Der Gesundheit zuliebe habe ich alle Konserven runter zum Fluss gebracht. Ich hab sie da natürlich nicht reingeworfen, sondern am Ufer vergraben, vorher aber überall ein Loch reingemacht, damit das Ungeziefer besser ran kann. Die können ja scheinbar gut mit Giften, sonst würden sie ja viel öfter auch auf unseren Krankenstationen landen. Tun sie aber nicht. Ich weiß, das ist eine fürchterliche Beweiskette, aber ich hab ja auch nur eine einfache Schule besucht, und vom Maschen aufnehmen und fallen lassen versteht man keine höhere Mathematik.
Die Kryptozoologie und Kryptobotanik sind voller schillernder Erzählungen über mysteriöse Kreaturen und ungewöhnliche Pflanzen. Während das legendäre Ungeheuer von Loch Ness und der sagenumwobene Bigfoot in der Öffentlichkeit weit bekannt sind, gehören die erzählten Geschichten über menschenfressende Bäume auf Madagaskar oder die gefürchteten mongolischen Todeswürmer zu den weniger verbreiteten, aber nicht minder schaurigen Legenden.
Die Geschichte der Vampire ist umstritten. Manche behaupten, sie seien “so alt wie die Welt”. Neuere Forschungen deuten jedoch darauf hin, dass unser Glaube an Vampire und Untote in 18. Jahrhundert entstand, als die ersten europäischen Berichte über dieses Phänomen erschienen.
Wir wissen, dass 1732 das Annus Mirabilis des Vampirs war. In diesem Jahr wurden 12 Bücher und 4 Dissertationen zu diesem Thema veröffentlicht. Laut dem Gothic-Experten Roger Luckhurst taucht der Begriff “Vampir” in diesem Jahr zum ersten Mal auf. Archäologische Funde ungewöhnlicher Bestattungen in Europa in den letzten Jahren legen jedoch nahe, dass der Glaube an Vampirismus und Wiedergänger die Menschen schon vor 1500 beschäftigte.
Im ersten Kapitel werden wir von Hohlbein direkt ins Geschehen geworfen und befinden uns mit einer Heldengruppe auf dem Weg nach Combat. In Kapitel 2 erfahren wir nun zumindest einen Teil der Hintergründe. Hohlbein webt uns die Vergangenheit und Combat selbst von Kapitel zu Kapitel ineinander. Allerdings gibt es hier nicht wirklich eine Einteilung in Kapitel, es finden sich nur kurze Trenner. Für unser Deep-Reading ist es aber besser, sich an (fiktive) Kapitel zu halten.
Enwor, Südosten
Wie eine Vision aus einer längst vergangenen Zeit liegt Combat jetzt vor ihnen, eine Stadt aus titanischen Säulen, gewaltigen Kuppeln und makellosem weißen Stein. Doch das Seltsamste ist nicht ihre Größe oder ihre Bauweise, sondern die Flammen, die sie umhüllen. Ein Meer aus Feuer lodert über den Straßen, schwappt gegen Mauern, umarmt die Türme – und doch bleibt Combat unberührt. Die Stadt, die dem Atem der Götter zum Opfer gefallen ist, steht noch immer, während die Flammen toben, als wären sie nichts weiter als ein Vorhang aus Hitze und Licht.
Skar steht am Rand des Plateaus und begreift, warum sie hier sind. Warum Vela, die geheimnisvolle Errish, alles daran gesetzt hat, Combat zu erreichen. Denn tief in der Stadt verborgen liegt eine Macht, die selbst die Flammen der Götter überdauert hat. Die Götter hatten die Erbauer Combats vernichtet, ihre Körper in Asche verwandelt und ihre Namen aus der Geschichte getilgt, aber vermutlich ist es der Stein der Macht (der Grund, warum sie alle hier sind), der die Stadt unversehrt hält. Wer ihn besitzt, wer seine Kraft entfesselt, wird nicht nur Combat beherrschen – sondern die ganze Welt, und genau darauf hat es Vela abgesehen.
