Stell dir folgende Szene vor: Du spazierst durch einen malerischen Wald. Die Vögel zwitschern in der Ferne, die Sonne scheint dir in den Nacken, als du auf einen faszinierenden Ring von Pilzen mitten im Wald stoßen. Dein erster Impuls ist wahrscheinlich, diesen seltsamen Anblick näher zu untersuchen. Wenn man jedoch auf den Volksglauben hört, sollte dein erster Gedanke sein, vor diesen Feenkreis-Pilzen wegzulaufen. Seit Jahrhunderten werden solche Erscheinungen auf der ganzen Welt mit dem Wirken von Feen, Hexen oder sogar dem Teufel in Verbindung gebracht, obwohl einige glauben, dass die Kreise ein Zeichen von Glück sind. Feenkreise waren im Laufe der Geschichte ein wichtiger Bestandteil der Folklore und fanden schließlich auch Eingang in andere Medien wie Literatur und Kunst.
Im zarten Tanz zwischen Nacht und Tag gibt es einen flüchtigen Moment, der von Legenden und Überlieferungen durchdrungen ist – eine Zeit, in der die Grenzen zwischen dem Physischen und dem Metaphysischen verschwimmen. Dieses flüchtige Intervall ist als Geisterstunde bekannt, ehemals als aber als Hexenstunde. Ein Begriff, der manchmal sowohl Angst als auch Staunen hervorruft. Die Geisterstunde wird gemeinhin als die Zeit zwischen Mitternacht und 3 Uhr morgens definiert, eine Zeit, von der man annimmt, dass übernatürliche Aktivitäten auf ihrem Höhepunkt sind.
Das Konzept geht auf die europäische Folklore zurück, der zufolge Hexen, Dämonen und andere übernatürliche Wesen in dieser Zeit besonders aktiv sind. In dieser Zeit versammelten sich Hexen zu ihrem Sabbat und nutzten die dunklen Energien der Nacht. Oft wurden diese Versammlungen als böse dargestellt und aufgrund des Aberglaubens versetzten sie viele Menschen in Angst und Schrecken. Auch ist es die Zeit, in der die Geister der Vorfahren die Lebenden besuchen kommen, und man achte darauf, diese Wesen vor dem Schlafengehen zu ehren, um etwaiges Unglück zu vermeiden.
In bestimmten afrikanischen Traditionen wird diese Zeit ebenfalls als eine Zeit erhöhter spiritueller Aktivität angesehen, in der Wahrsagerei, spirituelle Rituale und Ahnengespräche am wirkungsvollsten sind. Die Nacht dient in vielen Kulturen als Brücke zur spirituellen Welt, in der Weisheit und Führung von den Ahnen erbeten werden können. Die Vorstellung von einer Hexenstunde hat tiefe Wurzeln in der Folklore hinterlassen. In der Nacht verstärken sich unsere tiefsten Ängste, aber auch das Begehren, das Vertraute verwandelt sich in das Unbekannte und führt zu Geschichten über Spuk und unerklärliche Phänomene.
Der Begriff „Witching Hour“ lässt sich bis ins Jahr 1775 zurückverfolgen, und taucht zum ersten Mal in Reverend Matthew Wests Gedicht „Night, an Ode“ auf. Die Ursprünge reichen jedoch noch weiter zurück, als die katholische Kirche aus Sorge vor dem wachsenden Einfluss der Hexerei in Europa eine Ausgangssperre für die Zeit von 3.00 bis 4.00 Uhr nachts verfügte.
Hexenprobe; (Stich von G. Franz, 1878)
Geprägt wurde der Begriff „Hexenstunde“ erst im Jahr 1560 von Papst Pius IV. Die Hexenverfolgung hatte begonnen, da die Menschen nicht verstehen konnten, warum Krankheiten so weit verbreitet waren, und beschlossen, die Praxis der Hexerei dafür verantwortlich zu machen, wie es manche geisteskranke Kleriker empfahlen. Dies löste eine weit verbreitete Panik und Misstrauen aus, da die Menschen diejenigen anzeigten, von denen sie annahmen, dass sie die dunklen Künste ausübten. Man glaubte, dass die Hexerei vor allem während der Hexenstunde praktiziert wurde, da ihre Kräfte dann größer waren. Zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert wurden schätzungsweise 60 000 Menschen im Rahmen von Hexenprozessen hingerichtet. Im Buch Exodus des Alten Testaments (22:18) heißt es eindeutig: „Du sollst nicht zulassen, dass eine Zauberin lebt„, und die Beschuldigten wurden entweder auf dem Scheiterhaufen verbrannt, erhängt oder enthauptet. In dieser Zeit wurde auch Wasserprobe angewandt, bei der eine beschuldigte Person gefesselt ins Wasser geworfen wurde. Wer unterging, galt als unschuldig, während diejenigen, die schwammen, als Hexen überführt waren.
