Black Hammer 2: Das Ereignis

Black Hammer: Das Ereignis
Splitter-Verlag

Abraham Slam und seine „Familie“ seltsamer Helden sind an einen ländlichen Ort gebunden, den sie nicht verlassen können. Die Abenteuer, die sie in Spiral City erlebten, scheinen in einer völlig anderen Dimension stattgefunden zu haben. Als aber Lucy, die Tochter Black Hammers, wie aus dem Nichts auftaucht, werden ihre Hoffnungen wieder geweckt, vielleicht doch entkommen zu können. Lucy beginnt jedoch damit, etwas viel Dunkleres aufzudecken, als sich alle vorgestellt haben, und die Hoffnungen und Träume der Helden scheinen sich endgültig zu zerschlagen.

Black Hammer gewann 2017 den Eisner-Award als beste neue Serie. Jeff Lemire spielt hier mit allem, was wir über Superhelden wissen und bereitet uns damit ein postmodernes Vergnügen. Hier geht es nicht um heldenhaften Ruhm, sondern um Streit, Wut und Trauer. Wir erfahren auch in diesem Band nicht, was eigentlich passiert ist, als man dem Anti-Gott gegenüberstand, Black Hammer ihn offensichtlich mit einem Schlag vernichtete und sie überhaupt erst in diese Situation brachte. Und wenn der erste Band das Setting vor uns ausbreitete wie eine Tischdecke, ruhig und in relativ langen Einstellungen, nimmt die Geschwindigkeit jetzt etwas zu. Durch Lucy kommt Bewegung ins Spiel, weil sie sich andere Fragen stellt als die Helden, die nach zehn Jahren in dieser scheinbaren Idylle bereits aufgegeben haben, daran zu denken, jemals von hier verschwinden zu können. Allein die Androidin Talkie-Walkie bastelt in regelmäßigen Abständen an Sonden, die den Weg nach draußen finden sollen. Ein Unterfangen, das jedes Mal aus den unterschiedlichsten Gründen scheitert.

Lucy; Splitter-Verlag

Im Kapitel “The Ballad of Talkie-Walkie” werden wir Zeuge der seltsamen Freundschaft zwischen der Androidin und Colonel Weird. Das erhöht den Fragenkomplex um ein Vielfaches, vor allem weil wir kurz vor diesem Kapitel erfahren müssen, dass der Colonel wohl etwas mehr zu wissen scheint als alle anderen. Das liegt natürlich daran, dass er durch die Para-Zone reisen kann. Ein Rettungsweg ist das allerdings nicht, denn außer dem Colonel würde jeder dort den Verstand verlieren. Selbst an Randall Weird geht der Aufenthalt dort nicht spurlos vorbei. Und dort muss er etwas in Erfahrung gebracht haben, das ihm wirklich zusetzt, so sehr, dass er sogar seine Freunde hintergeht.

Neben Lucys sehr beunruhigenden Entdeckungen, bekommen wir wieder genial in die Haupthandlung einfließende Rückblenden. Wir sehen, wie der Sozialarbeiter Joe Weber zu Black Hammer wird und wie er die ein oder andere falsche Entscheidung trifft, die schließlich zu all dem – und zu seinem Tod führen wird. Allerdings sind diese Entscheidungen keine leichtfertigen, sie rechtfertigen sich durch die Liebe zu seiner Tochter und seiner Familie. Das Interessante an Black Hammers Superkraft ist, dass es nicht um die Person geht – außer dass sie reinen Herzens zu sein hat. Sie überträgt sich durch den riesigen Hammer. Wie Thors Hammer verwandelt auch dieser den Träger zurück in eine menschliche Gestalt, wenn der Stil auf den Boden geschlagen wird.

Gail, die ihre Kraft von einem alten Zauberer bekam, kann ihre Kraft ebenfalls übertragen. Dadurch schaffte sie sich in ihrem Heldenleben eine kleine Gruppe namens “Golden Family”, um sich “zur Ruhe” zu setzen. Einerseits ist sie damit das Pastiche der Mary Marvel und die “Golden Family” nichts anderes als die “Marvel-” bzw. “Shazam-Family”, andererseits hat sie eine Schnoddrigkeit, die sie davon abhebt. Außerdem ist die die unglücklichste unter den Helden. Als 60jährige im Körper einer 9jährigen gefangen zu sein und sich nicht mehr zurückverwandeln zu können erklärt ihr überaus reizbares Wesen. Aber das ist nicht alles, was sie zu tragen hat, denn mit Sherlock Frankenstein hat sie die Liebe ihres Lebens zurücklassen müssen.

Jeff Lemire hatte vor, jedem der fünf Hauptcharaktere die Referenzen unterschiedlicher Zeitalter auf den Leib zu schreiben, begonnen mit Abraham Slam, der den Pulp-Magazinen der 30er Jahren entsprungen scheint. Eine ehrliche und raue Haut, einfach gestrickt, aber verlässlich.

Colonel Weird, der mehr über das angebliche Idyll zu wissen scheint, findet seine Vorlage in den Mystery in Space-Comics um Adam Strange. Barbalien, der seine Einsamkeit überwinden will und auf der Suche nach Nähe dazu neigt, kleine Gesten falsch zu interpretieren, was ihn gerade noch einsamer werden lässt, weil seine homoerotische Ausrichtung kein geeignetes Gegenüber findet, ist eher ein Held der Bronzezeit, und Madam Dragonfly erinnert an das House of Mystery und das frühe Vertigo-Material der 1980er.

Das Ereignis selbst – und damit der größte Storybogen – lehnt sich an das Crisis-of-Infinite-Earths-Event von DC an, das ein erstes postmodernes Beben in der Comicszene ausgelöst und Lemire ziemlich stark beeinflusst hat.

Und so führt uns dieser Band noch tiefer in die Psyche und Erlebniswelt der Charaktere hinein. Das ist sogar das Hauptanliegen. Lemire und Ormston öffnen nun endgültig den Füllkrug, den sie in Vergessene Helden vorskizziert haben (unterstützt von David Rubin, der in Sherlock Frankenstein die Zeichnungen ganz übernimmt). Gemütskrank sind sie alle, voller Trauer halten sie sich an kleinen Strohhalmen fest, die vielleicht gar nicht existieren.

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