Die Veranda

Kult!

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stahlmontur

hätten wir uns berührt hätten
wir uns anders betrachtet hätten
uns gesehen. Warum bist
du zur sonne gekommen geschmolzen

einmal im rhythmus der straße
angekommen treiben flächendeckende
ungedeckte gullideckel wasser hinab
in den stall
fernhausende gestalten jubeln :
jubilee – und mir noch etwas milch !!
als wäre die erschütterung ein gerngesehner
gast. Warum bist du …
kind asfaltner schwärze. Montur
aus stahl

Die Heimsuchung der Warrens

Das Forschungsgebiet – Geister und Dämonen

Als selbsternannte Dämonologen und Geisterjäger sind die Warrens heute berühmt für die Arbeit, die sie Ende der 1940er Jahre begannen.

Wenn wir an Theater denken, stellen sich die meisten von uns eine Bühne mit Vorhängen, grellem Licht und einem aufmerksamen Publikum vor, das sorgfältig hinter einer „vierten Wand“ platziert ist. Wir denken an Schauspieler, Autoren und Regisseure, die das nächtliche Treiben einer unbestimmten Aufführung lenken. Aber was wäre, wenn es diese Barrieren nicht mehr gäbe? Was wäre, wenn unser Zuhause zur Bühne würde? Gibt es irgendwo mehr Privatsphäre oder Intimität als bei dir zu Hause? Als im Zimmer deines Kindes? In deinem Bett? Unsere Häuser scheinen auf einer anderen imaginären Ebene zu existieren. Sie atmen, knarren, knacken und pfeifen. Manche haben sogar Gesichter mit bedrohlichen Fenstern, die wie Augen aussehen. „Wenn diese Wände sprechen könnten“, sagen wir, aber wollen wir wirklich wissen, was sie zu sagen haben? Könnte es Geister geben? Böse Geister? Etwas, das wir nicht sehen? Gibt es so etwas überhaupt, oder ist das alles nur Einbildung? Niemand verstand sich besser auf diese Fragen als Ed und Lorraine Warren.

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Vorbereiten auf den Winter

Wenn der Winter kommt, wird es kühl. Obwohl es auch manchmal kühl ist, wenn der Winter nicht vor der Tür steht, ist die kühle Luft doch eines der Markenzeichen des Winters, vorausgesetzt, es handelt sich nicht um einen milden Winter, der dem vorzeitigen Frühling ähnelt. Dann mag es durchaus ebenfalls kühl sein, man spricht dann aber doch besser von Milde. In der Milde strickt man Pullover, die man in der Kühle trägt. Die Frage, die uns hier beschäftigen soll, ist diese: Wann wäscht man diese Dinger? Der Sommer würde sich am Besten dafür eignen, denn da strickt man nicht und trägt auch nicht. Nun kann man aber nicht den ganzen Sommer lang Pullover waschen, und sie im Winter dann tragen. Es müsste mehr Abwechslung zwischen den Momenten des Waschens und des Tragens geben. Ich habe herausgefunden, dass sich ein zweites Exemplar als Lösung anbietet.

Von der Bergung des Konfekts

Konfekt besteht in erster Linie aus seinem eigenen Namen und unterscheidet sich von der Herrenschokolade nicht zuletzt durch Süße. In diesem Sinne bedeutet es freilich “Zuckerwerk”, “Werk des Zuckers”, “Zuckertagebau”, “Zuckerbergwerk” – und besteht aus Zucker, der von Zwergenhänden aus finsteren, süßen Stollen geborgen wird. Diese Hände stammen aus der Region des Chururu-Flusses, denn nur dort entwickeln sie sich putzig und nicht prankenhaft wie im Rest der Welt. Behaarte Hände würden steckenbleiben, sobald sie die erste Kurve passieren müssten, die aber stets vor der zweiten zu nehmen ist. Diese Hände aber sind rosa, nackt und geschlechtslos, was dabei hilft, den Geruch des späteren Konfekts auf ein Minimum zu reduzieren. Gerochen werden kann es dennoch, allerdings ist hierzu eine Nasenlupe zu benutzen, die es kaum in einer haushaltsüblichen Auflösung gibt. Und wer will schon ständig das Observatorium besuchen?

Der Weg, der wirklich zu einem Ziel führt

Der Weg, der wirklich zu einem Ziel führt, heißt: Offenbarung. Nur der, der im heimlichen Licht seine Warzen sehen läßt, seine Schuppen, seine Hexenhaare (die sich unter die Makellosigkeit mischen, und die Trotz der Folterbank des Toilettentischchens, auf der sie ausgerissen werden, immer wiederkehren, kann eines Tages von sich behaupten: Ich wurde geliebt wie Lady Olga Roderick, die bärtige Dame. Nicht mit kleiderraubender Leidenschaft, sondern mit dem stillen Einvernehmen des Makels, der die sonderbaren Gelüste anschürt wie einen Heizkessel in den 50er Jahren.

