetzt mit Furcht und sogar Angst. Diese Bandbreite an Gefühlen und Erfahrungen wird durch eine unvorhersehbare Handlung erreicht, bei der der Leser (oder Zuschauer) die Folgen eines Ereignisses abschätzt. In der Regel steigert sich die Spannung in einem Thriller, sobald sich die Geschichte dem Höhepunkt nähert, gefolgt von einem unvergesslichen Ende.
Dank der nervenaufreibenden Elemente wie Spannung und Verbrechen, Verschwörung und Rache gehört der Thriller seit jeher zu den kreativen Genres (das betrifft nicht nur die Literatur), die die Aufmerksamkeit des Publikums über viele Jahrhunderte hinweg fesselten. Bei der Erwähnung des Wortes Thriller denken viele wahrscheinlich an Alfred Hitchcock und seine herausragenden Filme, zum Beispiel “Psycho”. Die Geschichte des Genres reicht jedoch weit in die Antike zurück.
“Die Streußel schmecken süß, jedoch viel süßer schmeckt der Boden noch.”
Eines muss ich vorweg schicken: Wir haben es hier nicht definitiv mit einem Jugendroman zu tun, obwohl man sich natürlich glücklich schätzen kann, wenn Jugendliche diesen Roman lesen und auch genießen können. Sicher ist Flavia de Luce ein elfjähriges Mädchen, aber – wie wir gleich sehen werden – unterscheidet sie sich in fast jeder Hinsicht von dem, was man von einem 11-jährigen Mädchen erwarten kann. Tatsächlich ist die ganze Reihe vom Goldenen Zeitalter der Krimis durchtränkt, beeinflusst von der Wertschätzung des Autors für die Arbeit von Chesterton, Agatha Christie, Conan Doyle oder Dorothy L. Sayers. Das heißt, dass es sich um herrlich altmodische Krimis handelt, die mit einigen intellektuellen Seitenhieben aufwarten.
Im Jahre 2006 war Diane Setterfield eine der meistdiskutierten Autorinnen der Welt, da war ihr Debütroman noch nicht einmal erschienen. Der Grund, warum diese englische Akademikerin für so viel Aufregung sorgte lag an einem Bieterwettstreit, den man sich auf beiden Seiten des großen Teiches zehn Tage lang lieferte, denn jeder wollte “Die dreizehnte Geschichte” unbedingt als erster haben, nachdem das Manuskript bei einem Schreibseminar, bei dem es eigentlich um die Frage ging, wie man es schafft, ein Buch zu veröffentlichen, von dem Autor Jim Crace entdeckt wurde. Dadurch wurden einige Verleger aufmerksam. Schließlich ging das Manuskript für unglaubliche 800.000 Pfund in Großbritannien und für 1 Million Dollar in den USA an die jeweiligen Gewinner. Mehrere Übersetzungsverträge wurden gleich mit unterschrieben und von Anfang an standen die Filmemacher Spalier. Das waren Dimensionen, die man bis dahin nur von Stephen King kannte (einige werden an JK Rowling denken, aber die hatte einen ganz anderen Weg zu gehen).
Deadhouse Gates ist das zweite Buch in Steven Eriksons epischer Fantasy-Serie The Malazan Book of the Fallen. Es wurde von Blanvalet in die beiden Teile Im Reich der Sieben Städte und Im Bann der Wüste gespalten. Hier gibt es das Vorgespräch zum Spiel der Götter. (Interessant anbei ist der Blurb von Glen Cook auf dem Umschlägen, einem Autor, der noch von keinem deutschen Verlag vollständig ins Deutsche übersetzt werden konnte).
