Solange es Gottheiten gibt, gibt es auch Teufel, die sich im ewigen Kampf um menschliche Seelen befinden. Von den Sumerern bis zu heutigen Sekten enthält jede Religion dualistische Elemente, Licht und Dunkel, Gut und Böse, Engel und Teufel, binäre Gegensätze, die die Gläubigen ängstlich und brav halten sollen. Teufel befeuern dabei die dunkle Seite dieser Gleichung. Sie symbolisieren das, was uns passiert, wenn wir die Regeln nicht befolgen. Sie lauern auf unvorsichtige Sünder, verspotten, verführen und nehmen schließlich Besitz von unserem Verstand und Fleisch und verurteilen uns zu körperlicher Zerstörung und geistiger Verdammnis.
Es ist Montag, der neunundzwanzigste August. Der Tag, an dem der Turm sich, der sich uns beiden weissagte, durch unser Aufeinandertreffen in Mannheim, den Lüften zu durch Erde brach. Monate, seit Mitte 2015, hatten wir unzählige Worte, so viele lange Briefe aus dem Wasser der Mondin geschöpft. Uns ausgiebig ausgegossen. Oil mit einem Krug. Waterlily mit einem Krug. Aus einer Pfütze entstand ein Rinnsal : aus einem Rinnsal ein Bach : aus einem Bach ein Fluss : aus einem Fluss ein reißender Strom, der unaufhaltsam das Land unter unseren Füßen abtrug, Meer zu werden. Wir strömten uns zu, tasteten bald in allen Elementen nach uns. Wir siezten, duzten, kollidierten und fusionierten … kollidierten wieder, ließen ab, stoben auseinander, hoben wieder an …, wir gaben uns Namen. Nannten unsere Kinder bei den ihren. Sie spielten uns durch (wie wir sie durchspielten), entdeckten und blößten uns. Bangten bis zu diesem Tag:
Noch früher Morgen, wir telefonieren miteinander, soeben erst aus den Federn gestiegen, fühle ich mich pelzig von dem Zwölfstundendienst, der nun hinter mir liegt. Du hast dich bereits vom Nacken bis zu den Fußknöcheln in dein Weinlaub geworfen (da Kempten, wie du mir erzählst, offenbar eine Stadt ist, die ohne gelbe Hemden auszukommen gedenkt). Ich begleite dich zur Tür hinaus, gen Bahnhof zu gehen, die Tschu Tschu zu nehmen, in der ein Junge sitzen wird, der dich die ganze Fahrt zu mir hin unterhält. Ich springe unter die Dusche, weiß noch nicht, was ich anziehen werde, entscheide mich für mein braunes Wollklaid, packe meinen Rucksack, packe meine Tasche, und noch eine, habe viel zu viel dabei. Schwer beladen in beeschfarbenen Samtpömps, vergesse ich den olfaktorischen Handkuss nicht, tauche meine Finger der rechten Hand noch ins Becken meiner Nymphe und versuche von nun ab als linkshändige Packeselin durchzukommen. Ich stöckele los, mit offener Mähne. Denke an mein Sternbild, dass ich an einem meiner letzten Arbeitstage, vor dem Kuckucksnest gefunden hatte als ich, mit einer Kollegin sprechend, zu Boden blickte, und weiß noch nicht, dass der ausgemachte Handkuss der Umarmung eines Wesens weichen wird, auf das ich keinen Einfluss habe.
So kam es. Und nun ist es soweit. Weiß ich doch seit Wochen. Mit der Tschu Tschu geht’s in die Pfalz. Mit nem großen grünen Stegosaurier zurück. Den Stego vermute ich mal, da ich nur die ‘kleinen’ Busse kenne, von dem, der ihn mir zur Verfügung stellt und wohl auch fährt. Obwohl ich das auch machen würde. Ich fahre ja hin und wieder der Arbeit wegen einen Bus. Hey Busfahrerin! Aber eben einen ‘kleinen’, der maximal 10-15 Personen fasst. Das wollte ich mal zu meinem Beruf machen. Ist noch gar nicht so lange her, da stand das zur Debatte.
