Comics verfügen seit jeher über spezifische Vorteile gegenüber anderen Medienformen – etwa ihre jahrhundertealte Tradition sowie ihre beinahe universelle Verbreitung. Die Annahme, dass Comics das kommende Jahrhundert dominieren könnten, lässt sich nur dann angemessen verstehen, wenn man anerkennt, dass sie bereits in früheren Jahrhunderten eine bedeutende Rolle gespielt haben – insbesondere in jenen Epochen, die vor der weitverbreiteten Alphabetisierung lagen. Bildhafte Ausdrucksformen wie Glasfenster, Mosaike, politische Karikaturen oder Graffiti lassen sich ebenso der Welt der Comics zurechnen wie heutige digitale Phänomene, etwa Memes oder animierte GIFs in sozialen Netzwerken. Auch wenn diese Artefakte nicht immer auf Originalzeichnungen basieren oder sich strikt sequentiell entfalten, eint sie doch die grundsätzliche Verbindung von Bild und Text – jene radikale Fusion, die das Medium Comic im Kern definiert. In diesem weiten Sinne sind Comics eine universelle kulturelle Ausdrucksform, die in nahezu allen Gesellschaften zu finden ist – historisch wie gegenwärtig. Selbst im hypothetischen Fall des Verschwindens anderer Medienformen würden Comics fortbestehen – als widerständiges und zugleich flexibles künstlerisches Ausdrucksmittel.
Ein zentraler Vorzug von Comics ist dann auch ihre ökonomische Zugänglichkeit. Im Vergleich zu aufwendig produzierten Medien wie Film und Fernsehen sind Comics nicht nur kostengünstig in der Herstellung, sondern auch relativ preiswert in der Rezeption. Diese niedrige ökonomische Schwelle eröffnet dem Medium eine außergewöhnlich große Bandbreite an möglichen Erzählformen. Anders als im Film, wo die Notwendigkeit besteht, oftmals erhebliche Produktionskosten zu amortisieren, erlaubt der Comic individuelle Ausdrucksformen, die unabhängig von institutionellen Zwängen entstehen können. Ein prominentes Beispiel hierfür ist Art Spiegelman, der aus Skizzen, Notizbüchern sowie einfachen Bastelmaterialien das Werk Maus schuf – ein Meilenstein der Comicgeschichte, der mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde. Orson Welles, der zeitlebens unter dem Druck von Filmproduzenten stand, hätte sich eine derartige künstlerische Autonomie vermutlich gewünscht. Seine Vorstellung vom Film als einer Art Roman, den er in seiner „eigenen verdammten Zeitvorstellung“ vollenden könne, bleibt im Filmbereich ein Wunschtraum – im Comic jedoch gelebte Realität. (Nebenbei bemerkt: Welles selbst war ein talentierter Zeichner im Stil von Terry Gilliam und hätte durchaus eine Karriere als Comiczeichner verfolgen können.)
Die digitale Revolution hat diesem kreativen Potenzial zusätzlichen Auftrieb verliehen: Noch nie war es so einfach, unabhängig produzierte Comics zu erstellen, zu verbreiten und zu konsumieren. Zwar existierte eine lebendige Indie-Comic-Szene bereits vor dem Internetzeitalter, doch heute ermöglicht die Online-Verfügbarkeit eine Distribution in Farbe und globalem Maßstab – weit über die früheren schwarzweißen Fotokopien hinaus, die dennoch in ihrer nostalgischen Ästhetik weiterhin Bestand haben.
Im Verlauf der letzten Jahrzehnte hat sich zudem die gesellschaftliche Wahrnehmung des Mediums grundlegend gewandelt. Comics werden zunehmend als legitime kulturelle Ausdrucksform anerkannt – und das nicht mehr nur innerhalb von Subkulturen, sondern auch im breiten gesellschaftlichen Diskurs. Selbst diejenigen, die sich einst abfällig gegenüber dem Medium äußerten – darunter etwa konservative Lehrkräfte oder Schulbehörden –, greifen mittlerweile auf Begriffe wie Graphic Novel zurück, um die intellektuelle Legitimität des Lesens von Comics zu unterstreichen. Auch wenn diese begriffliche Distanzierung weiterhin elitäre Abgrenzung erkennen lässt, wird doch implizit anerkannt, dass es sich bei Comics um ein ausgereiftes, narratives Medium mit historischer Tiefe und kultureller Relevanz handelt. Mit dem fortschreitenden Generationswechsel dürfte sich diese Haltung weiter abschwächen – zugunsten einer umfassenderen gesellschaftlichen Akzeptanz.
Parallel zu dieser kulturellen Neubewertung lässt sich auch ein qualitativer Aufschwung des Mediums beobachten. Zwar wurden bereits in den 1980er Jahren mit Werken wie Maus, American Splendor, Watchmen oder The Dark Knight Returns künstlerische Maßstäbe gesetzt, doch handelte es sich hierbei um singuläre Ausnahmen innerhalb einer eher durchwachsenen Produktionslandschaft. Heute hingegen erscheinen regelmäßig Werke von ähnlich hoher künstlerischer Qualität. Die kontinuierliche Weiterentwicklung spiegelt sich in der wachsenden Zahl ausgezeichneter Publikationen wider – sichtbar etwa an der zunehmenden Bedeutung von Auszeichnungen wie den Eisner Awards. Autoren und Zeichner wagen sich an immer komplexere Themen heran, Verlage zeigen eine größere Risikobereitschaft, und das Publikum ist offener denn je. Der digitale Vertrieb trägt dazu bei, dass ein globales Publikum Zugang zu einer enormen Vielfalt an Werken erhält – und dass wirklich für jeden etwas dabei ist.
Zweifellos werden Film und Fernsehen auch im 21. Jahrhundert ihren festen Platz im medialen Gefüge behalten – sei es im klassischen Kinosaal oder auf digitalen Plattformen. Doch die strukturellen Hürden dieser Medien bleiben hoch: Sie erfordern umfangreiche technische Ressourcen, große Teams und erhebliche finanzielle Mittel. Im Gegensatz dazu genügen im Comic häufig ein Blatt Papier, ein Stift und eine Idee – um Geschichten zu erzählen, die ebenso berühren, herausfordern und unterhalten können. Solange es Menschen gibt, die ihre Gedanken in Wort und Bild fassen wollen, wird es Comics geben. Und vieles spricht dafür, dass die besten Zeiten dieses Mediums noch vor ihm liegen.