In der abendländischen christlichen Tradition gilt diese Stunde seitdem als Spitzenzeit für übernatürliche Aktivitäten. Von der Kirche wird dieser Zeitraum als „Stunde des Teufels“ bezeichnet, weil er der Zeit entgegengesetzt ist, zu der Jesus angeblich starb, nämlich um 3.00 Uhr nachmittags. Man glaubte, dass diese dunkle Umkehrung der Zeit es bösen Mächten erlaubte, frei umherzuziehen und die Nacht mit Schatten des Schreckens zu überziehen. Die Entscheidung der frühen katholischen Kirche, während dieser Stunde Beschränkungen aufzuerlegen, war durchaus bedeutsam. Mit diesem Erlass wurde aktiv das bekämpft, was die Kirche als das Aufkommen ketzerischer Praktiken, einschließlich Hexerei und anderer heidnischer Rituale, ansah. Die Beschränkungen zielten gleichzeitig darauf ab, diese Umtriebe einzudämmen und die Nacht symbolisch von den Bösen Einflüssen zurückzuerobern.
In der heutigen Zeit lebt die Idee der Hexenstunde als Geisterstunde weiter, wenn auch oft in einem eher spielerischen oder symbolischen Sinne. Sie ist nach wie vor ein beliebtes Thema in Filmen, Büchern und anderen Medien und spiegelt unsere anhaltende Faszination für das Mysteriöse und Makabre.
Historisch gesehen haben die Gesellschaften die Geisterstunde immer schon unterschiedlich betrachtet. Manche sagen, sie dauert von Mitternacht bis 1 Uhr morgens, während andere glauben, dass sie sich von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang erstreckt. Psychologische Studien deuten jedoch darauf hin, dass Erfahrungen mit unerklärlichen Erscheinungen am häufigsten zwischen 2:00 und 4:00 Uhr nachts auftreten und ihren Höhepunkt tatsächlich um 3:00 Uhr morgens erreichen, also dann, wenn der Melatoninspiegel am höchsten ist.
’s ist jetzt die Hexenzeit der Nacht, wenn die Kirchhöfe gähnen und die Hölle selbst ausatmet.
Ronald DeFeo; Suffolk County Police Department photographic records.
Eine der berühmtesten Horrorgeschichten der Welt beruht auf tragischen Ereignissen aus dem wirklichen Leben. Am 13. November 1974 um 3 Uhr morgens erschoss Ronald DeFeo, Jr. seine Mutter, seinen Vater und seine vier Geschwister, während sie in ihren Betten schliefen. Um 18 Uhr desselben Tages betrat er eine örtliche Bar und schrie: „Ihr müsst mir helfen! Ich glaube, meine Mutter und mein Vater sind erschossen worden!“ Die Morde ereigneten sich in der Ocean Avenue 112 in Amityville, Long Island, das heute vor allem durch den Film Amityville Horror bekannt ist. Die Ereignisse rund um die Morde waren insofern ungewöhnlich, als die Nachbarn keine Schüsse hörten und keines der Familienmitglieder aufwachte, als die ersten Schüsse abgefeuert wurden. Außerdem lagen alle Familienmitglieder mit dem Gesicht nach unten in ihren Betten, und es gab keine Anzeichen eines Kampfes. Die Morde bestätigten den Glauben, dass 3 Uhr morgens die Stunde des Teufels ist, da DeFeo den Ermittlern erzählte, dass er zuvor Stimmen in seinem Kopf gehört hatte und sich in einem tranceähnlichen Zustand befand und erklärte: „Als ich einmal angefangen hatte, konnte ich einfach nicht mehr aufhören.“ DeFeo wurde des sechsfachen Mordes zweiten Grades für schuldig befunden und zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.
Eine urbane Legende aus Mexiko, die als La Mala Hora bekannt ist, wird mit „Die böse Stunde“ übersetzt. Die Legende besagt, dass um 3 Uhr morgens ein böser Geist auftaucht, der einsame Reisende in der Nacht heimsucht. Sie hat das Aussehen einer alten Frau mit dem Gesicht eines Dämons, und wenn man das Pech hat, ihr zu begegnen, wird angeblich ein geliebter Mensch bald sterben. Diejenigen, die in abgelegenen Gegenden auf dem Land unterwegs sind, werden von den Einheimischen gewarnt, dass sie wahrscheinlich auf ihre unheimliche Präsenz stoßen werden. Es wird vermutet, dass der Ursprung der Spuklegende darin liegt, alle davon abzuschrecken, spät in der Nacht allein unterwegs zu sein, und als Warnung zu dienen. Dass sich La Mala Hora in der Dunkelheit der Nacht an Orte am Stadtrand heranpirscht, ist auch ein Symbol dafür, dass das Übernatürliche an diesen Grenzen lauert – vor allem um 3 Uhr morgens.
Im Jahr 1910 beschrieb Aurelio Espinosa la Mala Hora oder la malogra als einen bösen Geist, der nachts die Kreuzungen heimsucht und diejenigen jagt, die allein auf der Straße unterwegs sind. Wer ihn sieht, wird unweigerlich in den Wahnsinn getrieben. Laut Espinosa sieht La Malogra wie ein großes Wollknäuel oder eine schwarze Wolke aus, das sich vor dem Betrachter ausdehnt und zusammenzieht. Sie erscheint selten in menschlicher Gestalt, aber wenn, dann ist es ein sicheres Omen des Todes. Modernere mexikanische Versionen beschreiben sie auch als eine furchterregende Frau in Schwarz, die Reisenden nachts erscheint, wenn ein Todesfall bevorsteht.
