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Kategorie: Popkultur & Ikonen (Seite 1 von 7)

(Filme, Serien, berühmte Figuren, Comics)

Peacemaker Staffel 1

James Gunn beschreibt Peacemaker als “Superheld, Superschurke und größtes Arschloch der Welt”. Er ist die Hauptfigur der Peacemaker-Serie von HBO Max, einem Spin-off und einer Fortsetzung von Gunns DC-Superheldenfilm The Suicide Squad aus dem Jahr 2021. Die Serie folgt den Nachwirkungen des Films. Peacemaker (alias Christopher Smith) ist nicht mehr im Gefängnis, sondern Mitglied eines Teams, das ihn bei seinem Streben nach Frieden unterstützt (“egal wie viele Männer, Frauen und Kinder” dabei sterben müssen).

Wie in The Suicide Squad beschrieben, besteht dieses Team aus zwei Untergebenen, die Amanda Waller (Viola Davis) als Strafe für ihre Widerspenstigkeit abgestellt hat: der nervöse Techniker John Economos (Steve Agee) und die überraschend taffe Emilia Harcourt (Jennifer Holland). Zu dieser bunt zusammengewürfelten Truppe von Außenseitern – manche würden sie als eine Art Selbstmordkommando bezeichnen – gehören die Neuankömmling Leota Adebayo (Danielle Brooks), Vigilante (Freddie Stroma), ein noch gewalttätigerer und gestörterer “Superheld” als Peacemaker, und der Anführer Clemson Murn (Chukwudi Iwuji), der sich durch seine Black-Ops-Arbeit einen blutigen Ruf erworben hat. Auf ihrem Weg muss das Team zusammenarbeiten, um außerirdische Kreaturen zu besiegen, die als “Butterflies” bekannt sind – und sich auch mit weißer Vorherrschaft und toxischer Männlichkeit auseinandersetzen.

John Cena, Peacemaker, Staffel 1 (c) HBO Max
John Cena, Peacemaker, Staffel 1 (c) HBO Max

In Anbetracht der Tatsache, dass The Suicide Squad als das Ergebnis des “wunderbar verdrehten Geistes” von James Gunn angepriesen wird, ist es wichtig zu erwähnen, dass Peacemaker nicht nur ein Fernsehprojekt ist, bei dem Gunn als ausführender Produzent fungierte und das er dann verließ. Gunn schrieb alle acht Episoden dieser Serie und führte bei allen bis auf drei auch Regie. Peacemaker ist ganz und gar James Gunns Vision und in vielerlei Hinsicht ein Superheldenfilm wie Eastbound & Down. (Jody Hill, der Mitschöpfer dieser Serie, hat auch bei einer Episode von Peacemaker Regie geführt, was dem Ton und dem Humor der Serie entspricht).

Die Gewalttätigkeit der Suicide Squad setzt sich in der Serie fort, wobei sorgfältig auf praktische Effekte geachtet wurde, z. B. eine Leiche im Hintergrund, die weiterhin Blut spuckt. Die saloppe Sprache und die nötige weibliche Nacktheit tragen ebenfalls zum R-Rating bei. Angesichts dieses Stils stellt sich die Frage, ob sich die Serie über die Sensibilität von Teenagern lustig macht, wie die Albernheiten von Figuren wie Peacemaker und Vigilante vermuten lassen, oder ob sie sich direkt an sie anlehnt. Vieles deutet auf Ersteres hin, wenn man bedenkt, wie die Serie mit dem Entwicklungspotenzial von Peacemaker umgeht. Gunn scheint einen Kick daraus zu ziehen, sich über die Exzesse der Ausbeutung lustig zu machen und sie gleichzeitig voll auszuschöpfen. Diese Herangehensweise ermöglicht interessante Darbietungen des gesamten Casts, der die Balance zwischen schwerem Drama und derbem Teenie-Humor sehr gut hält.

Mehr noch als The Suicide Squad wirkt Peacemaker wie der Höhepunkt dessen, was Gunn mit dem Film “Super ” (2010) erreicht hat: Selbstjustizler, die (in ihrer Vorstellung) auf einer Mission sind, Frieden zu stiften und die Straßen zu säubern, werden nun mit einem größeren Budget und etablierten (wenn auch obskuren) Comicfiguren zum Leben erweckt. Gunn positioniert den Peacemaker und vor allem den Vigilante als weitaus effektivere Versionen von Rainn Wilsons The Crimson Bolt aus Super, auch wenn Gunn nun viel mehr daran interessiert ist, die moralische Ambiguität und den geistigen Freiraum seiner Antihelden zu thematisieren.

Dieser besondere Fokus auf Peacemakers Absichten macht ihn nach The Suicide Squad so faszinierend, da er sich nun mit vergangenen Taten auseinandersetzen muss, die die meisten Menschen als absolut bösartig ansehen würden. Er steht an einem Scheideweg in seinem Leben als selbsternannter Superheld. So charmant John Cena auch sein mag, die ursprüngliche Idee, dass Gunn mehr Zeit und Mühe darauf verwendet, sich auf einen “rechten Waschlappen und Massenmörder mit einem verzerrten Sinn für Frieden zu konzentrieren, schien zunächst kein lohnendes Ziel zu sein. Aber die Serie zeigt, dass Gunn daran interessiert ist, zu hinterfragen und zu untersuchen, wie Menschen extreme und schädliche Überzeugungen annehmen und wie sie sich ändern können, nicht nur allein, sondern auch mit der Hilfe anderer.

Die Serie spricht den Peacemaker jedoch nicht völlig von seinen früheren Taten frei, weder auf dem Bildschirm noch außerhalb. Er bleibt der schlecht informierte Trottel, der er seit seiner Einführung ist, auch wenn er versucht, sich zu bessern. Aber es werden absichtlich noch schlimmere Leute einbezogen, um ihn definitiv weniger schlimm aussehen zu lassen. Während Gunn Peacemaker anscheinend zutraut, sich zu entwickeln, gibt er ihm mit Auggie Smith (Robert Patrick), Peacemakers missbrauchendem, reuelosem, weiß-supremistischem Vater, einen Gegenpart. Gunn zeichnet ihn selbstbewusst als absolut unfähig, sich zu ändern, auch wenn sich sein Sohn offensichtlich danach sehnt. Und dann ist da noch der absolute Psychopath Vigilante, der wahllos Menschen wegen kleinster Vergehen tötet und keinerlei Selbstreflexion versteht oder nachvollziehen kann. (Vigilante vermeidet allerdings explizite weiße Dominanz, denn Auggie ist hier eindeutig der Schlimmste der Schlimmen).

Wie in fast allen Filmen und Serien der letzten Jahre geht es auch in Peacemaker letztlich um die Bewältigung eines Traumas – nicht nur um die Folgen von The Suicide Squad, sondern auch um das Trauma, von einem Mann wie Auggie aufgezogen worden zu sein und jemand zu sein, auf den ein böser Mann stolz sein kann.

Cena bekommt schweres, substanzielles Material, mit dem er arbeiten kann, während Gunn versucht, die Figur des Peacemakers und seine traurige Gemütslage zu entschlüsseln. Das gelingt ihm, wenn auch unterlegt mit kitschigem 80er-Jahre-Metal. (“There’s no wrong time to rock” ist ein wichtiger Teil des Ethos von Peacemaker, der zeigt, dass Gunn tatsächlich eine Fernsehserie und nicht nur einen achtstündigen Film drehen wollte). Er hat bereits bewiesen, dass er die Komik der Figur gut rüberbringen kann, und in der Serie wird deutlich, dass Cena besonders gut improvisieren kann. Aber der Schlüssel zu dieser Serie war immer seine Fähigkeit, die emotionale Schwere zu erreichen, die die Figur zu mehr als nur einem Witz macht.

Und das ist es, was Cena das Herz der Szenen finden lässt, in denen er traurig zu Hair Metal abrockt oder eine emotionale Verbindung mit einem CGI- Adler eingeht. (Eagly, wirklich ein Highlight der Serie.) Er ruft echte, herzliche Reaktionen hervor, und das nicht nur in Szenen, in denen er allein ist. (Seine ernsten Szenen mit Brooks und Holland lassen das Publikum sehnsüchtig darauf warten, dass er die Kurve kriegt, obwohl klar ist, wie viele Dinge ihm im Weg stehen. Je länger die Staffel dauert und je mehr Zeit das Peacemaker-Team mit ihm verbringt, desto klarer wird ihnen, wie schwer es ist, nicht mit ihm zu fühlen, egal wie sehr sie es versuchen. Und es ist wirklich schwer, nicht mit ihm und seinem Hausadler mitfiebern zu wollen.

Fallanalyse: Mörder aus dem Totenreich

Der zweite Fall in der frühen Karriere des Geisterjägers John Sinclair trägt den Titel Mörder aus dem Totenreich und zählt zu den grundlegenden Erzählungen, in denen sich das noch junge Sinclair-Universum formt. Die Geschichte verbindet urbane Kriminalität mit okkulten Elementen und entführt den Leser – beziehungsweise Hörer – in die mystisch aufgeladene Welt der mexikanischen Maya-Kultur. Als klassische Gruselgeschichte mit Abenteuereinschlag legt sie – ähnlich wie bereits Die Nacht des Hexers – den Grundstein für viele spätere Motive der Serie.

Die Handlung beginnt in London, wo ein scheinbar harmloser Mann in einem plötzlichen Wutanfall ein Massaker im Hyde Park anrichtet. Ähnliche Vorfälle ereignen sich fast zeitgleich in New York – auch hier verlieren bislang unauffällige Menschen plötzlich die Kontrolle über sich und werden zu brutalen Mördern. Der Reporter Bill Conolly erkennt erste Zusammenhänge und bittet seinen Freund John Sinclair um Hilfe. Dieser nimmt die Ermittlungen auf und findet bald heraus, dass alle Täter zuvor an einer archäologischen Exkursion nach Yucatán teilgenommen haben – ein Hinweis, der die Geschichte aus dem Herzen Europas direkt in den dichten Dschungel Mexikos führt.

Mit der Reise auf die Halbinsel Yucatán ändert sich nicht nur der Schauplatz, sondern auch der Ton der Geschichte. Wo sich zuvor das Grauen in vertrauten urbanen Räumen abspielte, dominiert nun eine fremde, unheimliche Atmosphäre. Inmitten von Ruinen und tiefem Dschungel stoßen John und Bill auf den sogenannten „Herrn der Toten“, eine dämonische Macht, die in alten Maya-Ritualen verwurzelt ist. Dieser Antagonist kontrolliert seine Opfer nicht durch rohe Gewalt, sondern durch geistige Manipulation. Seine Macht besteht darin, die Seelen der Menschen zu vergiften, sie willenlos zu machen und in Mordwerkzeuge zu verwandeln. Diese Bedrohung ist umso erschreckender, als sie die eigene Identität, die menschliche Freiheit und den freien Willen untergräbt.

Der „Herr der Toten“ wird in der Hörspielbearbeitung von Friedhelm Ptok mit ruhiger, fast väterlicher Stimme gesprochen. Diese nüchterne Darstellungsweise verleiht ihm eine unheimliche Präsenz, die sich nicht aus Lautstärke oder Aggressivität speist, sondern aus einer tiefen Unabwendbarkeit. Er wirkt nicht wie ein wütender Dämon, sondern wie ein kalter Strippenzieher aus dem Jenseits, der seine Opfer mit der Gewissheit des Unausweichlichen lenkt. Damit steht er exemplarisch für ein Böses, das nicht einfach zu bekämpfen ist – es lauert im Inneren der Menschen.