Noch nie zuvor hat Skar so deutlich gespürt, dass er nur eine Spielfigur in einem viel größeren Spiel ist. Gowenna, die ihn bisher kaum eines Blickes gewürdigt hat, erklärt ihm, das es einen Weg in die Stadt gibt, ohne zu verbrennen. Tief unter Combat erstreckt sich ein uraltes Netz aus Tunneln, verborgen unter den Mauern. Einst aus dem Fels geschlagen von den Erbauern selbst, um die Stadt zu verbinden, um das, was tief in ihrem Kern verborgen liegt, zu bewachen. Doch Gowenna war schon einmal dort. Und sie weiß, was unten wartet. Wesen. Dinge, die nicht sterben können. Skar erkennt, was das bedeutet. Gowenna hat bereits versucht, den Stein der Macht zu erreichen. Und sie ist gescheitert. Aber sie spricht nicht darüber, so wie sie überhaupt einen abweisenden Eindruck macht.
Ikne
In einer Rückblende sehen wir Skar, der sich seit sechs Monaten in Ikne aufhält. Del und er blicken einem Stadionkampf entgegen, bei dem es nicht um Leben oder Tod geht, sondern im Grunde nur um Geld, das die beiden benötigen, um ihre Schulden zu bezahlen und dann weiterziehen zu können. Hier bekommen wir einen eingeflochtenen Hinweis auf den ersten Band, als Del und er versuchten, die Nonakesh-Wüste zu durchqueren, auf der Flucht vor den Quorrl. Man könnte zwar meinen, das seien die “Orks” in Enwor, aber weit gefehlt! Auch wenn sie als die größte Bedrohung für Enwors Zivilisationen dargestellt werden, bewegt sie doch etwas anderes. Was das ist, werden wir wohl erst später erfahren.
Rache, zwei betrunkene Soldaten und groß im Hintergrund: Gowenna
Der Sturm hat die Straßen leergefegt, der Regen prasselt in Sturzbächen auf die Stadt nieder. Selbst das Händlerviertel, sonst bis tief in die Nacht belebt, liegt verlassen da. Doch in einem Haus brennt immer Licht: In Raches Wacht. Die heruntergekommene Taverne ist der einzige Ort in Ikne, der rund um die Uhr geöffnet hat. Hier verkehren zwielichtige Gestalten, Soldaten, die sich an schlechtem Wein betrinken, und solche, die zu viel wissen. Skar betritt die Taverne in der Hoffnung, Del dort zu finden, schließlich sollten sie sich noch etwas ausruhen, bevor ihr Stadionkampf beginnt. Doch sein Kamerad ist nicht da, schlägt sich irgendwo in Ikne die Nacht um die Ohren. Stattdessen belauscht er ein Gespräch, das ihm eine neue Gefahr offenbart.
Der bevorstehende Kampf in der Arena ist eine Falle, heißt es da. Seit Wochen setzt die Stadt ihr Geld darauf. Skar und Del gelten als unbesiegbar, doch die Wettquoten sprechen eine andere Sprache. Eine Intrige ist gesponnen worden – wenn die richtigen Männer auf ihre Gegner setzen, werden sie reich. Und Skar? Er wird die Arena nicht lebend verlassen. Das Gerücht macht die Runde, dass der Scharfrichter bereits sein Beil geschliffen hat, falls die beiden Satai betrügen und wider aller Erwartung vorgeben, den Kampf zu verlieren.
Skar spürt die Blicke auf sich. Eine Fremde sitzt in einer dunklen Ecke, schlank, bewaffnet, und beobachtet ihn mit kalter Ruhe. Ihr Auftreten ist zu selbstsicher, zu kontrolliert, als dass sie nur eine gewöhnliche Besucherin sein könnte.
Als er die Schenke verlässt, folgt sie ihm in den Regen. Hier begegnet er also Gowenna zum ersten Mal. Mit dunkler Kapuze über dem Gesicht tritt sie aus den Schatten und fordert Skar auf, sie zu begleiten. Sie will mit ihm reden, doch nicht hier, nicht unter den Augen eines Wirtes, der zu viel weiß, und Soldaten, die sich alles zu ihrem Vorteil merken. Es gäbe einen Auftrag für ihn. Skar folgt ihr widerwillig, aber neugierig durch die dunklen Gassen, während der Sturm um sie tobt. Die Stadtmauer erhebt sich vor ihnen, und schließlich betreten sie ein verborgenes Haus, das tiefer in den Schatten liegt als alle anderen. Und dort wartet sie auf ihn: Vela, die Errish, eine der ehrwürdigen Frauen, die auch als Hexen bezeichnet werden. Geheimnisvollen Frauen, die aus den Schatten heraus die Geschicke der Welt lenken. Niemand kennt das wahre Gesicht einer Errish. Niemand weiß, woher sie kommen. Doch alle fürchten ihre Macht. Und jetzt steht eine von ihnen vor ihm und sieht fast aus wie ein junges Mädchen.