Der Grüne Mann ist ein Waldgeist, der seit Hunderten, vielleicht sogar Tausenden von Jahren in der Folklore verankert ist. Die Legende vom Grünen Mann stammt angeblich aus Europa, doch es gibt Geschichten und Belege dafür auf der ganzen Welt. Googelt man nach diesem Wesen, findet man eine Fülle von Informationen über seine Motive und Skulpturen, die in Kirchen in ganz Europa zu sehen sind. Doch hinter der Legende des Grünen Mannes steckt mehr.
Während der Grüne Mann in der heutigen Zeit als Gartenkunstwerk betrachtet wird, war er für unsere heidnischen Vorfahren einst ein Waldgott und der ultimative Wächter des Waldes.
Es ist der Botanische Garten, der nach dem Erbe der Erdgeschichte riecht, und wo sich 300 Millionen alte Farne über die Köpfe schwingen. Ein großer Kaffee vor Ort kostete nur 3 Euro und war zudem… Botanischer Garten und Schloss Nymphenburg weiterlesen
Dem Tod so nah ist kein Pageturner im klassischen Sinne, sondern ein Noir-Horror über das Sehen: über den Blick, das Bild, das Begehren – und den ethischen Preis der Kunst. Der Roman besticht durch eine… Generation Loss (Dem Tod so nah) – Elizabeth Hand weiterlesen
Es ist nur eine kleine Geschichte in einem großen Buch. „Nichts Besonderes“, könnte man meinen, und gleich zur nächsten weiterziehen. Doch es lohnt sich, hier kurz innezuhalten und genauer hinzusehen. Robert Arthur war ein Schriftsteller,… Glauben Sie an Gespenster? / Robert Arthur weiterlesen
In M. R. James‘ literarischem Universum ist Latein die Sprache der Gelehrten – wer etwas auf sich hält, beherrscht sie fließend. Dies gilt nicht nur für James, sondern erinnert auch an Umberto Eco. Folgerichtig beginnt… Der Schatz des Abtes Thomas / M. R. James weiterlesen
Edgar Allan Poe wird häufig als der Erfinder der Detektivgeschichte bezeichnet. Tatsächlich war er nicht der erste, der eine Kriminalgeschichte schrieb (wie ich bereits in einem anderen Artikel dargelegt habe), aber als Vater der modernen… Die Morde in der Rue Morgue weiterlesen
In einer Welt, die vom Alltagstrott gefangen gehalten wird, gibt es ein Getränk, das seit Jahrhunderten unsere Sinne erweckt und die Flamme unserer Leidenschaften entfacht. Dieses geheimnisvolle Elixier, kein geringeres als der Kaffee, hat Revolutionen… Wie Ziegen den Kaffee erfanden weiterlesen
Durch die Gassen des Todes, durch den Abfall der Zivilisation torkelt er auf der Suche nach seiner Herkunft, einem Ziel, an das er sich klammern kann. Der Druck in seinem Kopf wird ihn töten, aber… Fragment einer Nacht weiterlesen
Im Deutschland des 16. Jahrhunderts hatte man es als Bauer nicht leicht. Noch schwieriger war es, wenn man beschuldigt wurde, ein Werwolf zu sein, der einen Pakt mit dem Teufel geschlossen hatte. In einer Zeit,… Der Werwolf von Bedburg weiterlesen
Eva García Sáenz de Urturi entführt uns mit „Die Stille des Todes“ in die mystische Atmosphäre der baskischen Stadt Vitoria und in einen komplexen, vielschichtigen Kriminalfall, der Vergangenheit und Gegenwart miteinander verwebt. Ein Serienmörder kehrt… Die Stille des Todes / Eva García Sáenz de Urturi weiterlesen
Die Geschichte „Das verräterische Herz“ wurde erstmals 1843 im Pioneer, einem Bostoner Magazin, veröffentlicht. Mord ohne Motiv In dieser Erzählung finden sich alle Elemente der Schauerliteratur auf engstem Raum: das unterschwellige Geheimnis, das unheimliche Gebäude… Mord ohne Motiv in Edgar Allan Poes „Das verräterische Herz“ weiterlesen
Ein Mann mit durchtrennter Kehle wird in seinem Haus in einem geschlossenen Viertel (Barrio Cerrado) in Buenos Aires von seiner Haushälterin aufgefunden. Hat er Selbstmord begangen? Wurde er getötet? Und wenn ja, warum? Hat sein… Betibú / Claudia Piñeiro weiterlesen
Vergessen Sie Tinkerbell – die Feen der Folklore vergangener Jahrhunderte waren nicht mit denen in den heutigen Geschichten zu vergleichen. Wenn die meisten Menschen an Feen denken, stellen sie sich vielleicht die glitzernde Tinkerbell aus… Die echten Feen entführten Kinder und tranken menschliches Blut weiterlesen
Sehr guter Zusatz. Bereichert das ganze enorm. Danke!