John Sinclair, noch ohne magisches Kreuz oder ein ganzes Team aus Mitstreitern ausgestattet, bleibt in diesem Fall auf sich allein gestellt. Er ist weniger der Actionheld, als vielmehr ein rational denkender Ermittler, der Hinweise kombiniert und Zusammenhänge erkennt. Die Figur ist in dieser frühen Phase noch nahbar, verletzlich und menschlich – was insbesondere in den Szenen deutlich wird, in denen er um seinen Freund Bill kämpft, der selbst beinahe dem Bann des Totenherrschers verfällt. Diese emotionale Komponente verleiht dem Fall zusätzliche Tiefe: Hier geht es nicht nur um das Aufhalten eines Bösewichts, sondern um Loyalität, Opferbereitschaft und die Frage, wie weit man gehen würde, um einen geliebten Menschen zu retten.

Atmosphärisch gelingt der Geschichte ein stimmiger Wechsel zwischen zwei gegensätzlichen Welten. Während der Schrecken in London und New York durch seine Plötzlichkeit und scheinbare Willkür beunruhigt, entfaltet die zweite Hälfte in Mexiko eine mythologische Dichte. Die alten Tempel, das Dickicht des Dschungels und das Gefühl, einer uralten Macht gegenüberzustehen, schaffen eine Umgebung, in der der rationale Verstand allmählich seine Deutungshoheit verliert – und genau darin liegt der Reiz dieser Erzählung. Das Abenteuerhafte wird nicht durch übermäßige Exotik trivialisiert, sondern bewusst als Kontrast zum modernen Alltag inszeniert.

Die Hörspielumsetzung unter der Regie von Oliver Döring verstärkt diese Wirkung durch eine hochqualitative Produktion. Geräuschkulissen, Musik und Sprecherleistungen arbeiten perfekt zusammen, um die Spannung zu halten. Besonders auffällig ist die Art, wie das Grauen inszeniert wird: Weniger durch direkte Schocks, sondern durch schleichendes Unbehagen und das beklemmende Gefühl, dass der Wahnsinn jederzeit ausbrechen könnte.

Thematisch behandelt „Mörder aus dem Totenreich“ zentrale Motive der Sinclair-Reihe: den Verlust der Kontrolle, die Bedrohung durch archaische Mächte und die Zerbrechlichkeit menschlicher Zivilisation. Der Horror ist dabei nicht nur äußerlich – er greift tief in die Psyche ein. Die Vorstellung, durch einen fremden Willen zum Mörder gemacht zu werden, ist erschreckender als so mancher Dämon mit Hörnern. Zudem stellt sich implizit die Frage, ob das Böse immer „außerhalb“ zu verorten ist – oder ob es in Momenten der Schwäche auch von innen heraus kommen kann.

Mörder aus dem Totenreich ist ein früher, aber wichtiger Fall in der Karriere John Sinclairs. Die Geschichte verbindet gekonnt klassische Horrorelemente mit exotischer Mythologie und liefert einen emotionalen wie atmosphärischen Höhepunkt, der durch die Hörspieladaption weiter verstärkt wird. Der Fall besticht weniger durch Spektakel als durch eine tief sitzende Unruhe – und bleibt gerade deshalb nachhaltig in Erinnerung.

Fallanalyse: Die Nacht des Hexers

Mit dem Roman Die Nacht des Hexers beginnt 1973 nicht nur die literarische Karriere John Sinclairs, sondern auch die Entwicklung eines einzigartigen Erzählkosmos innerhalb der deutschen Populärkultur. Als erster Band der Reihe »Gespenster-Krimi« führt der Text den Ermittler in eine Welt ein, die gleichermaßen von Kriminalität und Okkultismus durchdrungen ist. Bereits hier werden Motive etabliert, die sich durch die gesamte Reihe ziehen: das Spiel mit dem Übernatürlichen, der Kampf gegen das personifizierte Böse, die allmähliche Verwandlung des rationalen Ermittlers in eine mythisch überhöhte Figur, denn John Sinclair ist nichts weniger als der Sohn des Lichts.

Der Roman spielt in der fiktiven englischen Stadt Middlesbury, in der sich eine Reihe unerklärlicher Todesfälle ereignet. Die Opfer weisen Spuren auf, die auf übernatürliche Einflüsse schließen lassen. John Sinclair, damals noch ein klassischer Scotland-Yard-Ermittler ohne besondere Kenntnisse des Okkulten, wird mit dem Fall betraut. Seine Ermittlungen führen ihn zu Professor Ivan Orgow, einem brillanten, aber gefährlich abgedrifteten Wissenschaftler, der sich der Nekromantie verschrieben hat. Orgow experimentiert mit der Wiedererweckung von Toten und hat mit Hilfe eines Mediums eine Armee von Zombies erschaffen, mit deren Hilfe er seine Macht festigen will. Sinclair gelingt es schließlich, Orgow zu besiegen, doch der Roman endet mit dem unheilvollen Versprechen einer zukünftigen Rückkehr des Bösen.

Literarisch gesehen markiert »Die Nacht des Hexers« zwar nicht die Geburtsstunde eines neuen Genres im deutschsprachigen Heftroman, also einer Mischform aus Detektivroman und Horrorfiktion, wohl aber den Beginn einer der weltweit erfolgreichsten Serien. Zu Beginn ist Sinclair noch kein Geisterjäger, sondern ein Polizeibeamter, der durch die Konfrontation mit dem Übernatürlichen aus seiner rationalen Ordnung geworfen wird, obwohl es bereits eine Abteilung für paranormale Phänomene gibt. Sie wird von Superintendent James Powell geleitet. Dieser Moment der Destabilisierung bildet die Grundlage für seine weitere Charakterentwicklung. Seine Figur steht damit sinnbildlich für die Spannung zwischen Aufklärung und Aberglauben, zwischen Vernunft und Mythos, die die Serie durchzieht.

Die Figur Ivan Orgows steht exemplarisch für den Typus des „mad scientist“. Er ist nicht nur ein Antagonist, sondern zugleich eine Metapher für die Schattenseiten des wissenschaftlichen Fortschritts, die zum Ende der 60er Jahre bereits ziemlich beliebt war. Durch die Verbindung von Naturwissenschaft und Magie öffnet sich ein Raum des Kontrollverlusts, in dem Moral und Ethik ausgehebelt werden. Orgow wird so zum Spiegelbild einer Gesellschaft, die sich vor den Konsequenzen ihrer eigenen Wissbegierde fürchtet. Die erste Figur eines “verrückten Wissenschaftlers” in der Belletristik entstand in einem dunklen, kühlen Sommer des Jahres 1816, als die 19-jährige Mary Shelley die Figur des Doktor Victor Frankenstein schuf. Ivan Orgow ist nur eine der unzähligen Varianten davon.

Besonderes Augenmerk verdient die Topographie des Romans. Das alte Anwesen Manor Castle, Orgows Laboratorium und der Friedhof sind klassische Schauplätze der Gothic Fiction. Ihre räumliche Abgeschiedenheit steht sinnbildlich für die soziale und moralische Isolation der Figuren. Die dadurch erzeugte Atmosphäre des Unheimlichen ist nicht bloße Kulisse, sondern integraler Bestandteil der Erzählstruktur. Allerdings zeugt die Bezeichnung “Manor Castle” von völliger Unkenntnis des Englischen, denn ein Manor ist nichts anderes als ein Herrenhaus. Daraus dann ein Manor Castle zu machen, ist schon etwas abwegig, aber das dürfte damals niemandem aufgefallen sein.

Natürlich gibt es auch das später ikonische Kreuz hier noch nicht, das Sinclair in späteren Episoden als Waffe gegen das Böse dient und das noch unentdeckte Geheimnisse birgt. Diese Abwesenheit verweist auf seinen Status als Neuling in einer Welt, deren metaphysische Regeln er erst noch kennen lernen muss. Das Kreuz dient ihm später nicht nur als Werkzeug, sondern auch als Symbol einer neuen Identität – als Grenzgänger zwischen Diesseits und Jenseits.

Tatsächlich ist Die Nacht des Hexers bereits weit mehr als ein klassischer Auftaktband. Es ist ein Text, der bereits die DNA der gesamten Serie enthält. Die Grundspannung zwischen Logik und Mythos, zwischen Weltlichkeit und Transzendenz, wird hier angelegt und fortan variiert. Der Roman ist damit nicht nur der erste Fall John Sinclairs (tatsächlich ist es nicht einmal der erste), sondern auch ein programmatisches Manifest für alles, was noch folgen sollte, zu diesem Zeitpunkt aber noch gar nicht abzusehen war.

Pennywise (Das gestaltlose Böse)

Was ist ES?

Die Kreatur namens ES ist offensichtlich überhaupt kein Clown. Das Wesen, das in die Popkultur eingezogen ist, ist zwar als Pennywise bekannt und hat einen ganzen Berufsstand (den des Clowns) in den Horror hineingezogen, hinter der Erscheinung steckt allerdings mehr.

ES ist ein uraltes böses Wesen, das vielleicht Milliarden von Jahre alt ist, so alt wie das Universum selbst. ES kommt aus der Leere, die unser gesamtes Universum enthält, das als Makroversum bezeichnet wird (in den Romanen um den dunklen Turm wird es auch als „Flitzerdunkel“ bezeichnet (orig. Todash Darkness). Die Heimdimension dieses Wesens sind die „Totenlichter“ (Deadlights). Im Roman sah Billy für einen Moment die wahre Form des Wesens in den Totenlichtern und beschrieb sie als endloses, kriechendes, haariges Wesen aus orangefarbenem Licht. Obwohl sich ES gerne als männlicher Clown namens Pennywise manifestiert, nimmt es auch die Form einer riesigen Spinne an. Sein natürlicher Feind ist ein Wesen, das als Schildkröte bezeichnet und in der dunklen Turm-Serie Maturin genannt wird. Dort ist er einer der Wächter der Balken.

ES kam vor Millionen von Jahren während eines verheerenden Ereignisses auf die Erde und landete in dem Abschnitt Nordamerikas, wo schließlich 1715 die Stadt Derry, Maine erbaut werden sollte. Zu diesem Zeitpunkt erwachte das bis dahin schlummernde Wesen und begann den Kreislauf, sich von den Ängsten der Menschen zu ernähren, um dann wieder in einen Winterschlaf zu fallen, der 27 bis 30 Jahre dauert. Dabei hält sich ES vor allem an die Kinder Derrys, weil deren Ängste leichter zu manipulieren und dann in physische Form zu bringen sind. Stephen King glaubt zurecht, dass Clowns Kinder mehr als alles andere auf der Welt erschrecken. Pennywise ist zu einem Symbol geworden. Im Roman heißt der Clown allerdings Bob Gray, dem es gelingt, die Erwachsenen von Derry so zu beeinflussen, dass sie seine Angriffe auf die Kinder nicht stören.

Ben Hanscom recherchiert in der Bibliothek von Derry nach der Stadtgeschichte und findet heraus, dass ES bereits seit Jahrhunderten für einen großen Teil der Katastrophen und unnatürlichen Todesfälle der Stadt verantwortlich ist, so zum Beispiel für die Explosion der Kitchener Eisenhütte, bei der 108 Menschen ums Leben kamen, darunter 88 Kinder. Das Wesen kann auch durch einen Gewaltakt aus seinem Schlaf geweckt werden. Der Roman beginnt mit einem Jungen namens Dorcey Corcoran, der 1957 von seinem Stiefvater Richard Macklin zu Tode geprügelt wird, was ES aus dem Schlaf weckt. Da das Wesen die Köpfe der Menschen von Derry manipuliert, denken sie nicht lange über diese Tragödien nach. Die Erwachsenen „vergessen“ die hohe Anzahl verschwundener Kinder und machen weiter, als ob das alles ganz normal wäre.