Rauschhafte Zeremonien am Rande des Gartens

Der Einschlag geschieht in den richtigen Sektoren; die Woche hat ihren Mittwoch erreicht. Bereits jetzt schält sich aus gewissen Lichtungsergebnissen eine Reise in den neblichten Aspekt, anberaumt für das nächste Jahr, aus den Ereignissen heraus, die sich nicht nur mehr überschlagen, sondern, ganz famos, gleichzeitig sind. Ein Zustand also, den das Wort nicht erreicht, sobald es Raum betritt. Hier schichten sich Schichten zu neuen Schichten, verankern sich, bedingen sich und weben neues Sphärenmaterial.

Frühstück auf dem Markt; im Künstlerhaus am Nachtmittag treffen wir Kokko. Das wir ist kein Zufall. Wie schnell man sich verdoppelt, wie schnell man sich wirklich verdoppelt und dann vierfach sieht. Ende für heute.

Waterlily & Oil

“Wir sind uns schon einmal begegnet.” “Ach ja?” “Aber natürlich. In Ihrem Haus. Erinnern Sie sich nicht?”

  • Lost Highway

Wenn man Zug fährt steigt man ein; wenn man Zug fährt steigt man aus. Oil steigt aus, Waterlily am Ohr, kurz bevor der ganze Hades aus den Gleisen walzt und screamt und brät und bevorzugt bremst. Der olfaktorische Handkuß gerät zur selbstverständlichen Umarmung, die nie wieder nachlassen wird, die sich in ein Crescendo steigert, dem nur noch der Urteilsspruch besonders weiser Raben Einhalt gebieten kann. Die Raben, die den Wasserturm in Mannheim nicht bevölkern, wären weise, sind es aus Abwesenheitsgründen aber nicht. Waterlily lächelt wie ein Stern, der Wasser in Wasser gießt, sie gibt jeder Landschaft den Anstrich des Idylls, selbst wenn es sich um Beton und eine Straße handelt. Ihr Lächeln ist Liebes=Weise. Und Oil ist zum Holen auserkoren.

Laß uns schön zueinander sein

Es ist das neue Gesicht des Immensen, das strahlend über Luna wacht. Ein Großer Strom reicht uns nicht mehr bis zum Hals, hat uns gebeten, Landunter zu tauchen. Werke entstehen unter Einsatz des Lebens oder des guten Rufs. Ein guter Ruf wie dieser: Laß uns schön zueinander sein. Was bedeuten uns die Wechselgänge des Morgens in der Kammer der Lust? Was bedeutet die Bedeutung fernab der möglichen Worte? Adam und Eva, der Ackerboden und die Belebte, sind Symbole, die es gilt, neu aus nassem Lehm zu formen. Kann nicht sprechen ohne zu sprechen, kann nicht atmen, ohne zu atmen, kann nicht berühren, ohne die physikalische Grenze zu überschreiten, kann mich nicht daran erinnern, jemals nicht für diese Woche gelebt zu haben, die – längst angelegt: wann? – wie der Garten der Hesperiden perlte und sich im eigenen Abglanz suhlte, bewacht von Ladon, der sich längst der ausgestreckten Hand ergab, glänzend, tropfend vom goldensilbernen Tau der Körperquellen. Der Urgrund aller Geburt, den ersten Worten ein Gesang: Laß uns schön zueinander sein. Das Lied der unendlichen Strophen. Unser Atem ist sich des Odems bewußt, unser Odem ist Selket, die atmen läßt, unsere Hände sind geschlossen um das, was sich im Innern befindet, das Zentrum nämlich des Leuchtkörpers, arretiert und doch nicht fest.

Der olfaktorische Handkuß

Sinne schwinden (schwindet, Sinne!); so ein Lied der Früchte, so ein Lied der Frucht; aus deinem Füllhorn fließt stets und stets des Lebens Energie, der Boden säumt die ausbedungnen Schuh‘. Ein Schritt nur, und es wird die Späte richten, wie der Tag sich aus dem Tage schält. Das B des Bibberns, B des Bangens, B des Badens in olfaktorischen Genüssen. Auratisch schwebst in Windeseile, durcheilst den Luftraum windgeschwind und hebst dich in die offnen Arme, die Hände fächeln Tau herbei, und Kosung dreht sich zum Gerank, zum Wimperg über unsren Köpfen. Die Hand wird nur geküßt im Viert der Räume, auf den Steigen der Zeitenbahn. Uns ist das Fließen angedacht. Ich könnte, käme an, ich konnte, kam ich an, ich kann nicht von dir lassen, den Brautstein auf den Lippen tragend, der den Gesang des deinen Körpers in den Trichter des Gesagten, der Verheißung überführt.

