Tausend Fiktionen

Schlagwort: Jazz (Seite 1 von 2)

Esswood House / Peter Straub

Peter Straub kannte sich nicht nur im Jazz, sondern auch in der Literatur aus. Kein Wunder, dass es in seinem Werk von Referenzen nur so wimmelt. Den unbedarften Leser stört das nicht, weil er nicht weiß, was er da liest, für alle anderen ist diese Art von Rhizomatik ein Gewinn. Straub macht keinen Hehl daraus, dass er seine Denkanstöße aus der Literatur bezieht, die er bewundert und die ihn dann zu eigenen Werken inspiriert.

Auslöser war in diesem Fall ein Vorwort, das Straub für Robert Aickmans The Wine Dark Sea schreiben sollte. Aickmans Titel selbst ist ein Homer-Zitat. Wahrscheinlich hatte Straub zunächst gar nicht die Absicht, Esswood House wie Aickman klingen zu lassen, aber das in diesem Band Gelesene verfolgte ihn lange und nachhaltig, und so ist es nicht verwunderlich, dass Straubs eigentliche Stärke, die ansonsten in seiner Originalität liegt, hier einer fremden Hand weicht. Aickmans ungeheure Kraft auf dem Gebiet des diffusen Grauens wird hier allerdings nur selten erreicht. Liest man das Buch jedoch weder in der Hoffnung, Aickman zu finden, noch den gewohnten Straub, ist es ein außerordentlicher Gewinn.

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Black Sabbath

Zwei Finger, um die Welt zu verändern

Die Vorgeschichte des Riff-Meisters Tony Iommi, sein Aufstieg zur Legende und sein Einfluss auf die New Wave of Heavy Metal sind in den Annalen der modernen Gitarrengeschichte gut dokumentiert, und wir wissen, dass wahrscheinlich alles anders gekommen wäre, wenn Tony nicht zwei Fingerkuppen an Mittel- und Ringfinger verloren hätte. Für mich ist das immer noch eine der größten Geschichten überhaupt, dass Tonys Arbeit in einer Metallwerkstatt zu einer Musik geführt hat, die zwar schon in den Kinderschuhen steckte, aber erst hier ihren Durchbruch erlebte. Ich habe schon viel darüber erzählt und gerade heute wird oft und gerne bestritten, dass Black Sabbath die erste Heavy Metal Band war. Es kommt immer auf den Blickwinkel an. Aber grundsätzlich kann man drei oder sogar vier Wellen unterscheiden. Die erste ist der sogenannte Proto-Metal, also all jene, die versuchen, so laut und hart wie möglich zu spielen, aber ohne technischen Fortschritt. Dann haben wir die erste Welle mit Black Sabbath, Deep Purple, Uriah Heep oder Led Zeppelin. Die zweite Welle begann Mitte der 70er Jahre mit Bands wie Judas Priest, Budgie, Rainbow oder Riot, und die dritte Welle schließlich ist das, was wir als NWOBHM kennen. Was wir heute haben, könnte also nichts weniger als eine fünfte Welle sein, aber bisher hat sich noch nichts Wesentliches getan, deshalb sage ich das unter Vorbehalt.

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Frank Marino: Juggernaut

Die Geschichte von Frank Marino ist der von Robert Johnson nicht unähnlich. Doch während Johnson angeblich einen Pakt mit dem Teufel einging, um seine Fähigkeiten als Gitarrist zu erlangen, war es bei Marino Jimi Hendrix, dessen Fähigkeiten in einer Vision auf den Kanadier übergingen. Schon in jungen Jahren experimentierte er mit LSD, das später sein Leben bestimmen sollte. Die Droge verschaffte ihm ein so unglaublich intensives Erlebnis, dass er im Krankenhaus landete. Das war eine fundamentale Erfahrung für alles, was er von da an machen sollte. Es gibt zwei Alben, die von Marinos LSD-Rausch inspiriert sind: das zweite Album „Child of Novelty“ und das dritte „Strange Universe“, das eines der besten Plattencover aller Zeiten hat. Das sind also Bilder von Marinos Mahagoni-Rausch, gemalt von Ivan Schwartz, der sich Marinos Schilderungen genau angehört hat.

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Far Canal / Jody Grind

Jody Grind heißt eine seltene britische Perle, die von dem Londoner Keyboarder und Sänger Tim Hinkley angeführt wird (ein Musiker von großer Klasse, der im Studio als auch live mit Leuten wie den Rolling Stones, The Who, Van Morrison, Humble Pie, Alvin Lee, Bad Company oder Thin Lizzy gespielt hat). Begleitet wird er auf „Far Canal“ von Gitarrist Bernie Holland und Schlagzeuger Pete Gavin. Die Musik dieser Band könnte man als eine Fusion aus Rock und Jazz mit einer gewissen progressiven Ausrichtung bezeichnen, ganz im Sinne von Bands aus dieser Zeit wie etwa Atomic Rooster.