Skar musterte sie offen und mit einer Mischung aus Ehrfurcht und unverhohlener Neugier. Sie war noch jünger, als er im ersten Moment geglaubt hatte — vielleicht fünfundzwanzig, kaum älter, obwohl, wie er rasch in Gedanken hinzufügte, Jugend — äußerlich sichtbare Jugend — bei einer Errish nicht viel bedeuten mußte. Sie hatte ein hübsches, ehrlich wirkendes, rundes Gesicht. Um ihren Mund lag ein energischer Zug, und ihre Augen, dunkle Augen, blickten mit einer seltsamen Mischung aus Lebenslust und Ernst in die Welt. Ihr Haar war, wie bei den Errish üblich, im Nacken zusammengeknotet und von einer goldenen Spange gehalten; das einzige, was nicht grau war an ihr. Dunkles Haar, das sehr lang und sehr schön sein muß, wenn es offen herabfällt, dachte Skar. Aber was er sah, war nichts, denn ihr Äußeres war nur eine Maske, perfekt bis ins Letzte, doch nicht mehr als Schein. Niemand hatte je das wirkliche Gesicht einer Errish gesehen.
Doch Vela hat nicht vor, ihre Zeit zu verschwenden. Sie will, dass er den Stein der Macht aus Combat holt, und Skar hält das alles nur für Geschichten, die man sich am Lagerfeuer erzählt. Er lehnt ab, was Vela aber einkalkuliert hat. Sie gibt ihm Bedenkzeit, lässt aber durchblicken, dass sie ein Nein nicht akzeptieren wird.
Wir spüren hier also das Verhängnis bereits nahen. Wir haben einen anstehenden Kampf, der allem Anschein nach bereits abgekartet ist, obwohl Skar nichts davon weiß, wir haben eine Errish, die ein Ziel verfolgt und einen unnachgiebigen Satai. All das sind Voraussetzungen, die uns vorerst erklären, warum Skar durch ein eisiges Gebirge stapft, mit einem Lederbeutel um den Hals, der ein Gegengift enthält. Und auch wenn wir das alles erraten könne, ist es doch Hohlbeins Ausführung der Geschichte, die zwar ihre Schatten für den Leser stets vorauswirft, dann aber in eine Richtung mündet, die keineswegs so leicht vorauszusehen war.
Im alten Rom, einer Welt voller Machtspiele und Intrigen, tauchte im ersten Jahrhundert eine Frau auf, die die Kunst des Tötens zur Perfektion brachte. Ihr Name war Locusta, und sie war eine Giftmischerin aus Gallien, die zu den berüchtigtsten Persönlichkeiten ihrer Zeit werden sollte. Trotz der begrenzten Aufzeichnungen über sie ist eines gewiss: Locusta war nicht nur eine tödliche Bedrohung für ihre Feinde, sondern auch eine der ersten Serienmörderinnen der Geschichte.
War Der wandernde Waldnoch ein Buch, das gut für sich selbst stehen konnte, beginnt mit Die brennende Stadt die Trilogie um den Stein der Macht und damit die eigentliche Sage um Enwor, die noch immer eine der faszinierendsten Arbeiten aus der Feder von Wolfgang Hohlbein ist, vor allem, weil sie zu einer Zeit geschrieben wurde, da vieles in der Fantasy noch als Tolkien-Klon oder Dungeons & Dragons-Abenteuer angelegt war.
Die Geschichte beginnt mit einer Gruppe von zehn Reisenden, die sich durch eine unbarmherzig kalte Berglandschaft kämpfen. Ihr Ziel ist die legendäre, als verflucht geltende Stadt Combat, die tief in einem Tal verborgen liegt. Der Weg dorthin ist brutal – eisige Temperaturen, ein tobender Schneesturm und die Erschöpfung zehren an Körper und Geist der Reisenden.
