Possenspiele

Schlagwort: England (Seite 9 von 32)

Der falsche Preuße / Uta Seeburg

Uta Seeburgs Debüt um den Preußischen Sonderermittler Gryszinski, den es in die Landeshauptstadt Bayerns verschlagen hat, erschien im August 2020 und es war natürlich davon auszugehen, dass die Autorin bald ihrem zweiten Roman dieser überaus genussvollen neuen Reihe vorlegt. Der ist auch schon unter dem Titel „Das wahre Motiv“ erschienen und wir sehen uns auch den bald hier an.

Historische Kulissen sind bei Weitem nichts neues in der Literatur, aber in den letzten zehn Jahren ist das Genre regelrecht explodiert und während angelsächsische Erzähler an ihrem viktorianischen London arbeiten, Franzosen ihr pittoreskes Paris auspacken und auch in der Fantasy immer mehr auf historische Schlachten Bezug genommen wird, können deutschsprachige Autoren natürlich ebenfalls auf eine sehr erlebnisreiche Zeit zurückgreifen. Neben dem offensichtlichen Magneten zwischen den beiden Weltkriegen, hat sich Uta Seeburg für den nahenden fin de siecle entschieden, ein neunzehntes Jahrhundert, das mit reichlichen Innovationen zu Ende geht, die Elektrizität gerade auf dem Vormarsch ist und so eine Epoche des Übergangs markiert.

Weiterlesen

Die Mörder der Queen / David Morrell

Interessiert man sich für historische Kriminalromane, die das viktorianische London lebendig machen, sind David Morrells drei Romane um Thomas De Quincey ganz oben auf der Liste anzusiedeln. Morrell erreicht das hauptsächlich damit, dass er auch den Stil, in dem im 19ten Jahrhundert Romane geschrieben wurden, anwendet. Für heutige Autoren ist das gar nicht so leicht. Morrell hat sich viele Jahre lang in den Duktus der damaligen Zeit versetzt und darüber hinaus intensiv Recherche betrieben, um die viktorianische Zeit lebendig zu machen und die Fakten mit der Erzählung zu verschmelzen. Vielleicht ist der notwendige Aufwand auch der Grund, warum es so wenige erstklassige Romane in dieser Gattung gibt, denn man merkt als interessierter Leser sofort, wo die Fehlerquellen liegen.

Morrell setzt also diesen allwissenden Erzähler perfekt ein und nutzt mit den eingeschobenen Tagebuchaufzeichnung der Emily De Quincey ebenfalls ein Stilmittel, das damals an der Tagesordnung war, heute aber nicht mehr gebräuchlich ist, um die unterschiedlichsten Szenen in eine intime Nähe an den Leser heranzurücken. Er tut das nicht mehr so ausgiebig wie im ersten Roman „Der Opiummörder„, aber wo er dieses Stilmittel einsetzt, ist es auch stimmig, und man merkt in allen drei De Quincey-Büchern, was wir literarisch an die Moderne verloren haben, auch wenn wir auf der anderen Seite natürlich einiges andere gewonnen haben.

Wir schreiben das Jahr 1855. Nachrichten über die Unfähigkeit der britischen Kommandeure im Krimkrieg haben den Sturz der Regierung verursacht. Thomas De Quincey und seine Tochter Emily sind im Londoner Haus von Lord Palmerston nicht mehr willkommen. Doch gerade als Palmerston sich anschickt, die beiden in eine Kutsche zu stecken und weit, weit weg zu schicken, sind De Quinceys Fähigkeiten plötzlich sehr gefragt, als eines Tages der erste von vielen grausamen und ausgeklügelten Morden geschieht. Und das ausgerechnet in der St. James’s Church. Englische Adelige und Frauen scheinen das Ziel zu sein, und die Szenen sind jenseits aller Vorstellungskraft grausam, wie man sie in der Oberschicht zu dieser Zeit nur selten sieht. Morde dieser niederträchtigen Art geschehen normalerweise nur unter den Niedrigsten der Niedrigen. Schnell macht sich Panik breit.

Die beiden Scotland-Yard-Detektive Ryan und Becker wissen, wie brillant dieser kleine opiumsüchtige Mann darin ist, Hinweise zu finden und zu deuten – und tief in die Köpfe von Mördern zu blicken. Nun läuft ein Wahnsinniger frei herum, der Mitglieder der Oberschicht tötet. Bei jeder Leiche finden sie Hinweise mit den Namen jener, die bereits ein Attentat auf Queen Victoria verübt hatten.

Alle Beweise deuten auf eine Schlussfolgerung hin: Dieser Killer wird nicht aufhören, bis Victoria tot ist.

Indem er einige der damals vorherrschenden Schreibtechniken mit brillanter Wirkung einsetzt, taucht David Morrell einmal mehr in das viktorianische London ein. Dank seiner akribischen Recherche wird London lebendig – Sehenswürdigkeiten, Gerüche, Geräusche – die Leser werden sich leicht in die Straßen und Gebäude der Stadt hineinversetzen können.

Doch die Kulisse ist nicht das einzige Wunderbare an „Der Mörder der Queen“.

Das Tempo ist so hoch, dass man sich äußerst schnell in der Erzählung verfängt, vor allem, weil es nur wenigen Autoren gelingt, so mit historischen Figuren umzugehen wie es hier gezeigt wird.