Wenn es etwas gibt, das man über Steven Erikson sagen kann, dann, dass er keine Angst hat, Risiken einzugehen. Die Gärten des Mondes war ein Roman, der sich weigerte, seine Vision aufzugeben, auch wenn das bedeutet, dass viele Leser Mühe haben werden, mit ihr Schritt zu halten. Deadhouse Gates, das zweite Buch in der Serie Malazan Book of the Fallen, erfordert vom Leser ähnliche Zugeständnisse, aber es sind Zugeständnisse anderer Art. Am Ende von Die Gärten des Mondes gibt es eine ganze Menge narrativer Impulse, in in den Konflikt mit der Pannionischen Domäne führen, die aber erst im dritten Buch – Memories of Ice – aufgenommen werden. Stattdessen lässt Deadhouse Gates fast alle Charaktere aus dem ersten Buch zurück, zugunsten einer anderen Geschichte, die auf einem anderen Kontinent spielt.
Mit seinem dritten Roman “We begin at the End” hat Chris Whitaker die weltweite Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Der Autor lebt in Großbritannien, siedelt seine Romane aber mit präziser Genauigkeit in den ländlichen Vereinigten Staaten an. Oft genug ist es ja gerade andersherum. Er gewann in diesem Jahr nicht nur den Gold Dagger der Crime Writers Association, sondern wurde von vielen Fachmagazinen als bester Thriller des Jahres ausgezeichnet. Und heute schließe ich mich dem an. Erschienen ist das Buch bei Piper.
Und damit begrüße ich euch zu einer neuen Buchbesprechung. Kurz vor Schluss des Jahres kann ich jetzt also die Katze aus dem Sack lassen und behaupten, dass es für mich das Buch des Jahres ist.
Es wird Zeit über eine der erfolgreichsten Fantasy-Serien überhaupt zu sprechen. Es gibt nicht wenige Leser, die über all die Jahrzehnte von den tiefgreifenden Auswirkungen sprechen, die das Epos auf sie hatte. Das hört sich natürlich erst einmal ziemlich pathetisch an, aber es ist bei näherem Nachdenken dann doch seltsam passend, über die kapriziösen Wendungen des Schicksals des eigenen Lebens und in diesen Büchern nachzudenken. Tatsächlich kann man nämlich behaupten, dass das Schicksal in der epischen Fantasy eine prominente Stelle besetzt.
Es ist nicht selten das, wonach wir uns in Geschichten sehnen, dieses Gefühl der Mustererkennung. Wir wollen das Signal inmitten des Rauschens finden, die Synchronizität in der Zufälligkeit; wir wollen die Gewissheit, dass (zumindest in der Geschichte) alles etwas zu bedeuten hat.
Und in diesem Sinne liefert Das Auge der Welt mehr als genug. Es wäre nicht zu weit hergeholt zu behaupten, dass dieses Bedürfnis nach Mustererkennung, nach der Existenz des Schicksals, ob man es nun akzeptiert oder dagegen ankämpft, der eigentliche Sinn der gesamten Serie ist.
Und damit begrüße ich euch zu einer Sendung, die sicher nicht die einzige zu diesem Thema bleiben wird.
Das Auge der Welt ist der erste Roman einer Saga, die aus 14 Büchern besteht. Begonnen wurde sie von Robert Jordan im Jahre 1984 – auch wenn das erste Buch erst 1990 erschien -, und beendet von Brandon Sanderson 2013, weil Jordan 2007, nachdem er die ersten 11 Bände geschrieben hatte, an einer Herzmuskelschwäche starb. Sanderson schrieb die endgültigen Fassungen von Sturm der Finsternis, Mitternachtstürme und Das Vermächtnis des Lichts.
Zu den 14 Hauptbänden gibt es noch eine Vorgeschichte mit dem Titel Der Ruf des Frühlings, allgemein auch als Band 0 bezeichnet. Die Bücher sind in einer schönen Aufmachung bei Piper erschienen, gegenwärtig in einer neuen Ausstattung. Eigentlich sollte ich an dieser Stelle noch ein zwei Worte zur jetzt beginnenden Amazon-Verfilmung sagen, aber um ehrlich zu sein, interessiert mich die Adaption nicht besonders. Dass ich gerade zu diesem Zeitpunkt mit den Buchbesprechungen zum Rad der Zeit beginne, ist tatsächlich eher Zufall. Wir leben schließlich in einer Zeit, in der man versucht, alles irgendwie auf den Bildschirm zu bekommen, meist mit einem sehr unglücklichen Ausgang.
