Die brennende Stadt, Kapitel 1 (Enwor #2)

Die brennende Stadt Weltbild

War Der wandernde Wald noch ein Buch, das gut für sich selbst stehen konnte, beginnt mit Die brennende Stadt die Trilogie um den Stein der Macht und damit die eigentliche Sage um Enwor, die noch immer eine der faszinierendsten Arbeiten aus der Feder von Wolfgang Hohlbein ist, vor allem, weil sie zu einer Zeit geschrieben wurde, da vieles in der Fantasy noch als Tolkien-Klon oder Dungeons & Dragons-Abenteuer angelegt war.

Die Geschichte beginnt mit einer Gruppe von zehn Reisenden, die sich durch eine unbarmherzig kalte Berglandschaft kämpfen. Ihr Ziel ist die legendäre, als verflucht geltende Stadt Combat, die tief in einem Tal verborgen liegt. Der Weg dorthin ist brutal – eisige Temperaturen, ein tobender Schneesturm und die Erschöpfung zehren an Körper und Geist der Reisenden.

Der Anführer der Gruppe, Skar, ist ein Satai, ein gefürchteter Krieger, der von einer persönlichen Bürde belastet wird: Er trägt einen Lederbeutel mit mysteriösen braunen Kugeln bei sich, die er regelmäßig einnehmen muss, um zu überleben. Da Hohlbein die einzelnen Kapitel geschickt ineinander flechtet, wissen wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wie es soweit kommen konnte.

Die brennende Stadt Goldmann

Auf ihrem Marsch durch die Berge erreichen sie einen engen, sturmgepeitschten Hohlweg, der als natürlicher Kältekammer fungiert. Die Gruppe ist am Ende ihrer Kräfte: Beral, der Fährtensucher, bricht beinahe zusammen und leidet unter schweren Erfrierungen. Nol, ein zynischer und schlagfertiger Gefährte, überspielt die Situation mit Sarkasmus, während die anderen schweigend weitermarschieren.

Nachdem sie den Hohlweg durchquert haben, erreichen sie einen Talkessel, in dem der Wind schwächer ist, doch die Kälte noch immer schneidend. Skar erkennt, dass ihre Probleme nicht nur in der physischen Erschöpfung liegen – die Gruppe wird von inneren Spannungen und Misstrauen geplagt. Jeder von ihnen hat eigene Gründe für diese gefährliche Reise, und nicht alle scheinen einander zu vertrauen. Allerdings spielt das kaum eine Rolle im Verlauf des Buches, was man mit einem lachenden und einem weinenden Auge betrachten kann. Heute würden die 252 Seiten der Weltbild-Edition mindestens auf das doppelte anschwellen und jeder Charakter bekäme seine Hintergrundgeschichte aufgedrückt. Hier aber spielt sich – für Fantasy eher nicht mehr üblich – alles Schlag auf Schlag ab. Trotzdem bekommen wir natürlich eine kleine Übersicht:

Da ist natürlich Skar selbst – der Anführer der Gruppe, ein erfahrener und gefürchteter Kämpfer, dessen Leben von den mysteriösen braunen Kugeln abhängt, die er alle zwei Tage einnehmen muss. Er trägt eine Last mit sich, die ihn antreibt, doch seine wahren Motive bleiben zunächst unklar.

Nol – Ein Malabese (eine wohl besondere ethnische Gruppe), sarkastisch und hartgesotten. Er scheint alles mit Gleichmut zu betrachten und hat einen trockenen Humor, doch er ist auch zäh und überlebensfähig.

Beral – Der Fährtensucher. Seine Finger sind bereits erfroren, und er scheint am Ende seiner Kräfte. Er überspielt seine Schwäche oft mit einem scherzhaften Ton, doch er ist tief in sich drinnen verzweifelt.

Tantor – Ein geheimnisvoller Zwerg mit magischen Fähigkeiten. Er kann Feuer und Eis manipulieren. Skar misstraut ihm zutiefst, da Tantor scheinbar Velas Auge und Arm ist (Vela ist die rätselhafte, mächtige Figur, die hinter der Expedition zu stehen scheint und über die wir im nächsten Kapitel mehr erfahren werden).

