Erinnert sich noch jemand an die Höhle, die unsere Heldengruppe auf dem Weg nach Combat durchlaufen musste? Da wurde eine tödliche Gefahr erwähnt, die sich dann als unbegründet herausgestellt hat, schließlich war das die Höhle einer Schneespinne, einem mächtigen Wesen, das seine Behausung im Grunde nie verlässt. Es gibt nur noch wenige von ihnen, denn sie mögen zwar groß und gefährlich sein, sind aber nachtaktiv und schlafen bei Tage, was heißt, dass man sei dann leicht töten kann. Skar und seine Gruppe begegnen ihr nicht und sind sichtlich froh darüber. Wahrscheinlich gibt es sie gar nicht mehr. Doch Hohlbein wendet hier technisch gesehen einen interessanten Stil an, indem er nämlich eine große Gefahr heraufbeschwört, sie sich dann als unbegründet erweist – nur um dann, wenn sich die Gemüter der Leser beruhig haben, die Schlinge noch heftiger anzuziehen.
Bevor die Gruppe die Brennende Stadt betritt und zur letzten Rast anhält, erblicken sie den toten, zerfetzten Körper der Spinne. Etwas noch weitaus mächtigeres muss sich die Spinne als Beute genommen haben. Ihr Blut ist noch warm, es kann also noch nicht lange her sein Was um alles in der Welt kann das gewesen sein? Ein Staubdrache, wie wir erfahren, ist ihnen auf der Spur und er wird auf den Fersen sein, bis er sie hat. Sie können also vom Glück sagen, dass ihm die Spinne vorerst genügt hat. Staubdrachen waren Legenden – übermächtige, uralte Bestien, von denen man sagte, sie hätten eine Spur aus Feuer und Tod hinterlassen.
Sie trat einen Schritt zurück, nahm etwas vom Boden auf und hielt Skar die ausgestreckte Hand entgegen. Auf ihrer Handfläche glitzerte ein graues, körniges Pulver.
»Spürst du den Geruch?«
Skar nickte. Es war das gleiche rauchige, nicht einmal unangenehme Aroma, das er von Anfang an wahrgenommen hatte. Nur stärker jetzt, viel, viel stärker.
»Es gibt nur ein Wesen, das solche Spuren hinterläßt«, murmelte Gowenna. Sie warf das Pulver zu Boden, klatschte ein paarmal in die Hände und wischte sich die Handflächen an einem Zipfel ihres Umhangs sauber. »Ein Staubdrachen.«
»Aber das ist… völlig unmöglich!« keuchte Skar. Seine Worte klangen lahm und hilflos, und genauso fühlte er sich. Er wußte, daß Gowenna recht hatte, auch ohne das graue Pulver, ohne die Spur und den Geruch, aber er wollte es einfach nicht glauben.
»Du weißt nicht, was du da sagst«, murmelte er verwirrt. »Du mußt dich täuschen. Du …«
»Ich täusche mich nicht, Skar, und du weißt es. Es gibt auf ganz Enwor nur ein Wesen, das fähig ist, so etwas anzurichten. Und es ist hier. Ganz in unserer Nähe.«
Skar hat ohnehin das Gefühl, dass sie beobachtet werden, aber er denkt da an Vela, von der er glaubt, dass sie eben nicht geduldig auf seine Rückkehr wartet. Zu wichtig ist ihr der Erfolg, den Stein der Macht endlich in den Händen zu halten. Und Skar hatte es im Verlauf ihres Gesprächs schon angedeutet: Was sollte ihn davon abhalten, dieses mächtige Ding selbst zu behalten – falls es den Stein denn überhaupt gibt, denn auch wenn Vela und Gowenna fest davon überzeugt sind, ist das noch keinesfalls sicher. Gowenna war schließlich schon einmal hier, wie wir wissen – und sie hat ihn nicht gefunden.