Originalcover von Darrell K. Sweet
Robert Jordans richtiger Name war eigentlich James Oliver Rigney Jr., aber er entschied sich bei der Veröffentlichung seiner Werke für das Pseudonym Robert Jordan. Jordan veröffentlichte auch unter anderen Namen wie Reagan O’Neal, Jackson O’Reilly und Chang Lung.
In der gesamten Serie werden mehrere moderne Konzepte verwendet, die bereits im ersten Buch dieser Reihe angelegt sind. In dieser Hinsicht könnte man sagen, dass Das Auge der Welt ein wenig an die Chroniken von Narnia erinnert. Einige dieser Themen sind im Buddhismus, Hinduismus, Taoismus und Christentum zu verorten. Der Kampf zwischen Gut und Böse oder Dunkelheit und Licht ist ein häufiges Thema, das sich durch den ganzen Roman zieht, ebenso wie das Konzept des Gleichgewichts in der Natur. Tatsächlich erfüllte und veranschaulichte das Auge der Welt bei seinem Erscheinen alle bekannten Fantasy-Tropen so direkt und unverblümt, dass manche schon von einem Rückschritt sprachen. Hier gibt es nichts von der heute üblichen Dekonstruktion der Fantasy, keinen postmodernen Kommentar. Das Rad der Zeit liefert Fantasy der reinsten Form, ohne Umschweife. Mit all den Vorzeichen, Intrigen, Schlachten, Prophezeiungen, Magie, fantastischen Kreaturen, Helden, Schurken, Tausenden von Kämpfern, Gut gegen Böse, dem Schicksal der Welt. Und genau deshalb ist es großartig.
Das Auge der Welt wird von vielen für einige erstaunliche Eigenschaften geliebt, wie z. B. die wunderbar detailreiche Welt, das Magiesystem und die Charaktere. Apropos Charaktere: Davon gibt es eine ganze Menge, nämlich sage und schreibe 258.
Jordans ausgedehnte, von der östlichen Religion inspirierte Hintergrundgeschichte stellt sich die Zeit und die Geschichte als ein riesiges Rad vor. Alle Ereignisse wiederholen sich, wobei zwischen den Epochen eine so große Zeitspanne liegt, dass die Ereignisse der vorangegangenen Ära bequemerweise vergessen wurden, wenn sie wieder auftauchen.
Das Rad der Zeit selbst wird von der Wahren Quelle angetrieben, der “treibenden Kraft des Universums”. Diese Quelle kann nicht aufgebraucht werden, genauso wenig wie ein Fluss durch das Mühlrad aufgebraucht wird. Sie besteht aus einer männlichen Hälfte (saidin) und einer weiblichen Hälfte (saidar). Nur Männer können magische Energie aus dem saidin schöpfen, nur Frauen aus dem saidar. Zu Beginn der Zeit gab es jedoch einen großen Streit zwischen dem Schöpfer und dem Dunklen. In der Folge wurde das Dunkle gefangen genommen.
Als die Lakaien des Dunklen versuchten, es zu befreien, und die Guten versuchten, es wieder in die Schranken zu weisen, führte der daraus resultierende Krieg zum Zerbrechen der Welt. Dadurch wurde die männliche Hälfte der Wahren Quelle mit dem Bösen befleckt. Seitdem wird jeder Mensch, der nun versucht, Zugang zu saidin zu erhalten, unwiderruflich verrückt. In den darauffolgenden Jahren wurde die Angst vor dem Dunklen durch die Prophezeiung des wiedergeborenen Drachen etwas gemildert, einer heldenhaften Gestalt, die das böse alte Dunkle erneut für immer einsperren wird. Unglücklicherweise wird es einen weiteren Weltuntergang geben, wenn es ihm gelingt.