Arsan – Ein stiller, nachdenklicher Mann mit einer besonderen Gabe: Er kann Menschen außergewöhnlich gut durchschauen. Er erkennt die wahren Motive seiner Gefährten und spricht unbequeme Wahrheiten aus. Er ist von Schuld und Angst geplagt und bereut seine Entscheidung, mitgekommen zu sein.

Gowenna – Eine stolze und unnachgiebige Kriegerin. Laut Arsan begleitet sie die Expedition nicht aus Loyalität, sondern weil sie Skar hasst und seine Niederlage miterleben will. Sie ist eine hochbegabte Kämpferin und trägt einen markanten dreieckigen Schild.

Gerrion – Ein Mörder, der das Töten liebt. Er ist gefährlich und hat sich der Gruppe aus Abenteuerlust angeschlossen.

Drei Sumpfleute – Mysteriöse Wesen mit der Fähigkeit, ihre Hautfarbe der Umgebung anzupassen und nahezu unsichtbar zu werden. Sie sprechen kaum und bleiben ein Rätsel, außerdem hören sie auf einen einzigen Namen: El-tra. Später werden sie auch als Schattenmänner bezeichnet. Tatsächlich gehören die Sumpfleute zu den interessantesten Figuren der gesamten Saga und wir werden noch mehr über sie erfahren, denn auch Skar interessiert sich besonders für sie.

Die brennende Stadt Blanvalet

Jeder dieser Charaktere hat seine eigenen Motive und dunklen Geheimnisse. Arsan, der Menschen gut lesen kann, macht Skar darauf aufmerksam, dass niemand in der Gruppe das ist, was er vorgibt zu sein. Es wird angedeutet, dass der Konflikt zwischen Skar und Gowenna unausweichlich ist – einer von beiden wird ihn wahrscheinlich nicht überleben. Das ist zumindest seine Vermutung. Tatsächlich wird es am Ende des Buches zu einem handfesten Streit kommen, aber der ist nichts im Vergleich zum eigentlichen Finale.

Es ist natürlich schwer, bei einem Deep-Reading völlig spoilerfrei auszukommen. Das ist auch keineswegs Sinn der Sache. Andererseits ist es aber auch nicht so, dass wirklich jedes einzelne Detail eingefangen werden kann. Die meisten Dinge werden einem auffallen, wenn man mit der Saga durch ist, um dann von vorne zu beginnen – was nicht jedermanns Sache ist. Schließlich gibt es eine Menge zu lesen (auch wenn man nicht an neueren Ergüssen interessiert ist; ja, das ist durchaus als Hinweis darauf zu verstehen, dass das ganze Genre in der Krise steckt).

Nach dem Nachtlager bricht die Gruppe auf und erreicht eine gewaltige Höhle, die sie durchqueren müssen, um ins Tal von Combat zu gelangen. Diese Höhle ist Teil eines uralten, unterirdischen Tunnelsystems, das von den ehemaligen Bewohnern der Stadt geschaffen wurde. Es gibt mehrere Tunnel, aber nur einer führt sicher zum Ziel, während die anderen in ein tödliches Labyrinth enden, in dem sich Spuren einer gefürchteten Schneespinne finden. Doch nichts geschieht in dieser halben Meile.

Als sie schließlich die Höhle verlassen, stehen sie auf einer hohen Felsplattform und blicken hinab auf Combat – die Brennende Stadt.

Skar stand lange am Rande des Plateaus, unfähig, sich zu rühren oder etwas anderes zu empfinden als Staunen und ein Gefühl ungläubigen Entsetzens. Er wußte nicht einmal genau, was er erwartet hatte — eine Art Scheiterhaufen vielleicht, eine gewaltige, glühende Ruine, die Flammen und Asche und glühendes Magma in den Himmel spie —, aber der Anblick lahmte ihn. Die Stadt war unter einer gewaltigen Glocke aus Flammen und Hitze begraben, eine Halbkugel aus Feuer, aus der die Spitzen der Türme wie brennende Finger herausstachen. 

