Possenspiele

Schlagwort: MV Carey (Seite 2 von 2)

Die drei ??? und die flammende Spur / M. V. Carey

Die flammende Spur

Es ist schwierig für die neue Autorin, die in ein etabliertes Werk einsteigen und alles erkennbar beibehalten muss, während sie gleichzeitig Änderungen vornehmen will, die ihre eigene Sicht der Dinge zu rechtfertigen versucht. Das gleiche Problem stellt sich jedes Mal auch bei James Bond, wenn der Staffelstab weitergegeben wird. Mary Virginia Carey, die vierte Autorin im Bunde, muss sich etablieren, nachdem die drei Detektive bereits 14 Bücher auf dem Buckel haben.

Der grundlegende Kanon der Serie um Justus Jonas, Pete Shaw und Bob Andrews ist natürlich unantastbar, aber abgesehen von einem Ort – dem Jonas-Schrottplatz, der von Justs Vormündern Onkel Titus und Tante Mathilda in der kalifornischen Küstenstadt Rocky Beach betrieben wird – steht fast alles andere zur Disposition. So hat Rocky Beach nun einen schrulligen Künstler („Nur einer von vielen«, versicherte ihr Justus. »Hier in Rocky Beach wimmelt es von solchen Exzentrikern.“). Der Potter, ein Keramikspezialist, ließ eines Tages alles stehen und liegen, als zwei Männer in der Stadt auftauchten, und verschwand spurlos. Das war genau in dem Moment, als eine Frau mit ihrem Sohn in der Stadt ankam, die behauptete, die nie erwähnte Tochter des Potter zu sein.

Flammende Spuren

Das Rätsel entwickelt sich ziemlich erwartungsgemäß, aber Carey scheint zu wissen, dass die Jungs das schon eine ganze Weile machen… sogar so sehr, dass die Leute um sie herum langsam die Nase voll haben von ihrem Blödsinn:

„Hör mal, Justus, ich Weiß, daß du dich für das größte Detektivgenie seit Sherlock Holmes hältst, aber es wäre mir lieber, du stecktest nicht fortwährend deine Nase in Dinge, die dich nichts angehen. Außerdem habe ich ganz andere Probleme. Diese Mrs. Dobson scheint von mir zu erwarten, daß ich ihren verschwundenen Vater herbeizaubern kann – wenn er überhaupt ihr Vater ist – und zwar noch vor Einbruch der Dunkelheit, am besten sofort. Mit meiner großartigen Besetzung von acht Mann soll ich also losziehen und den ganzen Küstenbereich absuchen und einen Mann finden, der gar nicht gefunden werden will.“

Carey scheint auch zu wissen, in welche Gefahr sich die Jungen in den letzten sieben Jahren begeben haben, und steigert den Einsatz mit einer grenzwertigen Foltersequenz und einem Kampf der Jungen mit einem bewaffneten Mann. Das ist alles etwas erwachsener als der kindliche Ton des Vorgängerbuchs Der unheimliche Drache, wo – äh, Spoiler? – etwas, das absolut niemanden auf die Idee bringen würde, es sei ein Drache, es schaffte, die drei über eine beängstigend lange Zeit hinweg zu erschrecken. Hier wird auf solche kindischen Dinge verzichtet, was sogar so weit geht, dass die titelgebenden Fußabdrücke auf mysteriöse Weise im Haus des Töpfers auftauchen:

„Eines stand für Justus Jonas fest. Hier trieb kein Gespenst sein teuflisches Unwesen. Gespenstern traute der Erste Detektiv so etwas nicht zu.“

Der Ton ist hier also etwas erwachsener, bis hin zu der Diskussion über das alte rumänische Grafengeschlecht (hier gibt es Anklänge an Die silberne Spinne, mit seinem fiktiven ausländischen Königshaus) und die beiläufige Erwähnung der „Romanows in Russland“, die allerdings in der Übersetzung völlig verwaschen wurde.

Und erneut: flammende Spuren

Dass viele Leute ein Interesse am Verbleib des Potters haben, steht außer Zweifel, und man muss eigentlich nur darauf warten, dass die verschiedenen Identitäten ihr wahres Gesicht offenbaren. Ich wusste nicht, was ich von einer Figur halten sollte, die interessanter zu sein scheint, als sie eigentlich ist… Ich hatte erwartet, dass sie eine ganz andere Rolle in den Ereignissen spielen würde, als sie es schließlich tat. Es ist auch enttäuschend, dass die gleichnamigen Fußabdrücke – die in brennenden Spuren auf dem Boden erscheinen, wenn das Haus unbewohnt und unzugänglich erscheint – einfach unerklärt verpuffen. Da macht es sich die Autorin etwas zu einfach.