Im Herbst 1974 befanden sich Stephen King und seine Frau auf der Durchreise nach Estes Park, einer Stadt in Colorado, 80 Kilometer von Denver entfernt, ein beliebter Sommerurlaubsort und der Sitz des Rocky Mountain National Park, der am Big Thompson River liegt.
Wegen der zunehmend verschneiten Straßen waren sie gezwungen, sich eine Unterkunft zu suchen. Das Stanley, das einst zu den großen alten Damen des Westens gehörte, hatte schwere Zeiten hinter sich und war nur noch ein Schatten der Edwardianischen Zeit, um nicht zu sagen, es war alt und heruntergekommen. Als die Kings ankamen, erfuhren sie, dass das Hotel für den Winter geschlossen war – die Saison hatte ohnehin nicht viel hergegeben – und nur noch eine Notbesatzung war übrig, die den sanften Puls des Gebäudes in Betrieb halten sollte. Zahlende Gäste konnte man jedoch unter keinen Umständen ablehnen, und schon gar nicht, wenn es sich um jemanden handelte, der die Aura einer mächtigen Zukunft ausstrahlte Das Paar wurde als einzige Gäste in der Präsidentensuite einquartiert, dem heute berühmten Zimmer 217.
Die Geschichte vom Däumling, von den Brüdern Grimm auch “Daumesdick” oder “Daumling” genannt, ist das älteste englische Märchen, das in gedruckter Form vorliegt. Sicherlich gibt es Märchen, die noch älter sind, das Motiv des Rumpelstilzchens zum Beispiel ist über 4000 Jahre alt, aber das älteste erhaltene gedruckte Märchen ist “The History of Tom Thumbe” von Richard Johnson. Es wird vermutet, dass nur ein einziges Exemplar des Originaldrucks aus dem Jahr 1621 erhalten ist. Möglicherweise handelt es sich aber bereits um einen Nachdruck.
Und so alt die gedruckte Geschichte vom Däumling auch ist, die (mündliche) Legende von Tom Thumb ist noch älter, denn in Texten aus dem sechzehnten Jahrhundert finden sich zahlreiche Hinweise darauf.
Hier ist die Zusammenfassung der Geschichte:
Zur Zeit von König Artus heiratete in Britannien ein Pflüger namens Thomas in der Hoffnung, Kinder zu bekommen. Seine Frau war jedoch nicht in der Lage, ihm Kinder zu gebären, und so drängte er sie, den Zauberer Merlin aufzusuchen, um zu sehen, ob er ihnen mit Hilfe der Magie ein Kind schenken könne – selbst wenn das Kind nicht größer als sein Daumen wäre, würde er zufrieden sein. Die Frau geht zu Merlin, der zaubert und sagt der Frau des Pflügers, dass sie in drei Monaten einen Jungen gebären wird, der tatsächlich nicht größer als der Daumen ihres Mannes sein wird.
Drei Monate später bringt die Frau einen Jungen zur Welt, der wegen seiner Winzigkeit Tom Thumb genannt wird. Er trägt winzige Kleider und beginnt, mit den anderen (erwachsenen) Kindern auf der Straße zu spielen, wobei er oft gewinnt, weil er seine geringe Größe ausnutzen kann, um in ihre Taschen zu schlüpfen und zu betrügen. Einmal geht das nach hinten los, als er in einer Kiste eingeschlossen wird, die einer der Jungen aus dem Dorf trägt.
Wegen der Schrammen behält ihn seine Mutter zu Hause, wo sie ihn im Auge behalten kann. Aber auch dort ist er wegen seiner geringen Körpergröße nicht sicher. An Weihnachten fällt er in den Puddingteig, als seine Mutter einen Weihnachtspudding zubereitet und, ohne zu wissen, dass sich ihr Sohn darin befindet, einen der Puddings einem Kesselflicker gibt. Zum Glück bemerkt der Kesselflicker Toms Anwesenheit im Pudding, bevor er ihn essen kann, und Tom Thumb kehrt nach Hause zurück.
Dann wird er von einer Kuh verschluckt, als er mit seiner Mutter auf dem Feld ist, während sie die Kühe melkt. Die Kuh “befördert” Tom durch ihren Körper nach draußen, und Tom wird nach Hause gebracht, um ein ausgiebiges Bad zu nehmen, wie man sich leicht vorstellen kann.