Robert Jordans “Das Rad der Zeit” beginnt mit einer ähnlichen Szene wie der Herr der Ringe von Tolkien: Ein schwarzer Reiter folgt dem Protagonisten Rand al’Thor, einem Bauern, der auf dem Weg zu einem kleinen Dorf namens Emondsfelde bei den Zwei Flüssen ist, wo ein Fest stattfindet (ähnlich dem in Tolkiens Auenland und Bilbos 111. Geburtstag)
“Er blickte über die Schulter zurück – und zwinkerte. Nicht weiter als zwanzig Spannen entfernt die Straße hinunter folgte ihnen eine verhüllte Figur auf einem Pferd. Pferd und Reiter wirkten gleich: schwarz, matt, unauffällig.”
Jordans Szene ähnelt zwar der von Tolkien, indem er ein dunkles, bedrohliches Wesen einführt, um die Hauptfigur zu verunsichern, aber Jordan liefert genügend Details, um seine eigene Szene originell zu machen. Von Rands Grübeleien über sein Liebesinteresse, seinen Gesprächen mit seinem Vater Tam bis hin zu dem Gedanken, dass der Reiter selbst nur ein Hirngespinst gewesen ist. Sobald Rand in Emondsfelde angekommen ist, werden uns weitere Charaktere vorgestellt: Egwene (sein Schwarm), seine besten Freunde Matrim Cauthon und Perrin Aybara, und die Dorfheilerin Nynaeve.
Es ist eine Geschichte, die von der Prämisse her fast lächerlich einfach ist: Wie wäre es, wenn das Schicksal dir eines Tages auf die Schulter klopfen und sagen würde: Du darfst der Retter der Welt sein!
Und doch erfährt diese einfache Prämisse in dieser Serie eine erstaunlich komplexe Umsetzung in einer äußerst befriedigend ausgebauten Welt, die in ihrer Tiefe, ihrer Detailgenauigkeit, ihrer inneren Konsistenz und ihrem schieren Umfang offen gesagt atemberaubend ist.
Während für das bevorstehende Fest, auf das sich alle so freuen, alles normal zu sein scheint, kommt ein seltsamer Hausierer in die Stadt und bringt beunruhigende Nachrichten über den Rest der Welt, der einen ungewöhnlich langen Winter erlebt. Inmitten der seltsamen und beunruhigenden Zeiten, in denen sie sich befinden, tauchen auch eine Aes Sedai namens Lady Moiraine und ihr wortkarger Wächter Lan auf und bringen weitere beunruhigende Nachrichten aus den Ländern weit außerhalb der Grenzen. Die Anwesenheit der Aes Sedai fasziniert das kleine Dorf, doch viele sind den Aes Sedai gegenüber misstrauisch, da sie jeden in ihrer Nähe in Gefahr bringen können.
Etwas Beunruhigendes bewegt sich über die Welt und schleicht sich in ihr kleines, abgeschiedenes Dorf. Wölfe greifen ihre Schafherden an, seltsame Vorfälle ereignen sich auf der Straße, und die beunruhigende Sichtung eines schwarzen Reiters durchdringt Rands Gedanken, während er und seine engen Freunde erkennen, dass sie in Emondsfelde vielleicht nicht mehr sicher sind. Denn der Reiter ist auf der Suche nach einem von ihnen, aber nach wem?
Die Magie wird hier zunächst nur angedeutet, vom Ausbruch von Flammen zur Abwehr von Gefahren bis hin zu den Aes Sedai, die einer Schülerin einige ihrer Elemente erklären. Eine interessante Enthüllung ist, dass diejenigen, die diese Fähigkeit besitzen, Probleme bekommen können, wenn sie nicht lernen, sie zu kontrollieren. Robert Jordan hält sich mit Erklärungen hier noch zurück und erklärt nicht alles im Detail. Am Ende des Buches weiß man zwar schon einiges, aber natürlich längst nicht alles. Das ist der Plan: den Leser langsam in seine riesige Welt hineinzuziehen.