In erster Linie ist ES ein Gestaltwandler, der die Form annimmt, vor der sich seine Opfer am meisten fürchten. Pennywise, der Clown, der Ballons verteilt, ist allerdings seine bevorzugte physische Form. Im Roman nimmt ES neben einem obdachlosen Leprakranken, einer bereits genannten Riesenspinne oder einer Frau aus einem Gemälde noch die Formen berühmter Monster wie Dracula, den Wolfmann, die Kreatur aus der schwarzen Lagune, oder Frankensteins Monster an.

Pennywise als psychologisches Symbol

Wenn man sich fragt, warum Pennywise als Symbol so gut funktioniert, dann ist die Antwort in der psychologischen Wucht des Romans zu finden, der sicher einer der besten Horrorgeschichten aller Zeiten bereithält. Es ist zwar verständlich, dass man das gerne verfilmt gesehen hat, aber genauso verständlich, dass kaum eine King-Verfilmung je funktionieren wird und für Fans deshalb keine Option ist. In ES geht es um Traumata und deren Bewältigung, um die Überwindung unterdrückender Kräfte, die versuchen, uns zu schwächen, zu zerstören und zu verschlingen. Das Buch ist übersät mit Metaphern über die zyklische und kathartische Natur unseres Lebens – der junge Eddie zum Beispiel lebt mit einer adipösen, alleinerziehenden Mutter, die darauf besteht, dass er krank ist. Der geheime Wunsch dahinter ist, ihr Kind für immer von ihr abhängig zu machen, damit sie selbst nie allein sein muss.

Als Erwachsener nimmt Eddie immer noch sein Asthmamedizin, obwohl er weiß, dass es sich um ein Placebo handelt. Er heiratet eine fettleibige Frau, die seiner Mutter ähnlich ist und ihn manipuliert.

Beverly wurde von einem Vater aufgezogen, der sie missbrauchte, und als Erwachsene heiratet sie einen gewalttätigen, kontrollsüchtigen Mann – einen Mann, der ebenfalls körperlichen Missbrauch durch seine eigene Mutter erlitten hat. Zyklen wiederholen sich, aber sie sind in gewisser Weise therapeutisch. Diese Kinder sehnen sich nach dem Komfort des Vertrauten, auch wenn das Vertraute fast zu schmerzhaft ist, um es zu ertragen. Die Sache mit dem Missbrauch, sei es von einer überheblichen Mutter wie der von Eddie oder von einem gewalttätigen Vater wie bei Beverly, ist, dass er eine Umgebung schafft, die das einzige Leben ist, das sie kennen. Es mag sich nicht gut anfühlen, aber Wiederholung erzeugt Vertrautheit; der Missbrauch wird so zu einer Form des Trostes, besonders wenn der Täter ein Elternteil ist.

Jedes dieser sieben Kinder hat seinen eigenen Kampf geführt – angefangen bei Stans Besessenheit von Sauberkeit und der Art und Weise, wie er verspottet wird, weil er Jude ist, bis hin zu Bills Stottern und Richies allgemeiner Nerdigkeit. Mike ist schwarz in einer kleinen Stadt der 1950er Jahre voller weißer Menschen, Ben ist übergewichtig. Und vielleicht sind sie deshalb in der Lage, mit diesem unersättlichen Monster umzugehen, das sich von Kindern ernährt.

The Flash (Geschwindigkeit ist alles)

Jay Garrick, (c) DC

Obwohl er nicht zur berühmten Trias Batman, Superman und Wonder Woman gehört, ist der Flash insgeheim die wichtigste Figur im DC-Universum. Und das hat nichts mit Geschmack zu tun. Natürlich gibt es immer Geschichten, die nicht den persönlichen Vorlieben entsprechen, aber über die Bedeutung der Figur wird wohl niemand ernsthaft diskutieren wollen. Sie war die treibende Kraft hinter so vielen Innovationen und Markenzeichen, die heute fester Bestandteil des DC-Universums und der Comicwelt insgesamt sind. Es ist durchaus legitim und möglich, die Geschichte der DC-Comics (und in geringerem Maße auch die der Mainstream-Superheldencomics) mit dem roten Blitz als Maßstab darzustellen.

Der Flash erschien im Januar 1940 als dritter der bekanntesten DC-Charaktere im Goldenen Zeitalter der Comics. Er wurde nach Batman, aber kurz vor Green Lantern geschaffen. Außerdem war er ein ganz anderer Charakter als der, den man aus der aktuellen Flash-Comicserie oder sogar aus der Fernsehserie kennt (auf die wir weiter unten eingehen werden). Der erste Flash war ein Typ namens Jay Garrick.

Obwohl seine Entstehungsgeschichte anders und sein Kostüm alberner ist als das seines bekannteren Nachfolgers Barry Allen, ist das Wesentliche ziemlich dasselbe: Er ist ein Superheld, der wirklich schnell rennen kann. Die Geschichten aus dem Golden Age muss man eigentlich nicht lesen, es sei denn, man ist ein Komplettist und eingefleischter Flash-Fan. Auch wenn die Figur von Anfang an etwas Besonderes hat, sind die Geschichten um Jay Garrick nicht wirklich interessant. Immerhin war er Mitglied der ersten Superheldengruppe der Geschichte, der Justice Society of America.

Das erste Comic-Reboot überhaupt

Heute ist es nichts Besonderes mehr, damals aber war es überraschend und neu. Wenn die Dinge nicht so laufen, wie man sich das vorgestellt hat, dreht man die Uhren auf Null und beginnt einfach von vorne.

Showcase N.r 4
Showcase Nr. 4, (c) DC

1956 tat DC etwas Verrücktes: In ihrer “Showcase”-Ausgabe Nr. 4 führten sie einen völlig neuen Flash ein. Entworfen von den Autoren Robert Kanigher und John Broome in Zusammenarbeit mit dem legendären Zeichner Carmine Infantino, war dieser neue Flash Barry Allen, ein Polizeiwissenschaftler, der seine Kräfte erhielt, nachdem er nach einem Blitzeinschlag mit Chemikalien übergossen worden war. Das war die Geburtsstunde des Flash, den die meisten heute kennen. Hier erhielt er auch seinen legendären roten Anzug.

Dieser Neustart markiert im Wesentlichen die Wiederbelebung der Superhelden-Comics, die nach der Anti-Comic-Kampagne von Frederic Wertham kurz vor dem Aus standen. Mit The Flash kehrten die Superhelden im großen Stil zurück. Mit der Geburt von Barry Allen begann das Silberne Zeitalter der Comics.

Flash trifft Flash

Flash trifft Flash, (c) DC

Als Barry Allen als Flash in Erscheinung trat, sollte er ursprünglich Jay Garrick vollständig ersetzen. Nachdem sein erster Auftritt in “Showcase” als Erfolg gewertet und er in eine eigene Serie aufgenommen wurde, knüpfte er in “Flash Comics Nr. 105″ direkt dort an, wo Jay Garrick aufgehört hatte. Doch Jay Garrick war nicht ganz verschwunden. Zunächst wurde er zu einer Comicfigur, die Barry Allen las und nach der er sich später benannte.

Und plötzlich trafen sich die beiden.

In der bahnbrechenden Geschichte “The Flash of Two Worlds” von Gardner Fox und Carmine Infantino demonstriert Barry Allen als “The Flash” bei einer öffentlichen Veranstaltung seine Kräfte, indem er etwas tut, was er noch nie zuvor getan hat. Er springt direkt von unserem Universum in ein anderes namens Erde 2. Dort ist der Comic-Held Jay Garrick eine reale Person. Aber nicht nur er, sondern alle Figuren des Goldenen Zeitalters sind dort vertreten. Diese Geschichte, die im “Flash Nr. 123″ vorgestellt wurde, war die Geburtsstunde des DC-Multiversums, und – um ein altes Comic-Klischee zu bemühen – nichts war mehr wie zuvor.

Das Science-Fiction-Element der Paralleluniversen wurde im Laufe der Zeit zu einem der abgedroschensten Superhelden-Comic-Themen, und genau hier nahm alles seinen Anfang. Der “Flash of Two Worlds” etablierte Erde 2 als die Welt, in der alle Helden des Golden Age lebten. Dies war der Beginn eines Trends, bei dem DC-Künstler immer neue parallele Erden einführten, um Geschichten zu erzählen, die sich stark von dem unterschieden, was man kannte – und einige dieser Geschichten waren wirklich seltsam.

Irgendwann geriet das Ganze außer Kontrolle, es gab einfach zu viele Universen bei DC, als dass die Fans den Überblick behalten hätten. Außerdem litt die Konsistenz der Hintergrundgeschichten der einzelnen Charaktere. Um dieses Problem zu lösen, wurde das DC-Multiversum 1985 mit ”Crisis on Infinite Earths” beendet. Dies war ein Wendepunkt in der Geschichte der Comics. Alle Universen wurden zu einem einzigen Universum, in dem nur noch die Versionen der größten Erfolge Gültigkeit haben sollten. Dieser Zeitpunkt wird seither als Bezugspunkt für die DC-Chronologie verwendet. Vor der Krise/Nach der Krise wird als Diskussionsgrundlage verwendet, so wie wir heute die Zeit in v. Chr. und n. Chr. einteilen.

Was aber hat das mit dem Flash zu tun?

Alles. Barry Allen spielt eine entscheidende Rolle in “Crisis”, denn diese Krise führt zu seinem heldenhaften Tod zu Beginn der letzten Handlung der Miniserie. Es ist ein poetisches und tragisches Ende für eine Figur: Der Held, der den Beginn des Silbernen Zeitalters markiert, stirbt am Ende.

Allen und seine Geschichte festigten damit das, was DC am meisten von seinem Hauptkonkurrenten Marvel unterscheidet.

Alles für die Legende

In den ersten Jahren, in denen Barry Allen den Flash verkörperte, führte DC einen jugendlichen Sidekick für den roten Blitz ein: Wally West, ehemals Kid Flash. Am Ende von “Crisis on Infinite Earths” übernahm West den Staffelstab von seinem ehemaligen Mentor und wurde zum Flash des modernen Zeitalters.

Wieder einmal war The Flash der Startschuss für eine weitere Innovation in der Comic-Welt: Der Sidekick übernimmt die Rolle seines Mentors. Die Graduierung von Wally West war ein großes Comic-Highlight, die Kanonisierung dessen, was bis heute als Eckpfeiler des DC-Universums gilt: Das Vermächtnis. Helden sind Ideen, größer als das Leben, größer als jeder Mensch. Sie sind Symbole, die von Menschen auf der ganzen Welt benutzt werden. Überall sieht man das Wappen von Superman oder das charakteristische Bat-Symbol von Batman. All dies sind mythische Banner, die mittlerweile über 75 Jahre alt sind.

Wally West, (c) DC

Aber der rote Blitz begann als erzählerischer Prüfstein, als eine Figur, deren Geschichten das gesamte Verlagsimperium prägten und letztlich immer einen großen Wandel in den Comics ankündigten: Goldenes Zeitalter, Silbernes Zeitalter, Multiversum, Tod des Multiversums, Wiedergeburt des Multiversums und mindestens zwei getrennte Neustarts bei DC.

Als Held, der mehr oder weniger direkt mit der Zeit, der Speedforce, verbunden ist, ist er einzigartig, auch wenn es andere Comicfiguren gibt, die ein ähnliches Talent besitzen. Wenn Zeit alles ist, dann ist The Flash der wichtigste Superheld überhaupt.