De Quincey war Freud fünfzig Jahre voraus, und es ist faszinierend, ihm dabei zuzusehen, wie er die Psychologie einsetzt, um Verbrechen zu lösen. Es ist auch faszinierend, andere dabei zu beobachten, wie sie ihn beobachten. Im ersten Buch dieser Reihe, Der Opiumesser, konnten die Leser sehen, wie die beiden Scotland Yard-Detektive (Ryan und Becker) De Quinceys Methoden ins Lächerliche zogen. Jetzt sind sie überzeugt und müssen andere davon überzeugen, den kleinen Mann in Ruhe zu lassen, damit er seine Arbeit machen kann. Ein zusätzlicher Bonus ist die Tatsache, dass die Leser mehr über seine willensstarke, unkonventionelle Tochter Emily erfahren, und auch Lord Palmerston wird unter die Lupe genommen.

Denn glücklicherweise sind der zierliche Thomas De Quincey und seine Tochter Emily noch in London und erholen sich von jenem Fall, der in Der Opiumesser geschildert wird.

De Quincey ist berühmt für seine brillante Prosa und die Aufklärung von Verbrechen, obwohl er vor allem als Opiumesser berüchtigt ist. Hoffnungslos süchtig nach der Droge, braucht er die ständige Aufsicht und liebevolle Begleitung von Emily, um durchzuhalten. Die beiden erregen Aufsehen, wo immer sie hingehen. In der Tat ist sie im viktorianischen England eine ebenso große Kuriosität wie ihr Vater Thomas, denn sie trägt statt der unbequemen Reifröcke, mit denen Damen aus gutem Hause sich herum quälen, Hosen, schreckt vor heiklen Gesprächen nicht zurück und gibt ihre Ansichten zu besten, wann immer sie das für angebracht hält. Kurz: sie weigert sich hartnäckig, die schwärmerische junge Frau zu spielen.

Die Scotland-Yard-Detektive Ryan und Becker scheinen beide in Emily verliebt zu sein. Sie hat sich in all der Zeit ihren Respekt und ihre Verehrung, ganz zu schweigen von ihrer Gunst, erworben. Beide sind nicht im Geringsten verärgert, dass sie immer noch in London ist und den Ermittlern mit ihrem Wissen zur Seite steht. Nun aber steht unendlich viel mehr auf dem Spiel, denn die Leichen häufen sich und das eigentliche Ziel rückt schnell ins Blickfeld: die Königin selbst.

Notizen, die an jedem Tatort hinterlassen werden, bilden das Motiv mit jeder weiteren Mordserie klarer heraus. Es ist fast so, als wolle der Killer, dass die Polizei genau weiß, wer er ist. Aber deshalb seiner habhaft zu werden, ist eine ganz andere Sache.

Während sie vielleicht sein Motiv verstehen – nur zu gut – erweist er sich als ein sehr schlüpfriger Charakter. Wie gelingt es ihm, ihnen immer wieder zu entwischen?

Die Ermittler haben einen Namen, den sie verfolgen, aber ihr Verdächtiger hat ein so starkes Verlangen nach Rache, dass es ihn fast unsichtbar macht. Die Detectives Ryan und Becker – und ganz Scotland Yard – erkennen, dass sie Thomas und Emily brauchen, um ihn aufzuspüren.

David Morrell hat – in allen dreien dieser herausragenden Romane – geschickt jene Stücke aus Englands Vergangenheit herausgeschnitten, in denen Attentäter kühne Anschläge auf das Leben von Königin Victoria verübten, und hat sie mit einem tragischen Unhold gewürzt, der seine eigene schreckliche Vergangenheit hat, und sie dann auf einen Kollisionskurs gesetzt, der in einem blutig guten Thriller explodiert. Die Geschichte ist äußerst lebendig und nahtlos verwoben, so dass der Leser nicht anders kann, als tief in sie einzutauchen.

Fans der Sherlock-Holmes-Geschichten werden sich an diesem frischen, neuen Detektivmodell erfreuen und die Ära, den Einfallsreichtum und die Details der Epoche gründlich genießen, ohne jemals die über dem ganzen Genre schwebende Parallele zu dem Detektiv aus der Baker Street zu spüren.

Die Affenpfote

Geschrieben von Marie Robinson

Das literarische Werk des Engländers William Wymark Jacobs war vor allem komödiantisch, doch ist er heute fast ausschließlich für seine übernatürliche Kurzgeschichte „The Monkey’s Paw“ (Die Affenpfote) bekannt. Ursprünglich im September 1902 veröffentlicht, wurde sie in Horror-Anthologien wieder veröffentlicht, für Film und Bühne adaptiert und diente als Inspiration für Dutzende anderer Medienformen.

In seiner klassischen Erzählung erhält die Familie White, zu der Vater, Mutter und der erwachsene Sohn Herbert gehören, Besuch von einem befreundeten Militär, Sergeant-Major Morris. Er erzählt den Whites von einem geheimnisvollen Talisman, der drei Wünsche erfüllen soll, allerdings zu einem schrecklichen Preis. Sergeant-Major Morris wirft den Talisman, eine getrocknete Affenpfote, ins Feuer, aber Mr. White holt ihn zurück, bevor er verbrennt, und beschließt trotz Morris‘ Warnungen, ihn zu behalten und ihn zu benutzen.

Weiterlesen
« Ältere Beiträge Neuere Beiträge »

© 2025 Die Veranda

Theme von Anders NorénHoch ↑

error: Content is protected !!