Auch als sein Vater auf ihn aufpasst, geht es dem Däumling nicht besser. Als er mit seinem Vater auf einem Feld spazieren geht, wird er von einem Raben entführt, der ihn in das Schloss eines Riesen wirft. Der Riese verschlingt ihn, spuckt ihn aber wieder aus, nachdem Tom einen Riesenaufstand gemacht hat. Doch Tom wird ins Meer gespuckt, wo ihn ein Fisch frisst.
Als der Fisch gefangen wird und ein Koch ihn am königlichen Hof – ausgerechnet am Hof von König Artus – zubereiten will, entdeckt der Koch den Däumling im Bauch des Fisches und er ist wieder frei (auch wenn er noch einmal gewaschen werden muss).
Das ist der Moment, in dem der Däumling reich wird – oder zumindest der Moment, in dem sich sein Schicksal wendet. Denn Tom Thumb wird zum Zwerg von König Artus, um ihn am Hof zu unterhalten.
Tom ist bei den Frauen am Hof sehr beliebt und reist manchmal nach Hause, um seine Eltern zu besuchen und ihnen Geld zu bringen. Auf einer seiner Reisen findet ihn eine Elfenkönigin auf einer Rose schlafend und hinterlässt ihm einige magische Gegenstände. In den meisten Versionen des Däumelingmärchens sind dies ein verzauberter Hut des Wissens, ein Unsichtbarkeitsring, ein Gürtel, der seine Gestalt verändert, und Schuhe, die es ihm ermöglichen, im Handumdrehen überall hin zu reisen.
Zu den späteren Abenteuern des Däumlings gehört eine Fahrt in einer winzigen Kutsche aus Walnussschalen. Tom trifft auf den Riesen Gargantua und sie messen ihre Kräfte. Tom setzt seine Zauberkräfte ein, um sich zu retten, als Gargantua sich ihm in den Weg stellt und versucht, ihm etwas anzutun.
Märchensammler bezeichnen diese Geschichte nicht selten als “mehr eine glorreiche Idee als eine glorreiche Geschichte”. Sie gehen sogar davon aus, dass ” Tom Thumb ” als Prototyp diente und damit die Richtung für die Erzählung und Handlung späterer Märchen vorgab.
Statt einer klaren, zusammenhängenden Erzählung erhalten wir eine Reihe von Abenteuern in Episodenform, obwohl die Reise von Tom Thumb insofern dem traditionellen Märchenbogen entspricht, als er am Ende beliebt und erfolgreich ist.
Er wird nicht nur berühmt und bewundert (vor allem von den Frauen am Königshof), weil er so klein ist, sondern er erwirbt auch magische Fähigkeiten, die es ihm ermöglichen, sich vor den “Großen” (wie dem Riesen Gargantua in der französischen Folklore) zu schützen, die ihm Böses antun wollen. Es lernt, mit seiner Kleinheit umzugehen, zu gedeihen und zu überleben, obwohl es schon früh mit Gefahren konfrontiert wird (von denen viele darin bestehen, gefressen zu werden).
Heute ist das Bethlem Royal Hospital in London eine moderne psychiatrische Klinik. Wer jedoch das Pech hatte, in früheren Zeiten dort eingeliefert zu werden, weiß, warum sein Name noch heute für Chaos und Wahnsinn steht. Das Bethlem Hospital (schon früh zu “Bedlam” abgekürzt) war die erste Irrenanstalt Europas. Es wurde 1247 von der Kirche als Almosenhaus gegründet und war 1357 die erste Einrichtung, in der versucht wurde, psychisch Kranke zu behandeln. Der italienische Bischof Goffredo de Prefetti gründete die Einrichtung, um durch Almosen Geld für die Kreuzzüge zu sammeln.
Das Titelbild stammt aus der Reihe “The Painful Chamber Masterworks”. Ich ließ mich in einem Abbruchhaus mit einem zerschlissenen Kleid ablichten, das einen gewissen roten Faden – auch in den Texten – bildet, vor allem aber in der später auftauchenden Erzählung “Das blaue Kleid”.