Batman (Der dunkle Ritter)

Die Geschichte von Batman ist ein moderner Mythos: Der junge Bruce Wayne muss mit ansehen, wie seine Eltern vor seinen Augen ermordet werden. Er wächst mit dem festen Entschluss auf, das Verbrechen zu bekämpfen. Mit zunehmendem Alter erlernt Batman fast alle Kampfkünste, macht sich mit wissenschaftlichen Methoden vertraut, wird Detektiv und bekämpft immer größere Bedrohungen in Gotham City, einer Stadt, die mittlerweile so legendär ist wie der Dunkle Ritter selbst.

Detective Comics No. 27
(c) DC

Batman betrat die Comicwelt im Mai 1939 mit Detective Comics Nr. 27, ein Jahr später bekam der dunkle Ritter seine eigene Serie. Offiziell wurde die Figur von Bob Kane geschaffen, der vom Herausgeber Vin Sullivan den Auftrag erhalten hatte, eine neue Figur nach dem Vorbild des legendären Superman von Jerry Siegel und Joe Shuster zu schaffen. Die eigentliche kreative Kraft hinter vielen prägenden Elementen war jedoch ein bis in die 2010er Jahre kaum bekannter Autor: Bill Finger. Während Kane das Grundkonzept – einen maskierten Detektiv – lieferte, war es Finger, der Batman seine ikonischen Merkmale verlieh: die dunkle Kapuze mit den spitzen Ohren, das düstere Cape, das Fehlen von Superkräften, den bürgerlichen Namen Bruce Wayne und die düstere Stadt Gotham als Handlungsort. Auch Batmans tragische Hintergrundgeschichte – der Mord an seinen Eltern in einer Gasse – stammt aus Fingers Feder. Trotz seiner wesentlichen Beiträge wurde Finger zu Lebzeiten nie als Mitschöpfer genannt, da Kane sich vertraglich die alleinige Anerkennung sicherte. Erst 2015, Jahrzehnte nach Fingers Tod, erkannte DC Comics seine Mitautorenschaft öffentlich an. Diese späte Anerkennung ist nicht nur ein kulturhistorisches Lehrstück über das Urheberrecht, sondern spiegelt auch das Thema wider, das Batman selbst durchzieht: die Suche nach Gerechtigkeit in einer Welt, die sie oft verweigert.

Und während Superman mit Superkräften gegen die Korruption kämpfte, war Batman von Anfang an düsterer. Er war eine Figur, die direkt von den Pulp-Magazinen, von Zorro und dem Horrorfilm The Bat aus dem Jahr 1926 beeinflusst war: Batman war ein seltsames Wesen der Nacht, das anfangs nicht davor zurückschreckte, Verbrecher zu töten, wenn sie es „verdient“ hatten. Damit ist er bereits ein Spiegelbild seiner Zeit, die im Allgemeinen als positiv, aber angesichts des Zweiten Weltkriegs auch als desillusioniert beschrieben wird. Die Gesellschaft war zerrissen und zerbrechlich, weder gut noch böse, und so fügte sich ein vierfarbiger Blick auf einen wohlhabenden Rächer perfekt in die Kultur der Zeit ein.

Kane beschrieb das Vorgehen, Batman zu einem Waisenkind zu machen, so:

“Bill und ich haben lange darüber nachgedacht, aber dann kamen wir zu dem Schluss, dass es nichts Traumatischeres gibt, als wenn deine Eltern vor deinen Augen ermordet werden.”

Indem sie ihren Protagonisten auf diese Weise von seinen Eltern befreiten, wollten die Schöpfer von Batman bei den Lesern Sympathie wecken und der Figur einen tief verwurzelten, dunklen Gerechtigkeitssinn verleihen. Dieser Gerechtigkeitssinn treibt Batman dazu, “der größte Detektiv der Welt” zu werden. Was seine Schöpfer vielleicht nicht bemerkt haben, ist, dass sie darüber hinaus eine starke Figur geschaffen haben, die das Pathos des Findelkindes à la Dickens mit dem Mythos des Selfmademan verbindet.

The Bat alias „Das Rätsel der Fledermaus“
The Bat alias “Das Rätsel der Fledermaus”

Was Batman so einzigartig macht

In einem Genre voller übermenschlicher Kräfte ist Batman ein Außenseiter: ein einfacher Mensch. Er besitzt keine Superkräfte, sondern kämpft mit Training, Intelligenz und unbeugsamem Willen gegen das Verbrechen. Diese menschliche Verletzlichkeit, gepaart mit äußerster Selbstdisziplin, unterscheidet ihn von fast allen anderen Comicfiguren. Seine einzige „Superkraft“ ist seine Unnachgiebigkeit – eine innere Härte, die aus dem Trauma seiner Kindheit erwächst. Batman ist nicht nur Kämpfer, sondern auch Denker. Als Detektiv analysiert er Tatorte, entschlüsselt Rätsel und durchleuchtet die psychologischen Motive seiner Gegner. Seine Verkleidung ist nicht nur Tarnung, sondern Ausdruck seiner inneren Wandlung: Bruce Wayne ist die Maske, Batman ist die Wahrheit. Das Cape ist seine Haut geworden. Hinzu kommt seine unvergleichliche Ausrüstung: der ikonische Utility Belt mit Werkzeugen für jede erdenkliche Situation, das Batmobil, das Bat-Signal – all diese Artefakte machen Batman nicht nur zum Helden, sondern zum Mythos. Er ist eine lebende Legende, geschaffen aus Schmerz, Technologie und eiserner Selbstbeherrschung.

Batman im Silver Age

Adam West, Batman
(c) Warner Home Video: Das Clown-Spektakel mit Adam West

Die nächste Inkarnation des kostümierten Rächers kam seltsamerweise, als die Verkaufszahlen der Superhelden-Comics im Silver Age einbrachen. Batman bekam seine berühmte Fernsehserie, die eine ganz andere Seite von ihm zeigte. Der Batman, den wir hier sahen, war kitschig, aber auch lustig; er war kindgerecht und vor allem veränderte er das Bewusstsein. Wenn man sich an etwas aus den 60er Jahren erinnert, dann sind es – zu Recht oder zu Unrecht – die freie Liebe, die Drogen und die Hippie-Jugendkultur, mit denen man dieses Jahrzehnt verbindet. Diese Jugendkultur war offensichtlich fröhlich, aber auch ziemlich verrückt und wie Adam Wests Darstellung der Batman-Figur ausgelassen und ziemlich skurril. Während sich die Kinder an der witzigen Action, den ausgeklügelten Todesfallen und den brillant agierenden Bösewichten wie Riddler, Joker, King Tut und Egghead erfreuten, wurden die Erwachsenen auf die Schippe genommen. Für Kinder war die Serie also perfekt. Gerade die Albernheit des silbernen Comic-Zeitalters machte Batman zu einer der größten Ikonen der Popkultur vor Vietnam. Heute würden sich die meisten weigern, Batmans Bedeutung für diese Ära anzuerkennen, aber bei genauerem Hinsehen spiegelt Batman auch hier die Gesellschaft wider, wie sie sich 1966 offenbarte. Darin liegt eines der Geheimnisse seines überwältigenden Erfolgs, denn das galt für alle Inkarnationen von Batman und gilt bis heute.

Nach den Eskapaden von Adam West wurde er vor allem in Zeichentrickfilmen zum Titelhelden und für Interaktionen mit anderen Warner-Figuren wie Scooby-Doo eingesetzt, da Warner bis heute die Filmrechte an den DC-Figuren besitzt. Im Grunde war dies die dunkelste Zeit für das gesamte Genre. Zwar kämpfte eine Handvoll DC-Helden gegen ihre Schurken, aber Batman wurde in dieser Zeit buchstäblich lächerlich gemacht, zu einer „komischen“ Figur.

Der Dunkle Ritter

Neal Adams war es dann, der Batman in den späten 1960er Jahren wieder düsterer erscheinen ließ, sein detaillierter und realistischer Stil verlieh der Figur viel mehr Profil. Er ist bis heute einer der einflussreichsten Künstler, die je an der Figur gearbeitet haben. Ihm gelang es, Batmans Aussehen für eine neue Generation von Comicfans zu aktualisieren.

Doch in den Köpfen der Kinder und Eltern blieb Adam Wests Interpretation nur deshalb haften, weil das Medium Film schon damals eine größere Strahlkraft besaß und auch Menschen erreichte, die mit Comics nichts anzufangen wussten. Bis Frank Miller ihn in den 1980er Jahren entdeckte. Mit dem komplexen „The Dark Knight“ definierte Miller neu, was ein Superheldencomic leisten kann und schaffte es, zusammen mit Alan Moores „Watchmen“ die Comicwelt für immer zu verändern. Als Autor schrieb Miller Hardboiled-Geschichten, die in einer unglaublich düsteren Umgebung ihre Zähne zeigten. Zum ersten Mal seit den 40er und 50er Jahren wurde Batman wieder ernst genommen und ins Bewusstsein der Massen gerückt. Es gibt ein Muster in Millers Büchern, das weit über das Medium Comic und die Figur des Superhelden hinaus auf grundsätzliche Fragen verweist, weil in ihnen eine spezifische Erwartung der kommenden Katastrophe bereits als Wahrscheinlichkeit begriffen wird. Und diese ist 2001 tatsächlich eingetreten. Natürlich haben die Texte von „The Dark Knight“ nichts mit irgendwelchen Terroranschlägen zu tun, aber sie treffen den Nerv des kulturellen Milieus, das die Bedeutung dieser Katastrophe hervorgebracht hat.

The Dark Knight Returns
(DC)

Warum lieben Leser Batman?

Die Fangemeinde von Batman ist so vielfältig wie die Interpretationen der Figur selbst. Manche Leser fühlen sich von den düsteren Kriminalfällen angezogen, in denen Batman mehr Detektiv als Kämpfer ist. Andere fasziniert seine moralische Klarheit inmitten einer korrupten Welt. Und wieder andere finden sich in seiner psychologischen Komplexität wieder: ein Mann, der sein Trauma nicht heilt, sondern kanalisiert – um andere zu retten. Nicht zu unterschätzen ist die Rolle der so genannten „Bat-Familie“. Figuren wie Robin, Batgirl, Nightwing oder Alfred Pennyworth bieten emotionale Anknüpfungspunkte, Beziehungskonflikte und thematische Erweiterungen. Besonders bemerkenswert ist die Entwicklung von Tim Drake, dem dritten Robin, der 2021 in den Comics offen als bisexuell dargestellt wird – ein wichtiger Schritt für Repräsentation und Vielfalt in Mainstream-Comics. Die Fans diskutieren auch lebhaft über Storylines, Zeichenstile und moralische Dilemmas. Klassiker wie The Killing Joke, Year One, Hush oder The Long Halloween sind nicht nur wegen ihrer Handlung von Bedeutung, sondern auch wegen der Fragen, die sie aufwerfen – über Wahnsinn, Gerechtigkeit und die Natur des Bösen.

Philosophische Dimensionen

Batman ist eine der philosophisch reichhaltigsten Comicfiguren. Er stellt zentrale Fragen der Identität: Ist Bruce Wayne die Maske, die Batman trägt, um in der Gesellschaft zu funktionieren – oder ist Batman die Maske, hinter der sich ein traumatisierter Junge verbirgt? Diese Unsicherheit über das wahre Selbst zieht sich wie ein roter Faden durch die besten Geschichten. Zugleich ist Batman ein moralisches Paradox. Er lebt außerhalb des Gesetzes, und doch hält er sich an einen Kodex: Er tötet nicht. Diese Selbstbeschränkung ist keine Schwäche, sondern seine Form der Kontrolle – eine Absage an das Chaos, das er in sich spürt. Gerade deshalb steht der Joker, sein ewiger Gegenspieler, in so enger Beziehung zu ihm: Er ist die Entgrenzung, die Anarchie, der lachende Nihilist, der in Batman einen Bruder im Wahnsinn sieht. Diese Beziehung wirft die Frage auf: Wo ist die Grenze zwischen Ordnung und Wahnsinn? Zwischen Gerechtigkeit und Vigilantismus? Batman lebt in einer moralischen Grauzone – und zwingt den Leser, sich mit denselben Fragen auseinanderzusetzen.