Tschu Tschu

Kempten leuchtet heute wie von einer Zweitsonne beschienen. 1023 meter bis zum Bahnhof (wenn man den Ring anders kreuzt, kann man die Distanz sogar unter 1000 drücken). Im Biergarten daneben und davor starren mich die Leute an. Was ist denn jetzt schon wieder? Ich bin mit dem Rad da, Herrschaften, völlig unauffällig. Also, entweder stimmt mit mir wirklich etwas nicht oder ich werde meiner Paranoia nicht mehr Herr.

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Gelbes Hemd

Ich habe gestern in mir herumgestochert und herumgeforscht, aber nichts gefunden. Der Bahnhof, an den ich dachte, ist mir oft ein flüchtiges Thema, in meiner Erzählung Martraum (Sandsteinburg) sogar ein großes Symbol, das mir aber auch keine andere Wahl lässt. Mit einem Bahnhof beginnt die Geschichte, die sich nicht schließen lässt, mit einem Bahnhof beginnt die Geschichte in der Mitte.

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Indem das Wunderbare und Übernatürliche genügt

Todorov, dem ich einige Dummheiten unterstelle, zählt Kafkas “Verwandlung” zum Beispiel nicht mehr zur Phantastik, weil hier das Übernatürliche von Anfang an vorgesehen sei. Es geht ihm hier um das fehlende Überraschtsein angesichts der phantastischen Ereignisse. Dass die Psychoanalyse die phantastische Literatur ersetzt habe, ist eine weitere Merkwürdigkeit; doch angemerkt werden muss, dass aus heutiger Sicht selbst die Psychoanalyse ein überholtes Modell darstellt. Längst hat sich alles den Neurowissenschaften zugewandt. Es gibt natürlich andere Kandidaten, die Todorov widersprechen, aber auch sie überzeugen letzten Endes nicht. Hans Richard Brittnacher ist so jemand, wenn er behauptet, dass das Phantastische im Grunde kein ästhetisch innovatives Potential mehr entwickeln könne. Das Problem der deutschen Phantastikforschung wird da schon mitgeschrieben, denn sie stecken diese Begrifflichkeit einfach zu eng, weshalb unbedingt angeraten ist, den germanistischen Ansatz völlig hinter sich zu lassen und sich der angloamerikanischen Literaturwissenschaft anzuvertrauen. Es mag manchen staubigen Backen nicht gefallen, dass hier Phantastik und Fantasy im Grunde auf das gleiche abzielen, indem das Wunderbare und Übernatürliche genügt, um einen Text als phantastisch erscheinen zu lassen, denn “im Laufe des Jahrhunderts ist das Phantastische selbst zur Dominante des modernen Romans geworden”, wie Bernhard Cornwell feststellt.

Das Gift / Samanta Schweblin

Das Gift
Das Gift

Dass das wirklich Monströse die Natur das Fremde und das Menschliche ist, daran hat uns der klassische Terror bereits gewöhnt: Wald und Dschungel fungieren als Versteck für all das, was von der Vernunft verdrängt wird, und Kinder sind der Anfang dieser Fremdheit. Wir finden dort, wo wir uns in Sicherheit wähnen, nichts anderes als die Warnung vor unserem Aussterben.

Diese längere Erzählung Samanta Schweblins, die aus irgendeinem unerfindlichen Grund als ihr erster Roman gehandelt wird, ist die intelligente Variation des Klischees „äußeres Monster gleich inneres Monster“, das sich auf eine Strömung in der lateinamerikanischen Literatur bezieht, die dem kolonialen Diskurs der Unschuld der Landschaft (im Gegensatz zur Stadt) einen Schlag versetzen will. Amanda und ihre kleine Tochter verbringen einige Tage auf dem Land in einem Haus, das von Carla vermietet wird, einer attraktive Frau, deren Sohn David, nachdem er durch das Wasser eines Baches, von dem er trank, vergiftet wurde, und dann bei einer rituellen Heilung seine halbe Seele verloren hat. Aus dem Gespräch zwischen Amanda und David, einem Kind mit einer verstörenden Erwachsenenstimme, rekonstruieren wir den Moment, in dem Amanda die „Rettungsabstand“ (so heißt das Buch übersetzt im Original) verliert, mit der wir unsere Kinder schützen und tappen durch ein halluzinatorisches Dickicht.

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