Die Veranda

Kult!

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Romantische Faszination

Die romantische Faszination für Somnambulismus, Hypnose, bzw, organischen Magnetismus beruht auf der Vorstellung, dass sich im Zustand des ausgeschalteten Bewusstseins das Geheimnis einer tieferen Verbindung des Individuums mit der Natur und dem kollektiven Unbewussten in einer immateriellen psychischen Dynamik enthüllen lassen.

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Parahotelzimmer

Auch in Parahotelzimmern springt die Luft durch den statischen Auftrieb wie eine Bestie in sämtliche Ecken hinein, kaum schließt man die Tür und lässt den Staub wie ein zufällig entstehendes Universum unleserliche Formationen einnehmen, die sich unablässig wandeln.
Pandoras Pithos, eine Herberge der Essenz der Weltübel, übt sich kaum in der notwendigen Geduld, sich nicht immerdar ausleeren zu müssen.
Ungewollte Schatten geistern über die Erde, die selbst nur vage Umrisse hat. Die Raupe, pelzig eingehüllt, später flügge, kann den dräuenden Irrfahrten nicht entkommen, muss sich der Veränderung unterwerfen. Die Verpuppung ist mit nichts zu vergleichen, außer mit unserer eigenen Geburt, an die wir keine Erinnerung haben.
Vom ersten verbürgten Versuch, hier eine Straße zu bauen, den Schotterweg aufzugeben, der vor dem Haus vorbeirollt und hinauf zum Waldrand führt, blieb ein abgeschnittener Arm, der kein Ziel kennt. Ich hörte wie die Teermaschinen ihren schwarzen Belag kochten. Durchs Haus turnte der Geruch frischer Krapfen, die sich, ausgelegt auf dem Kellerboden, von selbst vermehrten.
Wenn Gäste kamen, begleiteten wir sie zu ihren Grabstätten, die sie sich während eines komplizierten Verfahrens ausgesucht hatten. So konnten sie ein Gefühl dafür bekommen, wie einst jene den Platz erfahren werden, die sie besuchen kommen, um Blumen niederzulegen oder den Würmern huldigen, die aus der Fracht ihres Magens neue Erde produzieren.

Messer Gabel Leffel

… werde etwas kochen (und sie nam einen teig und knettet und sods fur seinen augen und kocht im ein gemüse), ich weiß noch, wie am Besteck ich hing (Messer Gabel Leffel) das mir erst richtig Esslust machte, weil die visuelle Laune mit der olfaktorischen etwas durcheinander ging; es war (und wir stopften uns Knödel in den Muhund) ein regelrechtes Dampfen, Jackie & Goldie hießen die beiden Sittiche, aber sie sprachen nicht und wir begruben sie bei den jungen Kiefern. Vielleicht fehlt DAS & das waldgrüne Schneidbrett, in dieser Küche zu viern. ›Die Allegorie ist die Paraphrasierung eines bewußten Inhalts‹, steht auf den Schuppen eines Karpfens zu erkennen, mehr leuchtet nicht ein, mehr Flecke gibt es nicht, mehr Tisch mehr Bein. Im Sitzen wird der Magen schlapp, ich habe herausgeschmeckt was du kochen wolltest, habe den Geruch gespürt, der aus dem Wasser schwappte auf zarte Teller, angereicherte Biester, der Salat blüht in den Schalen, viel Nelke (in den Apfel gesteckt) / danach ging jeder seiner Wege / innen, außen. Poliertes Silber = Das Besteck mit den schwarzen Griffen
man nehme : und würfle alles in den Tiegel, laß es richtich schwappen & murren & brödeln / Lor Beere / Wach Holder / Cardamamsel zitzel litzel

Der Adept des Assassinen / Robin Hobb

Robin Hobbs Debütroman “Der Adept des Assassinen” erschien in seiner ersten Übersetzung 1999 bei Bastei-Lübbe, 2009 als “Der Weitseher” bei Heyne und 2017 als “Die Gabe der Könige” bei Penhaligon. Man sieht bereits daran, dass man die bekannte Methode, willkürlich mit Texten umzugehen, hier wieder bis zum Äußersten getrieben hat. Tatsächlich heißt der Roman “Assassin’s Apprentice”, und wie man sieht, hat Bastei hier den nötigen Respekt gezeigt. Nur beim dritten Band der ersten Trilogie um Fitz, den Weitseher, hat man mit “Die Magie des Assassinen” (Assassin’s Quest) eine Abwandlung des Originals vollzogen. Vielleicht wusste man auch nicht, was in Gottes Namen eine “Quest” ist. Wie dem auch sei, es ist das übliche Ärgernis, und man muss schon fast jede Buchbesprechung mit einem derartigen Einstieg versehen.