Als die Telefonie noch analog verlief, kam es vor, dass man mit der Wählscheibe nur halbe Ziffern wählte, weil man nicht bis zum Stopper durchzog. Meist passierte nichts weiter und es blieb still in der Leitung, bis auf das Hintergrundrauschen, das man auch zu hören bekam, bevor ein Freizeichen erschien, wenn auch nur kurz. Das Besetztzeichen hingegen erklang sofort. Die Vorstellung aber, doch durchgestellt zu werden, in eine Zwischenzone zu gelangen, war stets vorhanden. Doch wie lange hätte man warten sollen? Geister rühren sich erst dann, wenn sie erkennen, dass jemand einen langen Atem hat. Geduld ist ihre Währung. Eine andere Sache ist es jedoch, eine Nummer zu wählen, die es schon lange nicht mehr gibt, und die nicht vergeben werden kann, weil ihre Zeichenfolge aus einer anderen Epoche stammt. Man denke an ein Restaurant oder Hotel, weil deren Adressen noch leicht zu eruieren sind. Das Restaurant Schlichter im Berlin der 1920er Jahre, einer Zeit also, die viele verzweifelte Stimmen konservierte. Ausbacher Straße 46, Fernruf Amt Steinplatz 15610. Auch hier ist Geduld von Nöten, aber anders als bei einer Nummer, bestehend aus halben Ziffern, bestand dieser Anschluss in unserer Dimension. Was will man den Concierge fragen? Erkundigt man sich nach einem damals berühmten Gast oder gibt man sich zu erkennen als derjenige, der man ist? Ein verlorengegangenes Schattenwesen.
Rebecca ist zweifellos der beste Roman, den DuMaurier in ihrem Leben geschrieben hat. Er wurde 1938 unter großem Beifall veröffentlicht und ist bis heute sehr gefragt. Die Originalausgabe ist nicht ein einziges Mal vergriffen, außer natürlich bei uns. Gekonnt spinnt die Autorin eine Geschichte voller Geheimnisse und Spannung um das schöne Haus Manderley – ein Geheimnis, das auch nach der letzten Seite nicht ganz gelüftet wird.
Der immense Erfolg, den Rebecca im Laufe der Jahre hatte, ist auf die brillante Einfachheit der Erzählung zurückzuführen, mit der es der Autorin gelang, jeden Absatz spannungsgeladen zu halten. Du Maurier war nicht die intellektuellste aller Schriftstellerinnen. Sie schuf Gefühlslandschaften, in denen man nach Herzenslust wandeln und seinen unbändigen Sehnsüchten freien Lauf lassen konnte. Vielleicht war es gerade ihr gespanntes Verhältnis zu den Geschlechtern, das es ihr ermöglichte, Welten zu erschaffen, in denen Menschen wie Häuser geheimnisvoll und wandelbar sind und nie das sind, was sie auf den ersten Blick zu sein scheinen.
Die Geschichte selbst ist raffiniert um eine Welt voller Geheimnisse vor der Kulisse des schönen Manderley gesponnen. Mit jeder Zeile, die du Maurier schreibt, steigt die Spannung, bis der Leser die Wahrheit erfahren will. Gleichzeitig ist nicht klar, ob man dieser Wahrheit trauen kann.
In den letzten Monaten waren hier viele Anomalien am Nachthimmel zu beobachten gewesen. Seltsam scheint es mir, dass dieses weltweite Phänomen hierzulande nicht wahrgenommen wurde; wobei: was man nicht wahrnimmt, darüber kann man schwerlich sprechen. Gerade die Deutschen sind ein sehr dummes Volk. Das Mond tat ebenfalls, was er wollte, obwohl das nicht stimmen kann, weil sonst alle Wasser aus der Büchse geschwemmt wären, unser eigenes hätte uns wohl das Gehirn zertrümmert. Kein Jammer.