Superman (Der Mann aus Stahl)

Ein merkwürdiges Schauspiel bot sich auf dem Titelblatt der ersten Ausgabe von Action Comics im April 1938: Ein seltsam gekleideter Mann mit rotem Umhang hielt ein ganzes Auto über seinen Kopf.

Auf seiner Brust prangte ein rotes “S” auf gelbem Grund. Der Stil mag sich im Laufe der Jahrzehnte geändert haben, aber der Mann aus Stahl wurde immer in den gleichen Farben gezeigt: rot, gelb und blau.

Action Comics #1 (c) DC

In einer stillen Nacht im Jahr 1933, irgendwo in einem Vorort von Cleveland, saß ein 18-jähriger Junge namens Jerry Siegel schlaflos in seinem Zimmer. Draußen rauschte der Wind durch die Baumwipfel, und das Dröhnen der Großen Depression hing über der Stadt wie ein bleierner Nebel. Drinnen, bei schwachem Licht, tippte Jerry fieberhaft auf seiner Schreibmaschine. Es war keine gewöhnliche Geschichte, die er da schrieb. Es war die Geburt eines Traums – und der Anfang einer Legende.

Ein Mann, stärker als jede Maschine, schneller als jede Kugel. Ein Mann, der fliegen konnte. Der Kammern durchblickte, Berge versetzte und nie aufgab. Superman.

Doch er kam nicht allein zur Welt. Neben Jerry Siegel stand ein schüchterner junger Mann mit Brille, der schlecht sah und besser zeichnete als sprach: Joe Shuster. Gemeinsam formten sie das, was bald das Rückgrat einer ganzen Industrie sein sollte – das Urbild des modernen Superhelden.

Am Anfang war Superman kein Held. In der allerersten Version war er ein Telepath, ein finsterer Diktator mit übermenschlichen Fähigkeiten. Doch das hielt nicht lange. Siegel erinnerte sich später:

„Ich setzte mich einfach hin und schrieb eine Geschichte dieser Art – nur war in dieser ersten Geschichte der Superman ein Bösewicht.“


Es war eine andere Nacht, nicht lange danach, als Jerry das Herz der Figur entdeckte.

„Eines Nachts, als mir all diese Gedanken durch den Kopf gingen, kam mir das Konzept, dass Superman eine doppelte Identität haben könnte […]. Die Heldin in dieser Geschichte würde denken, er sei ein Wurm; dennoch wäre sie verrückt nach diesem Superman-Charakter.“

Clark Kent – der unscheinbare, verlegene Reporter – war Jerry. Und Superman war das, was er sich wünschte zu sein. Stark. Bewundert. Unbesiegbar. Joe, der fast blind war und sich kaum traute, mit Mädchen zu sprechen, erkannte sich in Clark ebenfalls wieder.

„Ich war zurückhaltend, trug eine Brille, war sehr schüchtern gegenüber Frauen“, erinnerte er sich später. „Das Kostüm wurde inspiriert von den Kostümbildern, die Fairbanks gemacht hat […] sehr ähnlich wie Superman beim Fliegen.“

Doch wie bringt man einen Halbgott unter die Leute, wenn kein Verlag an ihn glaubt? Die beiden schickten ihre Idee an Dutzende Redaktionen. Keine wollte ihn. „Anfangs wurden wir von fast jedem Comic-Verlag im Land abgelehnt“, sagte Siegel nüchtern.

Fünf Jahre nach jener ersten Nacht griff schließlich der junge Verlag Detective Comics zu. Für 130 Dollar verkauften Siegel und Shuster die Rechte an ihrer Schöpfung. 1938 erschien Superman in Action Comics #1 – und veränderte das Medium für immer.

Artefakte der Populärkultur müssen in ihrem jeweiligen sozialen und politischen Kontext analysiert werden, um die Dimensionen ihrer Bedeutung wirklich zu erkennen und zu verstehen. “Superman” als Ikone der Nachkriegszeit kann in einem solchen Kontext verstanden werden, denn in Fernsehsendungen, Filmen, Comics und anderen Formen der Massenunterhaltung sind immer auch Vorstellungen davon eingebettet, wie die Mitglieder einer Gesellschaft ihr Leben führen sollten.

Jerry Siegel und Joe Shuster während der Arbeit an ihrem „Superman“

Die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen dieser Zeit, verbunden mit Verbesserungen in der Massenkommunikation, machten populäre Figuren wie Superman zu idealen Trägern kultureller Propaganda.

Als Teil der amerikanischen Kultur ist Superman zugleich Kinder- und Erwachsenenphantasie, mythischer Held und Gott. Er verkörpert in der kollektiven Wahrnehmung die “bewundernswertesten” Eigenschaften des amerikanischen Charakters, steht aber bei näherer Betrachtung auch für viele Brüche und Neurosen der amerikanischen kulturellen und sozialen Psyche.

Die Welt lag in Trümmern, der Zweite Weltkrieg stand bevor. Die Menschen brauchten Helden. Superman war stark, klar, gerecht – das Gegenteil der unübersichtlichen Wirklichkeit. Ein Kind vom sterbenden Planeten Krypton, das auf der Erde ein Zuhause fand. Einer, der sein Anderssein zum Guten nutzte. In seinen Geschichten rettete er nicht nur Leben – er stand für Prinzipien. Wahrheit, Gerechtigkeit, Hoffnung.

In der Nachkriegszeit eroberte Superman Comics, Radio, Zeichentrickfilme, Kinoserien und 1951 auch das Fernsehen. Die Serie “The Adventures of Superman” setzte sich durch und wurde “die am zweithäufigsten ausgestrahlte Serie in der Geschichte des Mediums.

Die enorme Popularität der Fernsehserie spiegelte den Erfolg der Ikone in anderen Medien wider, allerdings ohne die Kontroversen, unter denen die Comicindustrie zu leiden hatte. Obwohl Superman als einer der “saubersten” Comic-Helden galt, wurde er, wie andere Comic-Helden auch, in der Nachkriegszeit von Eltern und Kinderpsychiatern heftig angegriffen.

(c) DC

Man machte sich große Sorgen darüber, dass Comics Kinder überall vor den Augen ihrer Eltern verderben könnten. Man befürchtete, dass Kinder sich verletzen könnten, wenn sie versuchten, wie ihr Lieblingsheld zu fliegen. Oder dass sie durch Comics sexuell pervers und gewalttätig würden.

Angesichts der unglaublich gewalttätigen Zeit, die in der Realität gerade zu Ende gegangen war, scheint es, dass die Sorge der Erwachsenen um die Kinder (verstärkt durch das Ideal einer intakten Familie in der Nachkriegszeit), gepaart mit Angst und Schuldgefühlen nach dem Krieg, auf die Comics projiziert wurde. Die Erwachsenen schienen unfähig, Gewalt in der Realität zu verhindern, aber sie konnten zumindest verhindern, dass ihre Kinder sie in Form von Comics konsumierten und erlebten.

Cover von Superman, vol. 2, #75 (Jan 1993); von by Dan Jurgens und Brett Breeding.

Im Laufe der Jahrzehnte wurde Superman größer als seine Schöpfer. Er überlebte Kriege, Generationen, Genrewechsel. In den 1970ern begann seine Menschlichkeit hervorzutreten. Er zweifelte, zögerte, war zerrissener als zuvor. Dann, 1992, geschah das Undenkbare: Superman starb. The Death of Superman zeigte ihn im tödlichen Kampf gegen das Monster Doomsday – ein globales Medienereignis, das Fragen nach Vergänglichkeit und Heldenmut stellte.

Doch wie alle Mythen kehrte auch Superman zurück. Immer wieder. In Kingdom Come trat er gealtert, desillusioniert, aber mit ungebrochener Integrität auf. In Injustice wiederum wurde er zum Despoten – ein gebrochener Held, der sich selbst verlor. Die moderne Welt hat neue Fragen, neue Ängste, neue Moralvorstellungen – und Superman reagiert auf sie.

Was sich nie ändert, ist der Kern: Superman ist das Gute, das in uns steckt, wenn wir uns entscheiden, es zu leben. Er ist der Fremde, der nicht dazu gehört – und trotzdem sein Leben für andere gibt. Vielleicht, weil er tief in sich weiß, was es heißt, allein zu sein.

Jerry Siegel und Joe Shuster, die beiden Jungen aus Cleveland, bekamen nie den Lohn, der ihnen zustand. Sie mussten Jahrzehnte kämpfen, um als offizielle Schöpfer anerkannt zu werden. Erst 1975, nach öffentlichem Protest, wurden ihre Namen in die Comics aufgenommen und ihnen eine kleine Rente zugesprochen. Doch was sie schufen, überstieg Geld und Ruhm. Es wurde ein Stück Weltkultur.

Die Idee von Superman als Golem und Moses

Die Idee von Superman selbst wird oft missverstanden. Viele denken, er sei Teil der Idee einer höher entwickelten Spezies. Aber in Wirklichkeit war er genau das Gegenteil. Sowohl Shuster als auch Siegel waren Juden, Söhne von Einwanderern, und Superman entlehnten sie der jüdischen Mythologie. Die Judenverfolgung in Deutschland stand ebenso Pate wie die Verhältnisse in der Sowjetunion und in Mussolinis Italien. Superman war der Retter, für den sie alle beteten, ein Held, der eintrat, um den Hilflosen zu helfen.

Siegel bekannte später:

“Was hat mich dazu bewogen, in den frühen 30er Jahren Superman zu erschaffen? Von der Vernichtung und der Abschlachtung hilfloser, unterdrückter Juden im nationalsozialistischen Deutschland zu hören und zu lesen… Filme zu sehen, in denen die Schrecken und die Entbehrungen der Unterdrückten gezeigt wurden. Ich hatte den großen Drang, den unterdrückten Massen irgendwie zu helfen. Aber wie konnte ich ihnen helfen, wenn ich mir selbst kaum helfen konnte? Superman war die Antwort.”

Die meisten Juden kennen die Geschichte des Golem, eines Mannes, der im 16. Jahrhundert von Rabbi Loew in Prag aus Schlamm geformt wurde. Loew hauchte der Kreatur durch hebräische Beschwörungsformeln Leben ein und sandte sie aus, um die Menschen zu beschützen. Superman hat eine ähnliche Funktion, auch wenn seine Geschichte etwas anders ist. In seiner Biographie finden sich nämlich auch Bezüge zur Geschichte von Moses.

Nach dem Buch Exodus wurde Moses von seiner besorgten Mutter am Ufer des Nils ausgesetzt, wo ihn die Tochter des Pharaos im Schilf fand. Und Superman wurde vom Planeten Krypton weggeschickt, weil seine Familie wollte, dass er überlebt. Und wie Moses, der sein Volk befreite, kämpft Superman für diejenigen, die nicht für sich selbst kämpfen können. Interessanterweise heißt er eigentlich Kal-El. Die hebräische Endung bedeutet “Gott”.

Superman wurde zum Symbol. Die Nazis hielten ihn für gefährlich, Joseph Goebbels schrieb in der SS-Zeitung Das Schwarze Korps, Siegel sei “geistig und körperlich verkrüppelt”.