Während sie rasten kommt es zum ersten Mal zu einem Gespräch zwischen Skar und Gowenna, das etwas aufschlussreicher ist als die bisherigen Bekundungen von Ablehnung. Hohlbein nutzt hier die Gunst der Stunde, um Gowenna ihren Hass auf die von Männern dominierte Welt zumindest etwas zu erläutern. Es wird zwar keine direkte Erklärung abgegeben, weil die Kommunikation zwischen beiden ziemlich heikel ist und immer wieder kurz vor einer Eskalation steht, aber im Grunde ist diese Passage ein Vorreiter auf den heute aktuellen Feminismus in der Fantasy. Sicher, wir hatten schon Jirel of Joiry in der Pulp-Ära, aber da war Jirel selbst nicht mehr als ein weiblicher Conan. Und Gowenna ist keine solche Heldin, sie hat eine Schutzmauer des Hasses um sich erbaut, die einen anderen Ursprung haben muss. Jedoch wird hier indirekt auf das Schwert als Phallus-Symbol hingedeutet, auf eine regelrechte Religion des Krieges und des Männlichkeitswahns bei der Kriegerkaste der Satai. Während die Fantasy-Welten mittlerweile Möglichkeiten gefunden haben, starke Frauen in die Alltäglichkeit zu überführen, war das noch in den 80er Jahren etwas doch unerhörtes. Trotzdem ist das Versagen männlicher Religionen heute mehr denn je zu spüren.
Ikne
Wir machen wieder einen rückwärtigen Zeitsprung in die Arena und den Schaukampf, den Del und Skar dort hinter sich zu bringen haben, um endlich weiterziehen zu können. Der Regen hat dort den Sand in eine trügerische Masse verwandelt, die bei jedem Schritt nachgibt. Über ihm tobt die Menge, doch ihre Rufe klingen seltsam gedämpft, als würde der aufgewühlte Dreck den Schall verschlucken. Del war von seinem nächtlichen Zechgelage rechtzeitig zurückgekommen und der wütende Skar stellt ihm ein Ultimatum. Entweder er ändert sich, oder sie werden nach dem Kampf getrennte Wege gehen. Hier sehen wir wieder den etwas sturen Skar und den jugendlichen Del, den Skar zu einem Satai auszubilden hat. Im Grunde muss sich Skar keine Sorgen um die Verlässlichkeit seines Partners machen, aber es gibt Dinge, die den Jähzorn des erfahrenen Satai aufblitzen lassen, und vieles davon verabscheut Skar selbst an sich.
Gowenna taucht kurz vor dem Kampf in der Arena auf, um Skar seine endgültige Antwort abzuringen, obwohl sie weiß, dass er seine Entscheidung längst gefällt hat. Vela soll sich einen anderen für ihre Mission suchen. Und so nimmt das vorgezeichnete Verhängnis seinen Lauf.
Skars Gegner ist schnell, gleitet fast mühelos über den Matsch hinweg, während Skar mit jedem Schritt darin versinkt. Etwas stimmt hier tatsächlich nicht. Die Kohoner sollten angeblich einfache und noch unerfahrene Kämpfer sein, doch dieser Mann bewegt sich zu sicher, zu elegant – als stünde er auf trockenem Fels.
Dann sieht Skar es. Sein Gegner trägt keine Schuhe. Seine Füße, breit und knorpelig mit Fischhäuten zwischen den Zehen, sind nicht die eines Menschen. Die tobende Menge verstummt, als sie sieht, was sie nicht erwartet hat. Der unbesiegbare Satai taumelt, getrieben von einem Gegner, den er nicht besiegen kann, weil er kein Mensch ist. Doch niemand scheint die Maskerade zu durchschauen.
Ein großer, schwimmhäutiger Fuß bricht durch Skars Deckung und traf ihn mit der Wucht eines Hammers mitten ins Gesicht. Ein weißer Blitz explodiert in Skars Schädel, dann fällt er mit voller Wucht in den Morast. Sein Kopf dröhnt. Der Schlamm verklebt seine Augen, seine Arme fühlen sich schwer an, als gehörten sie nicht mehr zu ihm. Er will sich aufrichten, doch sein Körper verweigert den Dienst. Dann spürt er es – eine Hand, breit und knorpelig, legt sich um seine Kehle und drückt zu. Seine Gedanken verschwimmen, doch sein Körper kämpft weiter. Er hämmert die Fäuste gegen das Gesicht seines Gegners, tritt mit aller Kraft zu, aber es ist aussichtslos Der angebliche Kohoner zuckt kurz, doch der Griff lockert sich nicht. Die Welt um ihn herum wird dunkler. Ein letzter verzweifelter Schlag, dann eine Faust, die aus dem Nichts herabsaust, und Skar verliertdas Bewusstsein.
Wir sahen es natürlich kommen, schon in Raches Wacht gab es dieses Foreshadowing, aus dem heraus wir jedoch nicht erkennen konnten, was genau passieren wird. Und wir wissen es, um ehrlich zu sein, noch immer nicht. Nur dass hier Ereignisse in Gang gesetzt wurden, die uns direkt nach Combat, zum Stein der Macht und wahrscheinlich weit darüber hinaus führen werden.