Das blaue Kleid

Seit langem schon wollten wir das verfallene Haus in der Mühlgasse aufsuchen, und obwohl uns der Mut der Gruppe schon an manche unheimliche Orte gelenkt hatte, fehlte uns dazu bisher die Unerschrockenheit. Von der Straße aus konnten wir es im Herbst oder Winter durch die laubfreien Äste betrachten, immer aber schien es uns kein richtiges Haus zu sein, sondern eine Karkasse, an der noch Fleisch und Hautreste hingen.

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Der Weg nach Raha: 7 Evaluation

»Schau, wenn wir uns hier hinstellen, können wir den Zügen nachsehen!« Er träumt mit offenen Augen, erwartet kaum das sehnsüchtige Verlangen nach der Ferne, das reisende Objekte in ihm auslösen.

»Ich dürfte überhaupt nicht hier sein mit dir!« Sie spielt mit dem Zeigefinger in ihren Locken, ringelt sie auf, sieht verlegen drein, betrachtet ihre Schuhe, betrachtet seine Schuhe, seine Knie.

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Der Weg nach Raha: 6 Adam und der Schatten (1)

Aufgesprungener Boden, Gesichter einer alten Erde, worüber sich Gleise erstrecken, die schon lange nicht mehr befahren werden von tonnenschweren Lebewesen, die man einst Dampflok oder Waggon nannte. Letztere die besitzlosen Sklaven, Gewichte schleppend, ohne Ziel, ohne eigene Interessen.

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Die Spindel in den Brunnen

Kam dann an einer stillen Ecke an, 
gesäumt von Kleidungsstücken,
Wollgarn schwarz, die um eine
brennende Tonne hockten. Aus den
offenstehenden Fenster drang Rauch,
die Haustüren ausgehängt, die Straße
leblos, mit Ruß beschmiert.

Wir verbrennen, was wir finden, wir
wärmen, was wir wärmen können. Die Nächte
sind kühl, aber dunkel. Nicht auszudenken,
wenn uns die Sonne schiene, besser ist es,
jeder schläft. Pfützenschnaps
erklärt dir alles Weitere. Die Spindel
in den Brunnen dort, dann bekommst du
deine Freiheit.

Aus den offenstehenden Fenstern
drang jetzt lauter Atem, die Haustüren
erwiesen sich als flachgewalzte R,
die Straße leblos, mit Rost geschmückt.
Die Spindel in den Brunnen dort, dann bekommst du
deine Kleider, du selbst musst dann entkernen dich,
den Körper unter Kannibalen teilen.
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Sturm Alabasters

Die Augenbirnen in den Nussschalen,

in regengebadeten Prismen, also ein künstliches Land.

Ohne mich zu kennen, bin ich gerannt

und schüttelte Hände im Sturm Alabasters,

die Sagen vergessen, das Land unbekannt.

So stehen die Ritter bei Grabe

und schmettern Gewölk vom Gesicht in die Tiefe –

in die Höhlen der Mesmerei; dort hatten sie

einst Schafe erschaffen, mit Wolle,

durch silberne Lettern

und Angst an der Wand, stets in Blei.

Es scheint mir alles zu sein und ich weiß nicht:

es scheint eine Art Stille zu sein, die uns

in ein Vakuum fließen lässt

und ich weiß nicht:

es scheint eine Art Verzweiflung zu sein,

die uns einander näher bringt.

Sie erhob sich von ihrem Stuhl, als sie mich

aus dem Wandschrank kommen sah.

Außer Königen, Dichtern und Druiden erhebt sich jeder,

wenn er etwas für einen ehrlichen Gruß übrig hat.

Es war nicht leicht zu erklären, wie ich

dort hineingeraten war. Ihre starren Augen

nahmen die Rundungen eines Opfers an,

das sich nicht kampflos ergeben wollte.