(c) Harry Kane

Dies ist tatsächlich ein seltsames Buch: scheinbar für ein älteres Publikum gedacht … aber dann doch für einen viel jüngeres gezeichnet, voller Gefahren, die sich eher grenzwertig anfühlen … und letztlich doch zahm in allen Details sind, so dass genug vage bleibt, um keine Widersprüche aufkommen zu lassen. Carey macht ihre Sache jedoch besser als Nick West mit seinem Debüt im vorigen Band – West sollte nur noch ein weiteres Buch in dieser Reihe schreiben, den nächsten Titel Der rasende Löwe (1971), während Carey sich aufmachte, noch weitere vierzehn Bücher beizutragen- und sie fühlt sich den Jungen durchaus genauso natürlich verbunden wie ihr Schöpfer Robert Arthur, mit einem Gefühl der Kameradschaft und der gegenseitigen Vertrautheit.

Er [Bob] drehte sich um und schaute aufs Meer hinaus. Die Sonne war schon hinter einer Nebelbank verschwunden, die bedrohlich am Horizont hingelagert war.

»Bis wir wieder hierherkommen, ist es dunkel.«

»Das macht doch nichts«, sagte Justus Jonas. »Bald geht der Mond auf.«

»Steht das im Kalender?« fragte Bob.

»Aber gewiß, Kollege.«

Das verheißt Gutes für die Zukunft. Ich schätze, ich hatte auf einen etwas spektakuläreren Auftakt gehofft, aber es lässt sich nicht leugnen, dass dies bereits eine klare Verbesserung gegenüber Der unheimliche Drache ist und dass die Dinge für die Jungs und ihre nächsten Fälle interessant werden könnten. Es gibt also Hoffnung!

Nachtrag: Es gibt einen Briefwechsel zwischen Carey und den Redakteuren von Random House über die Entstehung dieses Buches. Daraus geht tatsächlich hervor, dass es Absicht gewesen ist, die Substanz, mit der die Fußabdrücke gelegt wurden, nicht genannt wurde. Im ersten Entwurf scheint es allerdings so gewesen zu sein. Man wollte Kindern diesbezüglich keine Hinweise an die Hand geben. Zweitens hatten die Herausgeber Zweifel an Elementen der Handlung als auch an der Menge der Informationen, die im Schlusskapitel mit Alfred Hitchcock auftauchen. Im endgültigen Manuskript konnte Carey sich jedoch durchsetzen und das Kapitel erschien so, wie sie es wollte.

Die drei ??? und das Bergmonster / M. V. Carey

Nach einer plötzlichen Entscheidung von Tante Mathilda und Onkel Titus, den Schrottplatz für zwei Wochen zu schließen und Urlaub zu machen, nehmen die Jungs das Angebot an, bei Patrick und Kenneth im Haus ihrer Cousine Kathleen in Sky Village, Sierra Nevada, zu wohnen. Schließlich haben die Brüder sie eine ziemlich lange Zeit nicht mehr gesehen. Sie betreibt dort ein Gasthaus und ist sehr erfolgreich. Als sie ankommen, stellen sie überrascht fest, dass sie frisch verheiratet ist, obwohl sie in ihren Briefen diesbezüglich nie etwas verlauten hat lassen. Kathleen scheint sich überhaupt sehr verändert zu haben, etwa will sie kein Gälisch mit den Brüdern sprechen, weil ihr Mann das nicht versteht.

In der ersten Nacht dringt ein Bär in den Garten ein, aber ein anderer Gast, der Naturfotograf Mr. Jensen, wird von etwas in den Nacken geschlagen, von dem er überzeugt ist, dass es kein zweiter Bär war. Der Verdacht fällt auf den Naturforscher Mr. Smithers, ein anderer Gast, der glaubt, mit Tieren kommunizieren zu können. Kathleens Mann Joe Hammond bittet Patrick und Kenneth, ihm beim Bau eines merkwürdigen Swimmingpools zu helfen, bei dem der Verdacht aufkommt, dass es in Wirklichkeit gar kein Swimmingpool werden soll. Heimlich zieht er jeden Tag los zu einer Bergwiese und nimmt sein Betäubungsgewehr mit. Schon bald merkt Justus, dass im Gasthof etwas nicht stimmt.