2017 hat die Autorin Margaret Astrid Lindholm Ogden ihre 16 Hauptromane des Zyklus “The Realm of the Elderlings” mit dem Roman “Assassin’s Fate” (bein Penhaligon wurde 2019 daraus “Die Tochter des Wolfs”) abgechlossen, aber bereits angekündigt, dass sie weiter daran arbeiten wird. Zwei Bücher der sogenannten “Regenwildnis-Saga” sind noch gar nicht bei uns erschienen, auch wenn man die vier Bücher getrost erst einmal verschmerzen kann, weil sie doch nur sporadisch mit den “Zauberschiffen” verbunden sind, jener Trilogie, die direkt auf die ersten drei Weitseher-Bücher folgte.

Als Megan Lindholm unterzeichnete Robin Hobb 1993 den Vertrag über eine Trilogie bei Bantam-Books, da ahnte noch niemand, dass hier ein moderner Klassiker des Genres entstehen würde.

Wie man sich bettet, so liegt man – ein Sprichwort, das besonders für den Konsum von Fantasy-Literatur taugt. Fühlen wir uns in einer Welt, ihren Sitten, ihrer Kultur wohl, hegen wir kaum den Wunsch, diese Welt eines Tages wieder zu verlassen. Zumindest nicht so schnell. Das Geheimnis eines Klassikers wie der drei Weitseher-Trilogien (und der Zauberschiffe) liegt nicht so sehr in der Geschichte selbst als am Wie der Geschichte. Da wir uns seit vielen Tausend Jahren stets die gleichen fünf bis sechs Geschichten erzählen, kann das Besondere jeder ‘neuen’ Variation nur die Form sein. Es ist der Sänger, nicht das Lied, lautet ein anderes Sprichwort, das verdeutlicht, was hier gemeint ist.

Oberflächlich betrachtet, haben wir es hier mit der „gewohnten“ Form klassischer Fantasy zu tun, aber wie jeder gute Autor, erzählt uns Hobb mehr als einfach nur eine spannende und wendungsreiche Geschichte in einer Prosa, die an Honig erinnert, satt und schillernd. Jedes Detail steht in 3-D vor uns, die Welt ist intensiv, die Figuren lebendig und komplex, die Intrigen fein gesponnen. Das hört sich dann schon nach moderner statt klassischer Fantasy an, und in der Tat verzichtet Hobb auf stereotype Mechanismen, wie man sie etwa von zahllosen Tolkien-Epigonen kennt, als kaum eine Entwicklung des Genres erkennbar war.

Die Magie, die es in den 6 Dutches (Provinzen oder Herzogtümer) gibt, besteht hauptsächlich aus zwei glaubhaften Prinzipien: Einmal der „Gabe“, die einer parapsychologischen Telepathie ähnlich ist, und zweitens aus der „Alten Macht“, einer Tiermagie, wie man sie in archaischen Religionen beschrieben findet.

Robin Hobb nutzt, wie so viele Fantasy-Autoren, für ihre Arbeiten eine Karte der Ländereien, die sie kennt. In ihrem Fall ist das Alaska. Vorgestellt werden die Provinzen und ihre Kulturgeschichte durch den einzelnen Kapitel vorgelagerten Auszügen aus Chroniken, Schriften des alten Fitz (woraus zu erkennen ist, dass er seine Abenteuer überlebt), oder seines Lehrmeisters Chade. Dieser Kniff ist notwendig, weil Hobb Fitz in der ersten Person erzählen lässt, was bekanntlich die Sicht auf die Welt einengt. Andererseits gelingt es dadurch aber auch, die Erlebnisse äußerst intensiv zu halten, die Geheimnisse hingegen wage und widersprüchlich. Und Hobb beherrscht ihre Figur in dieser Perspektive perfekt, was sich nur mit der Literatur des 19. Jahrhunderts vergleichen lässt.

Mit dem Weitseher-Zyklus zieht sie sämtliche Register der Hofintrigen, mischt diese mit Elemente der Artus-Sage (Stichwort Königstreue) und einer glaubhaften psychischen Komponente, die nicht wirklich als Magie zu bezeichnen ist, sondern als durchaus plausibles geistiges Talent. Plausibel, subtil und mit menschlichen Schwächen in einem glaubhaftem Maß sind schlicht alle Figuren gestaltet. Hobb beherrscht die Charakterisierung wohl einzigartig, einzigartig vor allem in dieser Fülle, in der Weltbeschreibung, Emotion, Tat, Gedanke, Talent, Traum und Wirklichkeit, Vision, Schrecken, Freundschaft und vieles mehr derart ineinander greift, dass man dieses Werk nur als eines der wenigen absoluten Meisterwerke des ganzen Genres beschreiben kann.