Amerikas liebster Superheld ist ein Immigrant. Das hilft, seinen außergewöhnlichen Erfolg zu erklären, den er seit über 80 Jahren hat. Amerika ist eine Nation, die sich aus Menschen aus der ganzen Welt zusammensetzt, die ihre Ideen vermischen und so etwas Neues schaffen. Supermans doppelte Identität ist der Grund, warum er die amerikanische Kultur verkörpert. Er entkam den Gefahren seiner Heimat, integrierte sich in eine andere Kultur und traf dann die Entscheidung, denen, die ihn aufnahmen, Sicherheit zu geben und seine Kraft für das Gemeinwohl einzusetzen.

London After Midnight

Lon Chaney war nicht nur ein Schauspieler, sondern auch ein Meister des Make-up. Er revolutionierte dessen Verwendung im Film, indem er komplizierte und transformative Looks kreierte, die es ihm ermöglichten, eine breite Palette von grotesken Charakteren darzustellen, vor allem in Filmen wie Der Glöckner von Notre Dame, Das Phantom der Oper und Die unheiligen Drei. Sein Koffer, gefüllt mit Schminke, Werkzeugen und Schnüren, wurde legendär.

Lon Chaney
Lon Chaney in London After Midnight

In London After Midnight schlüpfte Chaney gleich in mehrere Rollen; in einem Stummfilm aus dem Jahr 1927, geschrieben und inszeniert von Tod Browning, mit Lon Chaney in der Hauptrolle. Die Geschichte handelt von Inspektor Edward Burke (gespielt von Chaney), der in London den Mord an Sir Roger Balfour untersucht. Nachdem er einen Abschiedsbrief gefunden hat, wird der Fall zu den Akten gelegt und scheint vergessen zu sein, doch fünf Jahre später wird Balfours Haus von einem Mann mit Biberfellmütze, dunklen, eingefallenen Augen und Reißzähnen wieder bewohnt. Die Leute fragen sich, ob es sich dabei um den von den Toten auferstandenen Balfour handelt, aber in Wirklichkeit ist es Inspektor Burke selbst, der sich verkleidet hat, um den Mörder zu fassen.

Der Film zeigt einen der besten Make-up-Looks von Lon Chaney, mit einem Mund voller Haifischzähne und Drähten, die seinen Augen einen hypnotischen, aber versunkenen Blick verleihen.

Die wahre Macht des Films wird wohl ein Rätsel bleiben, denn die letzte bekannte Kopie wurde 1967 bei einem Brand in den Metro-Goldwyn-Mayer-Gewölben zerstört. Doch eine aus Fotografien rekonstruierte Fassung ist noch zu sehen. Einer der Gründe für ein Wiederaufkeimen des Interesses an diesem Films ist auch, dass Chaney die Rolle des Dracula in dem Film von 1931 spielen sollte, aber vor Beginn der Dreharbeiten starb und Bela Lugosi dadurch seinen großen Auftritt bekam.

Die ersten Jahrzehnte des Kinos waren im Wesentlichen der Wilde Westen. Es war eine Zeit des Experimentierens und wenig bis gar keiner Reglementierung, die Filmfans bis heute fasziniert – vor allem, wenn man bedenkt, wie viele dieser frühen Stummfilme durch Vernachlässigung oder Feuer verloren gegangen sind. Der Horror-Mystery-Film galt schon bei seiner Veröffentlichung als umstritten. Berühmt wurde der Film jedoch durch einen Mord im Jahr 1928, bei dem der Mörder behauptete, er habe Visionen von Lon Chaneys Figur gesehen, die ihm angeblich befohlen habe, eine Frau mit einem Rasiermesser zu zerstückeln. Dieser Mord sorgte für Schlagzeilen und trug zum düsteren Charme des Films bei. War in London After Midnight eine böse Macht am Werk? War es ein verfluchter Film oder nur eine bequeme Ausrede für einen geistesgestörten Verbrecher?

Am 23. Oktober 1928 wurde im Londoner Hyde Park ein blutbesudelter, verwirrter Mann namens Robert Williams gefunden. Neben ihm lag ein blutverschmiertes Rasiermesser und der leblose Körper einer Frau, Julia Mangan. Als die Polizei eintraf, zeigte Williams auf Mangan und schrie: “Ich war’s, sie hat mich geärgert.” Williams wurde verhaftet und später im Old Bailey vor Gericht gestellt. Er behauptete, er und Mangan seien Freunde gewesen und er habe sie heiraten wollen, aber sie habe abgelehnt. Williams sagte, das Letzte, woran er sich in jener Nacht erinnere, sei, dass er Mangan pfeifen hörte:

“Dann fühlte ich mich, als würde mein Kopf explodieren, als käme Dampf aus beiden Seiten. Alles Mögliche ging mir durch den Kopf. Ich dachte, ein Mann hätte mich in die Enge getrieben und schnitt Grimassen. Er drohte mir und schrie mich an, und sagte mir, was ich tun sollte!”

Wer war dieser Mann? Kein anderer als der Schauspieler Lon Chaney, den Williams kürzlich in London After Midnight gesehen hatte. Williams behauptete, Chaneys unheimlicher Charakter habe irgendwie von ihm Besitz ergriffen und ihn zum Mord getrieben. Die Geschworenen konnten kein Urteil fällen, aber in einem Wiederaufnahmeverfahren 1929 wurde Williams für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Im letzten Moment wurde er jedoch dazu verurteilt, den Rest seines Lebens in einer psychiatrischen Anstalt zu verbringen.

Schon vor dem Mord von 1928 erregte London After Midnight Aufsehen. Denn darin ging es auch um Selbstmord, ein Thema, das in der höheren Gesellschaft im Allgemeinen nicht erwähnt wurde. Nachdem Williams sein Verbrechen begangen hatte, wurde der Film mit unaussprechlicher Gewalt assoziiert.

London After Midnight war dann auch nicht gerade ein Kritikerliebling. Es wurde bemängelt, dass die Zusammenarbeit zwischen Lon Chaney und Regisseur Tod Browning nicht ihre beste war. Außerdem ergebe die Handlung einfach keinen Sinn. Warum sollten schaurige Freaks plötzlich ein Haus bewohnen, in dem ein Mann ermordet worden war? Das Kinopublikum war, wie so oft, ganz anderer Meinung als die Kritiker. Der Film spielte fast 1 Million Dollar an den Kinokassen ein, eine beeindruckende Zahl für die damalige Zeit. Es war der erfolgreichste gemeinsame Film von Chaney und Browning.

Aus der Stummfilmzeit sind nicht viele Filme erhalten; die Library of Congress schätzt, dass nur 14 % dieser Filme in ihrem Originalformat erhalten sind. Ein Teil davon ist auf die Praktiken der Studios zurückzuführen, die die Filme nach ihrem kurzen Kinostart oft zerstörten. Und dann gab es da noch die unglücklichen Unfälle – Zelluloid ist leicht entflammbar, und Brände vernichteten häufig die gelagerten Filmrollen. So auch das Schicksal von London After Midnight. Die Popularität von London After Midnight stieg noch weiter an und wird heute von einigen als der “Heilige Gral” der verlorenen Filme angesehen.

Sweeney Todd (Der teuflische Barbier)

Basiert Sweeney Todd auf einer wahren Geschichte oder ist er nur eine Figur, die sich ein Schriftsteller ausgedacht hat?

Sweeney

Ich bin sicher, ihr habt alle schon einmal von ihm gehört. Sweeney Todd, der teuflische Barbier der Fleet Street. Sein Friseurstuhl war auf geniale Weise präpariert, denn nachdem Todd einem Kunden die Kehle durchgeschnitten hatte, bediente er einen Bolzen, der die Leiche rückwärts durch eine Falltür schickte, die in den Keller führte. Dort wurden die Opfer zu Fleischpastete verarbeitet, die in der angrenzenden Konditorei verkauft werden sollte. Geleitet wurde das Geschäft von einer Mrs Lovett, deren Vorname – je nachdem, wer die Geschichte erzählt – variiert.

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Atlantis-Legenden 2: Die Saat des Schwarzen Todes

Der zweite Teil der Atlantis-Legenden zieht die Schraube merklich an. Während uns der erste Teil mit den Problemen und den Freund/Feind-Konstellationen vertraut macht und den Einschlag der “Träne aus Feuer” schildert, beginnt in “Die Saat des Schwarzen Todes” der Kampf um das Schicksal von Atlantis und wir erleben, wie Kara zur Auserwählten der Stummen Götter wird. Sie ist ein junges Mädchen mit dem Herz am rechten Fleck. 

Der Schwarze Tod, geschaffen von den Großen Alten, ist mit dem Kometen auf Atlantis angekommen. Ein mächtiger grausamer Dämon, dem niemand gewachsen zu sein scheint. Weder der Eiserne Engel, noch Myxin, noch Asmodis selbst. Hier fällt auf, dass der Schwarze Tod eine wirklich beängstigende Macht besitzt, ganz anders wie in der Hauptserie Geisterjäger John Sinclair. Zumindest hat man das Gefühl, hier von zwei ganz unterschiedlichen Wesen zu lesen, was aber damit zu tun hat, dass Jason Dark diesen Dämon in der Serie erst einmal einführen und ausarbeiten musste. Was in Atlantis geschah, erfahren wir immer nur am Rande. Es bleibt verschwommen. Gerade deshalb ist diese Mini-Serie so wertvoll, denn wir tauchen direkt in den Konflikt ein, sehen wie sich die unterschiedlichen Lager zueinander verhalten und wie all das entsteht, was wir dann später in der Hauptserie verfolgen können. Hier bekommen wir also das Hintergrundwissen mit auf den Weg, und das ist es ja, was Ian Rolf Hill die ganze Zeit über leistet. Er sucht und findet lose Enden, unausgegorene Konzepte, fallengelassene Figuren und unaufgeklärte Fragen, die man sich als Fan vielleicht stellt. Da Hill selbst ein großer Fan und Kenner dieser Serie ist, weiß er um diese Dinge Bescheid, stellt sich selbst diese Fragen aus der Sicht eines Fans – und macht sich an die Arbeit, um Lücken zu schließen. Und d gibt es einige, was ja gar nicht ausbleiben kann bei einer derart gigantischen Anzahl an Geschichten über viele Jahrzehnte hinweg.

Karas Schicksalsweg nimmt hier Gestalt an, als ihr Vater Delios mit einer kleinen Delegation zur Einschlagstelle des Kometen reist, um ihn zu untersuchen. Kara ist das überhaupt nicht recht, vor allem da sie nicht mitkommen darf und auch noch erfährt, dass Haro dieser Delegation angehören wird. Es liegt in ihrer Natur, dass sie sich das nicht gefallen lassen will und beschließt, der Gruppe auf eigene Faust zu folgen. Doch die Gefahren sind gewaltig und so gerät sie in eine magische Falle, die sie direkt zu den Flammenden Steinen spült, die eigentlich für niemanden erreichbar sind, außer ein paar Auserwählten. 