Er schreitet über die Wolken als wären sie aus Luft (was sie auch sind)
Das Jetzt wird lange her sein wenn ich beginne zu sprechen von Dingen die waren Dingen die nie sein werden aber im Moment festgehalten werden von den Gedanken den schönen wie den lästigen sich wiegend wie grüne Zweige entdeckt schon von Vögeln und ihrem richtungsweisenden Flug
Er bevorzugte Inselromane, irgendwas Düsteres in der Einsamkeit (als ein Gedicht aufschnappte zerrte er es mit seinem Ledergürtel wieder fest)
Morse ist ein interessanterer Charakter. Er ist ein Mann, der den Leser fasziniert, dem man aber auch mit Vorbehalten gegenübersteht. Lewis findet ihn zuweilen unnötig grob, und das ist er auch. Morse ist ein Effekthascher wie viele großen Detektive, und seine Grobheit dient dazu, die Leute aufzurütteln. Außerdem ist er ein rasender Egoist. Er sagt den Leuten, die er trifft, ziemlich oft, dass er “den besten Verstand in ganz Oxford” hat. Interessanterweise zeigt er es dann auch. Morse vereint viele widersprüchliche Charaktereigenschaften. Bewunderung und Abscheu liegen nah beieinander, und das ist der Grund, warum Morse so ein überragendes literarisches Gesicht und Gewicht trägt.
Dabei musste Colin Dexter nicht lange nachdenken, wie er seinen Inspektor anlegt. Er nahm sich selbst als Vorbild. Nicht nur, was das Interesse an Bier, englischer Literatur, kryptischen Kreuzworträtseln usw. betrifft, sondern gerade von der Persönlichkeit. Beim Lesen der Morse-Romane hat man unweigerlich das Gefühl, Colin Dexter selbst vor sich zu haben und nicht etwa nur eine fiktive Figur. Morse kennt – wie Dexter – seine Fehler nur zu genau, ist aber nicht imstande, sich für sie zu entschuldigen.
Im dritten Roman der Serie – Die schweigende Welt des Nicholas Quinn – bekommen wir eine Figur, der Dexter durch seine eigenen Lebenserfahrungen Glaubwürdigkeit verleiht. Natürlich sind all diese Romane im Milieu des Oxford-Bildungssystems angelegt, weil Dexter sich dort hervorragend auskannte. Dexter war ein Lehrer, der wegen Taubheit in den Ruhestand gehen musste. Danach nahm er eine Stelle in der Prüfungskommission an, die der des Nicholas Quinn im Roman ziemlich ähnlich ist. Quinn bekommt den Zuschlag im Verband für Auslandsprüfungen, obwohl er fast taub ist. Nicht lange danach wird er – mit Zyankali vergiftet – aufgefunden. Es sollte zwar wie Selbstmord aussehen, aber Morse lässt sich wie gewöhnlich nicht täuschen.
Später im Roman findet Morse heraus, dass Quinn ein außergewöhnlicher Lippenleser war und etwas belauscht hatte, das man eigentlich nicht verstehen konnte, wenn man nicht über dieses Talent verfügte. Dexter geht darauf ein, wie Morse herausfindet, dass bestimmte Buchstaben für Lippenleser schwer zu unterscheiden sind. Er verhaftet den falschen Mann und stellt dann fest, dass er aufgrund der Ähnlichkeit zwischen dem Namen des tatsächlichen Mörders und dem des Verhafteten auf die falsche Person kam.
Es ist fast so, als ob Dexter sich in diesem Roman selbst in zwei Teile spaltete. Da ist sein Alter Ego Morse und gleichzeitig das Opfer – ein Abbild seiner eigenen Taubheit. Die Romane sind nicht zuletzt deshalb so interessant zu lesen, weil Dexters Wissen, das überall einfließt, eher persönlich als recherchiert ist. Er kennt Oxford; und jeder, der gerne durch die berühmteste aller Universitätsstädte geführt wird, ist hier an der richtigen Adresse. Tatsächlich sucht Dexter in keinem Roman dieselben Teile Oxfords auf. Gelegentlich wird eine Hauptverkehrsstraße wie die Woodstock Road erwähnt, aber nie dieselben Gebäude, Pubs oder Vororte, so dass am Ende ein kompaktes Panorama entsteht.
Im Grunde sticht aus den 13 Romanen kein einziger wie ein Turm hervor. Sie alle sind hinterhältig und voller Ablenkungsmanöver, und auch wenn man noch so gut aufpasst, wird man am Ende überrascht sein, wenn Morse alles für den Leser und einen verblüfften Lewis aufdröselt.
Ergänzung: Keith Richards spielte in Fluch der Karibik Teil 3 und 4 mit. Er übernahm die Rolle des Kapitän Teague,…
perfekt .... ich danke
In Marry Hottingers "Gespenster", erschienen im Diogenes-Verlag ist sie die erste Geschichte.
Gibt es die Geschichte auch in deutscher Übersetzung?