Combat ist kein gewöhnlicher Ort. Die Stadt liegt in einem gewaltigen Krater und wird seit Jahrtausenden von einem ewigen Feuer verschlungen. Doch entgegen aller Erwartungen ist die Stadt nicht zerstört. Ihre Gebäude – gigantische Türme aus Kristall, Marmor und Stahl – stehen unversehrt inmitten des Feuers. Die Stadt ist kreisförmig angelegt, mit riesigen Alleen, Brücken und skulpturengeschmückten Säulen. Im Zentrum liegt eine gewaltige, funkelnde Kuppel, die wie ein titanischer Edelstein schimmert.

Die brennende Stadt Original

Skar erkennt in diesem Moment, dass die alten Legenden der Wahrheit entsprechen – und dass Combat nicht nur ein verfluchter Ort ist, sondern eine Quelle ungeheurer Macht. Wer auch immer diese Stadt kontrolliert, könnte über die gesamte Welt herrschen.

Doch was in der Stadt lauert, bleibt unbekannt. Die Stadt brennt seit Jahrtausenden, und ihre Geheimnisse könnten ebenso tödlich sein wie ihre Flammen.

Die Gruppe beginnt ihren mühsamen Abstieg in Richtung Combat. Der Weg ist gefährlich – ein schmaler, rutschiger Pfad, der sich in endlosen Serpentinen ins Tal windet. Während sie tiefer hinabsteigen, verändert sich das Klima: Die Luft wird wärmer, der Wind trägt einen beißenden Brandgeruch mit sich, und das sanfte Grollen der Stadtflammen wird zu einem lauten Donnern.

Sie rasten mittags unter einem Felsen, doch die Stimmung ist angespannt. Die Realität ihrer Mission wird ihnen immer bewusster. Skar erkennt, dass die Reise erst jetzt richtig beginnt – und dass die wahre Gefahr nicht hinter, sondern vor ihnen liegt.

Kapitel 1 zeichnet von Beginn an eine trostlose, brutale Welt, in der die Natur ebenso erbarmungslos ist wie die menschlichen Abgründe. Combat ist nicht einfach eine Stadt – sie ist ein Mythos, eine Legende, ein Mahnmal für die Macht und den Hochmut einer längst untergegangenen Zivilisation. Die Gruppe, zerrissen von Geheimnissen und Misstrauen, steht vor einer Prüfung, die sie entweder zu unermesslicher Macht oder zu einem grausamen Tod führen wird.

Die brennende Stadt Fantasy

Skar, geplagt von inneren und äußeren Dämonen, erkennt, dass er nicht nur gegen Feinde kämpfen muss, sondern auch gegen sich selbst – und dass das wahre Grauen möglicherweise nicht in Combat, sondern in seiner eigenen Vergangenheit lauert, schließlich hat er etwas aus der Nonakesh-Wüste mitgebracht, das jetzt noch in ihm schlummert. (Der wandernde Wald).

Die Geschichte um Combat erinnert in seinen Grundzügen an Babylon, denn sie war eine der größten und beeindruckendsten Städte der Antike, mit massiven Mauern, prachtvollen Tempeln und den legendären Hängenden Gärten. Combat wird als ein Monstrum aus Kristall, Stahl und Marmor beschrieben, mit riesigen Türmen, Brücken und Straßen – ein Wunderwerk der Architektur, das selbst eine göttliche Strafen überstanden hat. Babylon wurde mehrfach zerstört, doch es blieb ein Symbol der Macht und des Stolzes. Combat ist noch immer intakt, aber unter ewigen Flammen gefangen – als wäre es ein mahnendes Beispiel für jene, die es wagen, sich göttlichen Kräften entgegenzustellen.

Bevor wir als Leser der Heldengruppe in die Stadt folgen, müssen wir uns zunächst ansehen, wie es überhaupt zu dieser Mission kam. Das tun wir im zweiten Kapitel, wo wir auch mehr über Vela erfahren und was sie eigentlich bezweckt.

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