Das Auge der Welt nimmt sich Zeit, um seine Charaktere und die Welt als Ganzes vorzustellen. Von der “gefährlichen Zauberin” der Aes Sedai über unwissende, ängstliche Stadtbewohner bis hin zu einem Gaukler (im Original als Gleeman bezeichnet) und zahllosen anderen Tropen, die in der Serie als Jordans eigene Schöpfung zum Leben erwachen. Und obwohl der Roman eine Weile braucht, um in Gang zu kommen, merkt man das schleppende Tempo nicht, was einmal mehr an Jordans geschicktem Weltenbau liegt. Alles, von den Schindeln auf den Dächern der Dorfhäuser bis hin zu Rands Farm, ist sehr detailliert geschildert.
Wer das nicht mag, wird das Rad der Zeit vielleicht nicht genießen, denn Jordan hat ein Händchen dafür, alles, was er einführt, übermäßig zu beschreiben. Wenn Jordan die Charaktere schließlich auf den Weg bringt, stellt er eine Reihe anderer Städte und Personen vor, während die Hauptdarsteller zumeist mit gelegentlichen Gesprächen am Lagerfeuer oder am Straßenrand in Bewegung bleiben. Natürlich wäre eine Fantasyserie nicht vollständig ohne etwas Action, und davon gibt es in Das Auge der Welt mehr als genug: magische Zaubersprüche, die zur Abschreckung von Feinden eingesetzt werden, angreifende Monster und wilde Verfolgungsjagden (um nur einige zu nennen). Die Welt erwacht unter den Füßen der Figuren wirklich zum Leben, mit interessanten Kulturen wie den zigeunerähnlichen Tuatha’an, die überall Lieder sammeln, wo sie hinkommen, bis hin zu einer Miliz, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, diejenigen aufzuspüren, die mit bösen Wesen im Bunde stehen.
Am Ende des Buches wird man feststellen, dass es sich gelohnt hat, mit dem Lesen zu beginnen. Denn obwohl Jordans erster Teil Elemente von Tolkiens Weltenbau und Dorfbewohnern aufweist, die versuchen, die Probleme der Außenwelt zu ignorieren, entwickelt es sich am Ende zu einer eigenen, einzigartigen Geschichte.
Spätestens nach dem sensationellen Erfolg des Filmes Knives Out von 2019 war zu erkennen, dass der klassische Kriminalroman gegenwärtig eine Renaissance erlebt. Das schlägt sich zwar in unseren Breitengraden erst langsam nieder, aber auch hier ist das Interesse an der Cosy Mystery und am Whodunit wieder gewachsen. Mit den Übersetzungen klassischer Romane sind wir gegenüber aktuellen Erscheinungen gut aufgestellt, um so verwunderlicher ist es, dass der siebte Band der Nigel-Strangeways-Serie, der als einer der besten Krimis aller Zeiten in mindestens zwei relevanten Büchern zu diesem Thema aufgelistet wird, erst jetzt das Übersetzungslicht der Welt erblickt.
Macht aber nichts, denn jetzt ist er da. Klett-Cotta hat sich dieser Sache erfolgreich angenommen. Dennoch bleibt bei der Nigel-Strangeways-Reihe der bittere Beigeschmack einer Rumpfserie, denn im Gegensatz zu vielen anderen Krimireihen hat der Leser einiges davon, wenn er die Strangeways-Serie der Reihe nach liest. Was eigentlich gar nicht so einfach ist, weil viele Bände völlig willkürlich und durcheinander in unterschiedlichen Verlagen erschienen sind und außerdem längst vergriffen.
Sehr guter Zusatz. Bereichert das ganze enorm. Danke!
Ergänzung: Keith Richards spielte in Fluch der Karibik Teil 3 und 4 mit. Er übernahm die Rolle des Kapitän Teague,…
Die Swamp-Helden wirken auf mich etwas weit hergeholt. Um tiefgründige Wahrheiten über die menschliche Natur zu vermitteln, hätte ich eher…
Oh,dem stimme ich völlig zu! Danke für den Kommentar!
Vielen Dank. Ich denke, dass Mangas, Comic- und Mangamessen und Filme ebenfalls einen großen Einfluss auf die Verbreitung von Comics…