Die Band wurde Ende ’66 gegründet, und nach mehreren Besetzungswechseln nahmen sie ihr erstes Werk „One Step On“ auf, das Ende ’69 erschien. Hier wirkt der Renaissance-Bassist Louis Cennano bei einigen Stücken mit. Bemerkenswert ist der Titeltrack, eine lebhafte Suite von etwas mehr als 18 Minuten, die einen Auszug aus Paint It Black von den Rolling Stones bearbeitet. Aufgrund des geringen Erfolgs reformierte Hinkley die Band mit zwei neuen Mitgliedern, dem Gitarristen Bernie Holland und dem Schlagzeuger Pete Gavin, mit denen er das zweite Album „Far Canal“ aufnahm. Erst nachdem auch dieses Album keinen Erfolg einbrachte, löste Hinkley die Band auf, um sich „Vinegar Joe“ anzuschließen, während Bernie Holland weiterhin als Studiomusiker tätig blieb. Später schloss er sich Bobby Tench an, der nach der bereits aufgelösten Jeff Beck Group seine neue Band „Hummingbird“ auf die Beine stellt.

Wie viele unbekannte Bands der späten 60er Jahre zeigt sich die Musik von Jody Grind in ihren Kompositionen vom Sound etablierter und anerkannter Bands wie „The Nice“ des großen Keyboarders Keith Emerson, „Atomic Rooster“ von Vincent Crane oder dem großen Organisten Brian Auger und seiner Band „Trinity“ beeinflusst. Sie assimilieren deren Stile und integrieren sie in ihre Kompositionen, was man bei Themen wie dem energiegeladenen „Plastic Shit“ oder dem fantastischen „Jump Bed Jed“, das an Atomic Rooster erinnert, gut hören kann, obwohl der Sound der drei Herren von Jody Grind in seiner Härte etwas weiter geht, dank des hervorragenden Gitarristen, der einige großartige Soli spielt und den Themen viel Charakter verleiht. Die jazzigsten Ausrichtungen finden sich in dem ausgezeichneten Instrumental „Red Worms & Lice“, mit einem großartigen Hinkley an der Hammond B-3 Orgel, oder in der köstlichen „Ballad For Bridget“, wo ein berauschendes Piano und ein subtiles Gitarrensolo hervorstechen.

Das Album ist voller Klangperlen, die in der Zeit verloren gegangen sind, und es lohnt sich, sie dem Vergessen zu entreißen.

Venusian Summer / Lenny White

Venusian Summer

Die sehr wenigen Menschen, die mit diesem Fusion-Meisterwerk vertraut sind, können stolz auf ihre Privilegierung sein, denn die meisten wissen überhaupt nicht, dass es existiert.

Doug Rauch am Bass, Lenny White am Schlagzeug und ein wahres Who’s Who der Jazz-Fusion-Allstars, die hier zu Gast sind, spielen alle, als ob ihr Leben davon abhinge. Allein der Song „Mating Drive“ gehört zu den größten Errungenschaften der Musikgeschichte.

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Jazz ist dem Dichter am nächsten

Jazz zu hören ist eine ganz andere Form des Lebens. Seine Geschichte ist ebenso dunkel wie lang. Und auch wenn Puristen die akustischen Traditionen bevorzugen (die es im Jazz tatsächlich nur schwerlich zu finden gibt, weil dessen Form alles destillieren und neu erschaffen kann), fühle ich mich auch in der Fusion-Welt recht wohl. Ich glaube, der Jazz ist jene Musikform, die dem Dichter am nächsten steht. Der Jazz hat es natürlich zu etwas gebracht, die Dichtung eher nicht. Ich bin mir nicht sicher, behaupte aber, dass John Ashbery der letzte war, dem man vertrauen konnte.

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Hermann Szobel, unbekannt

Andy Edwards erzählte mir von einem österreichischen Musiker namens Hermann Szobel, der 1976 im Alter von 18 Jahren ein einziges Album aufnahm. Beim Einspielen seines zweiten Albums wurde er verrückt und verschwand. Bis heute konnte er nicht aufgefunden werden. Ich habe die Platte gefunden und sie auch sofort im Amerika bestellt. Wenige Exemplare gibt es, aber warum das Album selbst in Jazz-Fusion-Kreisen so unbekannt ist, bleibt ein ebensolches Rätsel wie Hermanns verschwinden.

Tears for Fears: Seeds of Love

Tears for Fears sind eine der faszinierendsten Bands, die in den 1980er Jahren in England entstanden waren. Die Mitbegründer Roland Orzabal und Curt Smith haben sich immer auf Qualität statt Quantität konzentriert – die Band hat insgesamt sechs Studioalben in fast 40 Jahren veröffentlicht – und widersetzen sich einer einfachen Einordnung in klangliche Schubladen.

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Wie klang Buddy Bolden?

Die Wurzeln des amerikanischen Jazz reichen bis zur Jahrhundertwende zurück… nicht in dieses, sondern ins letzte Jahrhundert.

Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts hörte man in New Orleans häufig ein Kornett (das einer Trompete ähnelt) laut von den Parkbänken und aus den Fenstern der Tanzsäle schmettern. Ohne formale Ausbildung entwickelte Charles „Buddy“ Bolden einen einzigartigen Improvisationsstil auf seinem Horn. Im Wesentlichen ebnete er dem Jazz den Weg, indem er ländlichen Blues, Spirituals und Ragtime-Musik für Blechblasinstrumente arrangierte. Die Legende besagt, dass er traditionelle Lieder mit seinen eigenen Improvisationen neu arrangierte und so einen kraftvollen neuen Sound schuf.

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