»Wegen dir bin ich doch gekommen!«, sprach ich an ihr vorbei,

weil sich dort noch ein Platz für Worte fand, blieb aber ganz

der berechnende Geminus, ein kleiner Janus über den Türen.

In ihr Ohr hinein sagte ich Dinge, die sie hören wollte,

bis ihre feingeschwungene Muschel,

viel zu zart für ihren großen Kopf, überlief.

In der geheimen Höhle des Herzens

sitzen zwei an dem Brunnen des Lebens;

das abgetrennte Ich trinkt Süßes und Bitteres,

es mag das Süße und es mag nicht das Bittere.

Währenddessen trinkt das höchste Selbst Süßes und Bitteres.

Es mag noch mag nicht das eine oder andere;

das Ich tappt im Dunklen herum,

während das Selbst im Licht lebt.

In alten Sprachen sind Wind und Hauch

Böen aus Splitter, fragile Kommunikation.

»Du?«

»Ja. Ich bin es wirklich.«

Ich durfte sie Schranktüre schließen,

ohne dass die Gefahr bestanden hätte, dass sie davonlief.

Fraktale Welt, Frakturen des Erlebens;

hingestreckt erwachen ihre Finger.

Siziliumhände, Schwefelhauch,

Eisenknochen, Aluminiumhaar.

Von Vogelbanden begleitet

werde ich der Gottesanbeterin anheimfallen.

Höre, draußen geht ein Sturm; den rufen wir:

Los, Donnerhand! Den knechten wir mit Eisenband,

und führn ihn an der Lorelei vorbei

und lachen über dieses sich kämmende Monster.

Aus den Bechern rieselt Wort um Wort,

ein Regen ist geworden; und all das

fasst nicht an, womit das Herz bewohnt sein will.

An kalten Tagen spickt man aus der Nische

und wundert sich, wieʼs draußen geht. Doch hier

im Stübchen glüht der Herd,

bereitet warmen Mündern Speisen.

Wir segeln durch die Endlosigkeit der Himmel,

Sternenaugen, schwarz die Nacht;

sie seufzt den silbernen Baum-Mond an,

er fällt herab in Tränen, Licht der Nacht –

die Erde ein violetter Brand im Saphirdunst des Orbits,

während darunter Bäume in einer kühlen Brise baden.

Wir passieren das Karmesinauge des großen Gottes Mars.

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Die Muschel

Ich habe heute Nacht eine Muschel gefunden, in der Gespräche aufgezeichnet wurden, die man vor 17 Millionen Jahren in einer Höhle führte, und festgestellt, dass dies nicht nur sehr verblüffend ist, sondern dass alle Kommunikation auf Poesie beruht.

Den Weg weiter runter legt sich zur rechten Seite
eine Umfriedung in die Landschaft, in der sich
ein öffentliches Bad befindet, eine Installation.
Die Mädchen hüpfen nach dem Volleyball
und Pärchen beugen sich übereinander da am Zaun.
Die Menschen, die aus dem Wasser stammen:
dort steckt die Erinnerung, dort visionierte ich.
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Pemberton’s

Der Uerdinger Schienenbus ruckelt an, sein rotes Rot ist dreckigster Wein. Dem Alten hat er heute Nacht Geld aus der Tasche gezogen, kroch in sein Schnarchen hinein, zu seiner Hose hin, den dicken Lederranzen aus der Arschvoliere gezupft, und wirbelte, etwas schneller dann, auf den rettenden Flur zurück, belauschte noch einmal das Bierröcheln, ob es sich observierend oder fehlerlos benahm, und verschwand ins Bad, um sich dort, eingesperrt als ob er Sitzung hielt, der bunten Bildchen zu versichern. War nur ein Hunderter drin, konnte er es vergessen und zapfte in diesem enttäuschenden Fall nur ein paar Münzen ab. Fand er allerdings mehrere Scheine, rupfte er da einen Fuffziger, dort einen Zwanziger aus dem Pulk, bis er etwas beisammen hatte, mit dem sich etwas anfangen ließ.

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