Paterson

Ashbery sagt über William Carlos Williams, daß er in einer offenen Form und in Alltagssprache dichte. Was mir bleibt, ist die offene Form, fern jeder Schematik, die fehlende Geschraubtheit, ja, durchaus. Aber in seinen Prosagedichten rafft er Horizonte zusammen.
Seite 107, Paterson: Der letzte Wolf wurde im Jahr 1723 in der Nähe des Weisse Huis erlegt. Das ist fast wörtlich ein Satz, den ich in die Sandsteinburg schrieb, nämlich so (Seite 101):
Der letzte Wolf wurde am 21. Juli 1882 bei Mehlmeisel von Martin Wiesend, einem Gasthofbesitzer, im Laufe einer Jagd erschossen.
Ashbery, geschult an Elizabeth Bishop, Marianne Moore, W.H. Auden, und eben Williams, bedeutet mir sprachlich mehr, aber Paterson bleibt mir als Langgedicht ein unvergessliches Erlebnis

Gondel

Hinter mir brillt die Sonne, schmähschmettert brennendheiße, achGott : knutheiße Fingerzippel vonner Wand wech aufmeim Rükken. Ich steh so da, so steh ich da & yep : uhu=riniere schlenkernd mitter Hüpfte in die Gondeln rein, pisseundpisse : in die Gondel rein, zwikk zum Schluss die Schinkenpacken (in der Mitte dark gefaltet) an=hei!=nander, um auch noch die kompleksbehafteten Droppen ausser Blase zu scharren – in die Gondel rein (schüttl mich nafreilich selber gut foll, lass den Haut-fleisch=Schlauch noch etwas in der goldnen Backblech=Wärme hängen, hängt ja gutest da). Du Gondel!

Pissstand

Ach Du liebes Pisschen!, hier sah ich einst, die Schuhe wollten bei jedem Schritt kleben bleiben, zerbröckeltes Glas knirschte unter den Sohlen, bröselte weiter und nistete sich sogar tief in den Gummibelag oder das Leder ein, die Frischluft wollte gar nicht dazu kommen, den Qualm abzuwedeln, wenn sich die Türe öffnete, um einen neuen Gast in den Schankraum zu spülen, einen betrunkenen hinaus oder ins Pissoir, wo man den Kopf einziehen musste, um durch die Zarge – immer der Nase nach – zu treten, wo früher einmal hochhoheitliche Ponys ihre Äpfel fallen ließen – Jauchäpfel fallen nicht weit vom Stall, die Rinne von heute nimmt’s mit Segen -, eine Alte, die, obwohl in der Hocke befindlich, redlich schwankte, dabei sich abmühte, ihre Brunze in die Rinne zu schleudern und gleichzeitig nicht ihren dicken Moltonrock zu besudeln. Das Schauspiel, ganz und gar nicht stumm begleitet von ächzendem Kläffen, kam mir derart merkwürdig vor, dass jegliches Blasen-Völlegefühl keinen Bedarf mehr hatte, auf sich aufmerksam zu machen, und ich, erstarrt wie ein Porzellanmännchen, ein verhexter Voyeur, der Entleerung bis zum Ende beiwohnte, ohne wahrgenommen zu werden. Nun wusste ich in jener Zeit nur von Sagen und Legenden, dass sich die Frauenschaft immer und ausschließlich auf die Schüssel hockte, nämlich um beiderlei Notwendigkeiten von sich zu lassen, aber diese hier schien sich vielleicht nicht daran zu erinnern, oder in ihr kochte der reine Trotz ein Feuer, das doch eigentlich niemanden versengte, mir selbst auch nur ein weiteres Rätsel aller Existenz auftrug.

Besorgungen um zehn

Ich gehe auf der Straße und gebe vor, ein Auto zu sein, was man mir scheinbar nicht abnimmt, sonst wäre kein Hupkonzert aufgekommen. Unbeeindruckt blinke ich (hat man kein recht auf Langsamfahrt?) nach alter Herren Sitte mit dem linken Arm. Ich muss gar nicht aussteigen, um den Laden zu betreten, bin bereits das Ausgestiegene höchstselbt. Heute bedient wieder die blonde, feiste Nachbarin, die nach ihrer Schwangerschaft vor über zehn Jahren nie wieder in eine gewisse Windschnittigkeit zurückfand. Außerdem gibt es ja noch das zweite, das jüngere Kind.

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