Hab’ uns heute auf dem Viehmarkt nen 2-kg-Sack Zwetschgen gekauft. Zum Frühstück gab’s Debreziner mit Kaisersemmeln und Senf. Die Zwetschgen brauchen noch, sind noch recht fest und sauer. Bis sie zart und süß sind, bin ich wieder da. Mit Fahrrad. Um in irgendeiner Weise wieder mobil zu sein. Das Fahrrad, mit dem ich, bevor ich zu dir kam, die letzten Tage zu meiner alten Arbeitsstelle geradelt bin, vorbei an Felder, Felder und noch mehr Felder. Du hast mich zu dir geholt. Bist Tschu Tschu gefahrn. Kamst an auf Gleis 2. Mich am Ohr.
Wir übernachteten im Mannheimer Maritim-Hotel, in dessen Korridore wir uns immer wieder verliefen, das uns stark an das Overlook-Hotel erinnerte. Es schien auch genauso leer, wir beide waren um kurz vor Mitternacht die einzigen, die noch die Bar aufsuchten. Es war uns ein Haus mit einem ganz eigenem Willen, das einen vergessen macht, in welcher Stadt man ist, zu welcher Jahreszeit, zu welcher Zeit überhaupt. Solche Häuser wirken auf mich wie Uterushäuser. Die Welt herum versinkt ins Dunkel, ist nicht mehr existent, wandelt man durch solche Gänge, schläft und isst in ihnen. Abnabelung durch eine totale In-sich-Aufnahme. Wir spürten, dass wir absorbiert wurden. Waren wie in einer dickwandig ausgekleideten Blase, die die Welt nur als ein Innen kennt. Keine Sinne der Gewohnheit. Es war mir als ob ich ständig meinen eigenen Puls schlagen hörte. Meine Ohren waren wie nach innen gestülpt. Die Farben teilten sich in einer ganz anderen somatischen Sprache mit. Die Klänge hatten etwas Gedämpftes. Ähnlich: sich in eine Badewanne zu legen und die Ohren unter Wasser zu halten. Noch immer hört man etwas, aber es scheint ein Klang, eine Akkustik einer anderen Welt zu sein. Und wie Wasser mir hierfür ein Medium ist, war es auch dieses Haus, das wir beide vielleicht irgendwann in der Zukunft noch einmal besuchen werden. Doch dann mit einer Kamera.
“Wir sind uns schon einmal begegnet.” “Ach ja?” “Aber natürlich. In Ihrem Haus. Erinnern Sie sich nicht?”
Lost Highway
Wenn man Zug fährt steigt man ein; wenn man Zug fährt steigt man aus. Oil steigt aus, Waterlily am Ohr, kurz bevor der ganze Hades aus den Gleisen walzt und screamt und brät und bevorzugt bremst. Der olfaktorische Handkuß gerät zur selbstverständlichen Umarmung, die nie wieder nachlassen wird, die sich in ein Crescendo steigert, dem nur noch der Urteilsspruch besonders weiser Raben Einhalt gebieten kann. Die Raben, die den Wasserturm in Mannheim nicht bevölkern, wären weise, sind es aus Abwesenheitsgründen aber nicht. Waterlily lächelt wie ein Stern, der Wasser in Wasser gießt, sie gibt jeder Landschaft den Anstrich des Idylls, selbst wenn es sich um Beton und eine Straße handelt. Ihr Lächeln ist Liebes=Weise. Und Oil ist zum Holen auserkoren.
Sehr guter Zusatz. Bereichert das ganze enorm. Danke!
Ergänzung: Keith Richards spielte in Fluch der Karibik Teil 3 und 4 mit. Er übernahm die Rolle des Kapitän Teague,…
Die Swamp-Helden wirken auf mich etwas weit hergeholt. Um tiefgründige Wahrheiten über die menschliche Natur zu vermitteln, hätte ich eher…
Oh,dem stimme ich völlig zu! Danke für den Kommentar!
Vielen Dank. Ich denke, dass Mangas, Comic- und Mangamessen und Filme ebenfalls einen großen Einfluss auf die Verbreitung von Comics…