Und genau auf diese Auserwählten trifft sie dort. Es handelt sich um die Weisen von Atlantis, die von Karas plötzlichem Auftauchen ziemlich überrascht sind. Das kann nur eines bedeuten: die Stummen Götter haben einen Plan mit dem Mädchen. Und tatsächlich gelingt es ihr mithilfe einer mysteriösen Kugel, die “Lebensatem” genannt wird, einen Teil der Saat des Schwarzen Todes aufzuhalten, die Lebewesen nach und nach in Zombies verwandelt, besser gesagt: in schwarze Skelette, denn der Schwarze Tod ist ja genau das. Ein riesengroßes schwarzes Skelett. Der Eiserne Engel ist nach dem ersten Kampf mit dem Schwarzen Tod noch immer nicht bei Bewusstsein, viele seiner Vogelmenschen haben nicht überlebt. Jetzt liegt er inmitten der Flammenden Steine, wo Kara mit dem Lebensatem verschwunden ist. Der Eiserne lag vorher in einem Stall, in Sicherheit gebracht von einer Bauernfamilie. Und dort findet sich jetzt Kara wieder, die von den Bauern erst für eine Hexe, dann aber für eine Zauberin gehalten wird, weil sie besagte Saat, die mit Schwellungen an den Lymphdrüsen beginnt, mithilfe der Kugel aufhalten und rückgängig mache  kann. Kara begreift, dass die Stummen Götter sie nicht grundlos in die Nähe der Einschlagstelle gebracht haben. Sie glaubt, dass sie den Lebensatem ins Zentrum des Bösen tragen muss. 

Doch an der Einschlagstelle geschieht etwas völlig Unerwartetes. Myxins Schwarze Vampire tauchen auf und der Lebensatem ist spurlos verschwunden. Eigentlich der sichere tot für die junge Dame, würde Myxin nicht eingegriffen haben. Wahrscheinlich aus Neugier. Für Fans ist diese erste Begegnung zwischen Kara und Myxin natürlich ein weiterer kleiner Leckerbissen, auch wenn er hier als einer der beiden Cliffhanger fungiert.

Der zweite Cliffhanger betrifft Beela, die Anführerin der Schwarzen Vampire, die Myxin aber hörig ist. Sie ist auf einer Mission, um den Schwarzen Tod auszuspähen, wird aber entdeckt. Da der geistige Kontakt zu Myxin abgebrochen ist und sie dem Tod ins Auge sieht, bietet sie ihm ihre Dienste an.

Atlantis-Legenden 1: Zeichen des Untergangs

Möglicherweise wird das Gen des “Heftromans” von Generation zu Generation weitergegeben. Das bedeutet, dass man eine bestimmte Art von Schreiber sein muss, um diesen Beruf tatsächlich sinnvoll ausfüllen zu können. Ian Rolf Hill ist jemand, der das mit Bravour exerziert. Davon kann man sich in der Hauptreihe des John-Sinclair-Universums, bei Professor Zamorra oder Maddrax reichlich überzeugen. Tatsächlich ist Hill jemand, dem es zu  verdanken ist, dass  die Serie um den Geisterjäger auch nach 50 Jahren noch so einen Elan versprüht, mehr noch: ein tatsächlich ernstzunehmendes populäres Phänomen geworden ist. Nicht dass wir Jason Dark als Schöpfer des Ganzen zu verschweigen ist, aber ich glaube, er wäre nicht derjenige gewesen, der die Romane in seinem ehrenwerten Alter zukunftsfähig hätte machen können, das lag völlig außerhalb seiner Reichweite. Doch das sind alles Überlegungen, die nichts mit dem vorliegenden Projekt zu tun haben.

Nach dem verkorksten Spin-Off “Dark Land” (für das Hill gar nicht geschrieben hat, soweit das bekannt ist), gibt es nun mit “Atlantis” einen weiteren Versuch, das Sinclair-Universum auszuleuchten. Der Vorteil hier liegt auf der Hand: Es ist auf 6 Folgen ausgelegt und … der Autor ist Ian Rolf Hill, und nicht gleich eine ganze Autorengruppe, wo jeder sein eigenes Süppchen kocht. Nein, gegen Autorengruppen ist rein gar nichts einzuwenden, aber man muss sie eben koordinieren können, was sich oft als schwierig herausstellt. Außerdem ist Hill derart kenntnisreich, dass man sich fragen muss, ob er nicht irgendwo in seinem Kopf eine versteckte “Sinclair-Festplatte” installiert hat. Ich mag den Spruch “Ich konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen” eigentlich gar nicht, weil er einfallslos ist, aber bei Hill verhält es sich genau so. Die Seiten wandern vorbei und man nichts dagegen unternehmen, bis das Wort “Ende” auftaucht.

Tatsächlich ist die Idee, den untergegangenen Kontinent Atlantis gesondert zu betrachten, großartig. Vor allem, weil von dort nicht nur bekannte und beliebte Figuren wie der Eiserne Engel oder Kara stammen, sondern auch schreckliche Feinde wie der schwarze Tod, Arkonada oder Myxin (der später einen wirklich großen Wandel vollzieht). Aus der Serie kennen wir diese Figuren alle nach dem Untergang des Inselreichs. Im Spin-Off erleben wir den Untergang hautnah aus der Sicht von Kara, der Schönen aus dem Totenreich, die zu diesem Zeitpunkt etwa 16 Jahre alt ist.

Die Stadt Atlantis ist klein gehalten. Wir lernen Karas Vater Delios und die Hausangestellten kennen, die wie eine Familie funktionieren. Wir sehen die Stadtwache und den Stadtrat, in dem Karas Vater als Prophet keinen leichten Stand gegenüber den Skeptikern hat, weil eine Vorhersage in der Vergangenheit nicht eingetreten ist und weil er selbst manchmal Visionen nicht von Träumen zu unterscheiden vermag. Doch diesmal sind es nicht nur seine Visionen, diesmal sind es die offensichtlichen Zeichen, die ein Unheil ankündigen: Die Großen Alten kehren zurück. Sie sind die Widersacher der Stummen Götter (die unter anderem den Eisernen Engel aus den vier Elementen geschaffen haben).

Jeder, der Augen hat, kann es am Nachthimmel sehen, in dem zwei Monde kreisen: Das Auge der stummen Götter und das Auge der Dämonen. Letzteres schiebt sich mehr und mehr vor das Auge der stummen Götter, und wenn das passiert – so berichtet eine Prophezeiung -, wird eine Träne aus Feuer auf den Kontinent niedergehen und die Dämonen ihren Siegeszug beginnen.

Wir sehen, wie Kara und Haro sich näherkommen, und wie sie Zeugen der düsteren Prophezeiung werden, als nämlich Delios im Fieber seiner Tochter aufträgt, die Sterndeuter auf dem Berg Uranos zu warnen. Auch Myxin sehen wir in seiner ganzen dämonischen Pracht, und wie er die Ankunft der feurigen “Träne” erlebt. Für Fans ist das hier richtig großes Kino.

Sherlock Holmes (Das erste Fandom der Geschichte)

Sherlock Holmes ist neben Dracula die am häufigsten adaptierte und inszenierte Kunstfigur der Popkultur. Dass der Detektiv weltweit bekannt ist, liegt jedoch nicht an den genialen Originalgeschichten, sondern an den unzähligen Filmen, Theaterstücken, Musicals und Comics. Fast alle Symbole und Phrasen, die aus den vielen Fernseh-, Film-, Theater- und anderen grafischen Reproduktionen stammen und heute scheinbar zum Kanon gehören – wie etwa der Deerstalker-Hut – kommen in den Texten überhaupt nicht vor. Doch während diese mit der Mode gehen, scheinen die Originalgeschichten von Sir Arthur Conan Doyle, die immer wieder adaptiert werden, wie nichts zuvor oder danach in unserem kollektiven Bewusstsein verankert zu sein.

Der Reichenbach-Schock

Sherlock Holmes
Holmes

Im Jahr 1893 ließ der Schriftsteller Sir Arthur Conan Doyle den Detektiv Sherlock Holmes von einer Klippe stürzen. Die Klippe liegt in der Schweiz. Darunter rauschen die berühmten Reichenbachfälle. Aber Conan Doyle war gar nicht vor Ort, er erledigte die Drecksarbeit von seinem Londoner Haus aus, wo er schrieb.

“Mit schwerem Herzen nehme ich die Feder in die Hand, um diese letzten Worte zu schreiben, mit denen ich die einzigartigen Gaben festhalten werde, mit denen mein Freund Sherlock Holmes gesegnet wurde”,

sagt der Erzähler Dr. John Watson in Conan Doyles Geschichte Das letzte Problem, die im Dezember 1893 im Magazin “The Strand” erschien.

Sherlock Holmes

Conan Doyle selbst war etwas weniger emotional. “Ich habe Holmes getötet”, schrieb er in sein Tagebuch. Man kann sich Conan Doyle vorstellen, wie sein glattes Haar im Kerzenschein schimmert, wie er seinen üppigen Schnurrbart vor Vergnügen zwirbelt. Später sagte er über seine berühmte Figur: “Ich hatte eine solche Überdosis von ihm, dass ich mich bei ihm fühlte wie bei einer Leberpastete, von der ich einmal zu viel gegessen hatte, so dass mir allein bei seinem Namen noch heute übel wird.

Conan Doyle mag damals geglaubt haben, sich seiner Figur entledigt zu haben, doch er unterschätzte die Fans. Die öffentliche Reaktion auf Holmes’ Tod war anders als alles, was die Welt der Fiktion zuvor erlebt hatte. Mehr als 20.000 Strand-Leser kündigten aus Empörung über Holmes’ frühen Tod ihr Abonnement. Das Magazin überlebte kaum. Selbst die Mitarbeiter bezeichneten Holmes’ Tod als “absolut schreckliches Ereignis”.

Der Legende nach trugen junge Männer in ganz London schwarzen Trauerflor. Leser schrieben wütende Briefe an die Redaktion, Clubs wurden gegründet, um Holmes’ Leben zu retten.

Das erste Fandom

Und Conan Doyle war schockiert über das Verhalten der Fans. So etwas hatte es noch nie gegeben. (Damals nannte man sie noch nicht einmal “Fans”. Der Begriff – eine Kurzform für “Fanatiker” – wurde erst in jüngerer Zeit für die amerikanischen Baseball-Fans verwendet). In der Regel akzeptierten die Leser, was in ihren Büchern geschah. Jetzt begannen sie, ihre Lektüre persönlich zu nehmen, und erwarteten, dass ihre Lieblingswerke bestimmte Erwartungen erfüllten.

Sherlock Holmes

Die begeisterten Leser von Sherlock Holmes haben das moderne Fandom ins Leben gerufen. Interessanterweise hält die große Fangemeinde von Holmes bis heute an und hat zu unzähligen Innovationen geführt, wie z. B. der US-Serie Elementary und der BBC-Serie Sherlock. (Es sei darauf hingewiesen, dass das berühmte Zitat “Elementar, mein lieber Watson!”, nach dem die Serie Elementary benannt ist, in den Originaltexten gar nicht vorkommt.)

1887 erschien der erste Roman mit dem Detektiv: Eine Studie in Scharlachrot. Von Anfang an war er so populär, dass Conan Doyle schon bald bereute, ihn überhaupt geschaffen zu haben. Denn diese Geschichten stellten alles in den Schatten, was Doyle für sein “ernsthaftes Werk” hielt, etwa seine historischen Romane.

An den Erscheinungstagen standen die Leser an den Kiosken Schlange, sobald eine neue Holmes-Geschichte in The Strand erschien. Dank Holmes war Conan Doyle, wie ein Historiker schrieb, “so bekannt wie Königin Victoria”.

Sherlock Holmes

Die Nachfrage nach Holmes-Geschichten schien endlos. Doch obwohl The Strand Conan Doyle für seine Geschichten gut bezahlte, hatte dieser nicht vor, den Rest seines Lebens mit Sherlock Holmes zu verbringen. Mit 34 Jahren hatte er genug. Er ließ Professor Moriarty Holmes die Wasserfälle hinunterstoßen. Acht lange Jahre hielt Conan Doyle dem Druck stand, doch mit der Zeit wurde der so groß, dass er 1901 eine neue Geschichte schrieb: Der Hund von Baskerville. Doch an diesem Fall arbeitete Holmes schon vor seinem verhängnisvollen Absturz. Erst 1903, in Das leere Haus, ließ er Sherlock Holmes wieder auferstehen, indem er behauptete, nur Moriarty sei in jenem Herbst gestorben, während Holmes seinen Tod nur vorgetäuscht habe. Die Fans waren zufrieden.