Bob stürzt in einen Erdbebenspalt, kurz nachdem er das Monster gesehen hat. Von Jack Hearne

Das hier ist Careys dritter Beitrag zur Reihe und insgesamt haben wir den zwanzigsten Band vorliegen. Man kann also bereits ein weiteres Fazit ziehen, nachdem Robert Arthur mit den ersten zehn Büchern die Grundlage und das Setting der drei Fragezeichen gefestigt hatte und dann William Arden, Nick West und M. V. Carey versuchten, darauf aufzubauen, wobei eben Arden und Carey den Löwenanteil dazu beitrugen – und auch weiterhin beitragen werden. Carey hatte mit Die flammende Spur einen durchwachsenen Einstand, dann aber mit Die singende Schlange einen wirklich großartigen Teil verfasst. Das Bergmonster hat ein recht gutes Tempo. Das Dorf Sky Valley ist nett umgesetzt (Rocky Beach taucht hier überhaupt nicht auf), wobei die hochgelegene Wiese und die Wälder besonders stimmungsvoll sind, und die Geschichte ist mit einer bunten Schar von Charakteren bevölkert, vor allem Charlie Richardson, der die örtliche Tankstelle betreibt und dem nichts entgeht. Es gibt auch eine kurze Rolle für Bobs Vater, der die Detektive per Telefon mit wichtigen Informationen versorgt.

Die Geschichte hat zwei Stränge, und das Haupträtsel – warum ist Cousine Kathleen ganz anders als früher – wird gut gehandhabt, obwohl es dann darunter leidet, sich auf eine zufällige Auflösung zu stützen. Man hätte sich hier mehr detektivische Arbeit gewünscht.

Das zweite Rätsel, das Bergmonster (von dem Charlie ihnen ursprünglich erzählt), wird geschickt eingesetzt, indem es im Verborgenen bleibt und nur hier und da Fußspuren hinterlässt oder Nackenschläge austeilt.

„Als ich ein Junge war“, sagte er [Charlie], „erzählten die Großen immer, auf dem Berg gäbe es Riesen und Menschenfresser, die in Höhlen wohnen und kleine Kinder auffressen, die nicht nach Hause gehen, wenn es dunkel wird.“

Man kann ein Monster auf verschiedene Weise in eine Geschichte einbauen. Einmal natürlich, in dem das Monster die Hauptattraktion oder die Gafahrenquelle der Geschichte darstellt, zweitens, indem jemand vorgibt, ein Monster zu sein und sich dementsprechend verkleidet. Wir hatten ähnliche Varianten bereits in den früheren Büchern übder die drei Detektive zu sehen bekommen, denken wir an Der grüne Geist, Das Gespensterschlos, Die Geisterinsel usw. M. V. Carey geht hier erstmals einen ganz anderen Weg. Das titelgebende Bergmonster nämlich ist weder eine wirkliche Gefahr, noch eine Illusion. Es ist schlicht und einfach echt.

Flucht

Bis auf eine Schlüsselszene am Ende bekommen wir nur Gerüchte mit, allerdings kann Bob einen kurzen Blick auf das Monster erhaschen:

„Ich hörte etwas hinter mir, und etwas faßte mich an, und ich drehte mich um – und dann sah ich Augen… wirklich sonderbare Augen. Das Biest hauchte mir regelrecht seinen Atem ins Gesicht. Ich schrie los, und das Ding auch, glaube ich. Dann stürzte ich ab.“

Carey lässt im obligatorischen Abspann mit Alfred Hitchcock Bob noch einmal etwas dazu sagen. Nämlich dass in der Kaskadenkette schon seit Jahren sonderbare Fußspuren aus den Sierras gemeldet wurden. Tatsächlich gibt es dort, wo sich die Junge herumtreiben, Sagen über eine Art Nessie, aber auch eine über das Jarbidge Monster, das allerdings weitaus gefährlicher sein dürfte als unser Bergmonster im Roman. Da das kriminalistische Rätsel hier nicht so stark ist, ist es natürlich ein ganz ausgezeichneter Zug, die Geschichte mit einem mysteriösen Hintergrund auszupolstern. Careys Tonfall ist klug und über die vielen Zufälle kann man durchaus hinwegsehen, weil das Gesamtpaket stimmig erscheint, auch wenn es nicht zu den stärksten Abenteuern der Serie zu zählen ist. Joe und die falsche Kathleen sind gut ausgearbeitete Charaktere, die Verdacht erregen, ohne wirklich etwas zu tun, was ihn rechtfertigt, während diesmal Patrick und Kenneth mehr im Mittelpunkt stehen, als wir es gewohnt sind.

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