Sherlock – Ein Leben nach dem Tode

Aber seitdem sind die Fans noch viel obsessiver geworden. Der einzige Unterschied zu damals ist, dass wir uns an ein starkes Fandom gewöhnt haben. Die BBC-Serie Sherlock, die von 2010 bis 2017 in 180 Ländern ausgestrahlt wurde, hat zu dieser Leidenschaft beigetragen. Darin spielt Benedict Cumberbatch in einer atemberaubenden Performance den modernen, aber besten Holmes, den man je gesehen hat, begleitet von Martin Freeman als Watson. Seitdem pilgern unvorstellbare Menschenmassen in die von Holmes und Watson bevorzugten Londoner Sandwichläden oder in Speedy’s Café.

Während der Produktion der Serie kam es sogar zu Problemen, weil sich Tausende Fans am Set tummelten, die dann in die Baker Street weiter zogen, die in Wirklichkeit die Gower Street ist.

Bemerkenswert ist, dass sich die Fans von Sherlock Holmes seit mehr als 120 Jahren intensiv mit dem fiktiven Detektiv beschäftigen, unabhängig davon, in welches Medium er übertragen wurde (es dürfte kein einziges fehlen).

Holmes und Watson
Holmes und Watson

Mark Gatiss, Miterfinder der Sherlock-Serie, hat darauf hingewiesen, dass Holmes einer der ersten fiktiven Detektive war – die meisten anderen, die später geschaffen wurden, waren Kopien oder eine direkte Reaktion auf ihn:

“Alles in allem ziehen die Leute eine Linie unter Sherlock und Watson. Agatha Christie kann ihren Poirot nur klein und rundlich machen – im Gegensatz zu groß und schlank. Er braucht auch einen Watson, also erfindet sie Captain Hastings. Wenn man sich umschaut, ist es immer das gleiche Modell. Es ist unverwüstlich.”

 Nun, selbst Sherlock Holmes hatte einen Vorgänger, und der stammt aus der Feder von Edgar Allan Poe. Dessen Auguste Dupin trat erstmals 1841 in der Erzählung Der Doppelmord in der Rue Morgue und dann in zwei weiteren Erzählungen auf. Conan Doyle hat ihm Referenz erwiesen, indem er ihn in Eine Studie in Scharlachrot auftreten lässt. Dass er sich bei Poe bediente, bedeutet aber nicht, dass sich Sherlock Holmes nicht in eine völlig eigene Richtung entwickelte. Hier wurde der Detektiv in eine definitive Form gegossen.

Sherlock-Mitgestalter Steven Moffat sollte nun das Schlusswort haben:

“Sherlock Holmes ist ein Genie, deshalb ist er ein bisschen seltsam. Ich weiß nicht, wie oft das im wirklichen Leben vorkommt, aber in der Fiktion kommt es doch oft vor. Und das haben wir Sherlock zu verdanken.”

Tony Quinn (Die schwarze Fledermaus)

Die Schwarze Fledermaus ist ein eher unbedeutender Pulp-Held, an den man sich dennoch gut erinnert. Er gehörte zur „dritten Welle“ der Pulp-Helden, die alle auch Comic-Figuren hätten sein können, und erschien in Black Book Detective, herausgegeben von Ned Pines Pulp-Reihe „Thrilling“.

Die schwarze Fledermaus trug ein ähnliches Kostüm wie Batman, der etwa zur gleichen Zeit (1939) auf den Markt kam, was wahrscheinlich einer der Gründe ist, warum die meisten Menschen sich überhaupt an ihn erinnern.

Bei all den neuen Geschichten über die Schwarze Fledermaus ist es wichtig, dass die Leute verstehen, wer die Figur wirklich ist, und vielleicht dazu angeregt werden, die Originalgeschichten zu lesen.

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Daumesdick (Der Däumling)

Die Geschichte vom Däumling, von den Brüdern Grimm auch “Daumesdick” oder “Daumling” genannt, ist das älteste englische Märchen, das in gedruckter Form vorliegt. Sicherlich gibt es Märchen, die noch älter sind, das Motiv des Rumpelstilzchens zum Beispiel ist über 4000 Jahre alt, aber das älteste erhaltene gedruckte Märchen ist “The History of Tom Thumbe” von Richard Johnson. Es wird vermutet, dass nur ein einziges Exemplar des Originaldrucks aus dem Jahr 1621 erhalten ist. Möglicherweise handelt es sich aber bereits um einen Nachdruck.

Und so alt die gedruckte Geschichte vom Däumling auch ist, die (mündliche) Legende von Tom Thumb ist noch älter, denn in Texten aus dem sechzehnten Jahrhundert finden sich zahlreiche Hinweise darauf.

Hier ist die Zusammenfassung der Geschichte:

Zur Zeit von König Artus heiratete in Britannien ein Pflüger namens Thomas in der Hoffnung, Kinder zu bekommen. Seine Frau war jedoch nicht in der Lage, ihm Kinder zu gebären, und so drängte er sie, den Zauberer Merlin aufzusuchen, um zu sehen, ob er ihnen mit Hilfe der Magie ein Kind schenken könne – selbst wenn das Kind nicht größer als sein Daumen wäre, würde er zufrieden sein. Die Frau geht zu Merlin, der zaubert und sagt der Frau des Pflügers, dass sie in drei Monaten einen Jungen gebären wird, der tatsächlich nicht größer als der Daumen ihres Mannes sein wird.

Drei Monate später bringt die Frau einen Jungen zur Welt, der wegen seiner Winzigkeit Tom Thumb genannt wird. Er trägt winzige Kleider und beginnt, mit den anderen (erwachsenen) Kindern auf der Straße zu spielen, wobei er oft gewinnt, weil er seine geringe Größe ausnutzen kann, um in ihre Taschen zu schlüpfen und zu betrügen. Einmal geht das nach hinten los, als er in einer Kiste eingeschlossen wird, die einer der Jungen aus dem Dorf trägt.

Wegen der Schrammen behält ihn seine Mutter zu Hause, wo sie ihn im Auge behalten kann. Aber auch dort ist er wegen seiner geringen Körpergröße nicht sicher. An Weihnachten fällt er in den Puddingteig, als seine Mutter einen Weihnachtspudding zubereitet und, ohne zu wissen, dass sich ihr Sohn darin befindet, einen der Puddings einem Kesselflicker gibt. Zum Glück bemerkt der Kesselflicker Toms Anwesenheit im Pudding, bevor er ihn essen kann, und Tom Thumb kehrt nach Hause zurück.

Dann wird er von einer Kuh verschluckt, als er mit seiner Mutter auf dem Feld ist, während sie die Kühe melkt. Die Kuh “befördert” Tom durch ihren Körper nach draußen, und Tom wird nach Hause gebracht, um ein ausgiebiges Bad zu nehmen, wie man sich leicht vorstellen kann.

Auch als sein Vater auf ihn aufpasst, geht es dem Däumling nicht besser. Als er mit seinem Vater auf einem Feld spazieren geht, wird er von einem Raben entführt, der ihn in das Schloss eines Riesen wirft. Der Riese verschlingt ihn, spuckt ihn aber wieder aus, nachdem Tom einen Riesenaufstand gemacht hat. Doch Tom wird ins Meer gespuckt, wo ihn ein Fisch frisst.

Als der Fisch gefangen wird und ein Koch ihn am königlichen Hof – ausgerechnet am Hof von König Artus – zubereiten will, entdeckt der Koch den Däumling im Bauch des Fisches und er ist wieder frei (auch wenn er noch einmal gewaschen werden muss).

Das ist der Moment, in dem der Däumling reich wird – oder zumindest der Moment, in dem sich sein Schicksal wendet. Denn Tom Thumb wird zum Zwerg von König Artus, um ihn am Hof zu unterhalten.

Tom ist bei den Frauen am Hof sehr beliebt und reist manchmal nach Hause, um seine Eltern zu besuchen und ihnen Geld zu bringen. Auf einer seiner Reisen findet ihn eine Elfenkönigin auf einer Rose schlafend und hinterlässt ihm einige magische Gegenstände. In den meisten Versionen des Däumelingmärchens sind dies ein verzauberter Hut des Wissens, ein Unsichtbarkeitsring, ein Gürtel, der seine Gestalt verändert, und Schuhe, die es ihm ermöglichen, im Handumdrehen überall hin zu reisen.

Zu den späteren Abenteuern des Däumlings gehört eine Fahrt in einer winzigen Kutsche aus Walnussschalen. Tom trifft auf den Riesen Gargantua und sie messen ihre Kräfte. Tom setzt seine Zauberkräfte ein, um sich zu retten, als Gargantua sich ihm in den Weg stellt und versucht, ihm etwas anzutun.

Märchensammler bezeichnen diese Geschichte nicht selten als “mehr eine glorreiche Idee als eine glorreiche Geschichte”. Sie gehen sogar davon aus, dass ” Tom Thumb ” als Prototyp diente und damit die Richtung für die Erzählung und Handlung späterer Märchen vorgab.

Statt einer klaren, zusammenhängenden Erzählung erhalten wir eine Reihe von Abenteuern in Episodenform, obwohl die Reise von Tom Thumb insofern dem traditionellen Märchenbogen entspricht, als er am Ende beliebt und erfolgreich ist.

Er wird nicht nur berühmt und bewundert (vor allem von den Frauen am Königshof), weil er so klein ist, sondern er erwirbt auch magische Fähigkeiten, die es ihm ermöglichen, sich vor den “Großen” (wie dem Riesen Gargantua in der französischen Folklore) zu schützen, die ihm Böses antun wollen. Es lernt, mit seiner Kleinheit umzugehen, zu gedeihen und zu überleben, obwohl es schon früh mit Gefahren konfrontiert wird (von denen viele darin bestehen, gefressen zu werden).

Durst – Ein Vampirfilm ohne Klischees

Als Park Chan-Wook seinen Vampirfilm “Durst” drehte, wollte er die Knoblauchzehen, Opernumhänge, Holzpfähle und andere schimmelige Genre-Stereotypen weglassen. Er beabsichtigte auch nicht, der gegenwärtigen Flut an Blutsauger-Fabeln mit ihren pubertierenden Helden und Heldinnen, wie etwa “Twilight” oder “True Blood”, noch ein weiteres Kapitel hinzuzufügen. “Im Westen gibt es diese große Ansammlung von Klischees in Vampirfilmen”, sagte der südkoreanische Autor und Regisseur.

“Ich dachte, mir könnte etwas Einzigartiges einfallen, indem ich diese Klischees wegließ.”

Aus diesem Grund sollte “Durst” als scheinbar erster Vampirstreifen in Erinnerung bleiben, in dem der Protagonist ein asiatischer römisch-katholischer Priester ist, der sich wegen seiner bisherigen Hilflosigkeit schuldig fühlt. Dieser bescheidene Mann des Glaubens, der vom führenden koreanischen Schauspieler Song Kang-Ho gespielt wird, wird aus Versehen zu einem sinnlichen nächtlichen Raubtier, als er freiwillig an einem Impfstoff-Experiment teilnimmt, das einen tödlichen Virus bekämpfen soll. Stattdessen erhält er eine ansteckende Transfusion, die ihn zum Vampir macht.

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